Freitag, 8. Februar 2008

Welche Frist gilt ab 2008 für die freiwillige ESt-Erklärung (Antragsveranlagung)

Eine der Steueränderungen zum Jahr 2008 betrifft die freiwillige Abgabe von ESt-Erklärung in der Hoffnung auf Lohnsteuererstattung.

Bisher mussten Arbeitnehmer, die nicht zur Abgabe von ESt-Erklärungen verpflichtet waren, sondern sie freiwillig abgeben konnten (so genannte „Antragsveranlagung“, früher auch "Lohnsteuerjahresausgleich" genannt) spätestens nach zwei Jahren einreichen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes). Nur dann konnten sie etwas von der bereits gezahlten Lohnsteuer zurückbekommen.

Diese Frist ist ersatzlos weggefallen.

Die Verwirrung beginnt jetzt. Denn die "neue" Frist wird unterschiedlich dargestellt.

Gemäß einer Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums und anderer gängiger Mitteilungen im Internet habe jetzt jeder, der nicht zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet ist, bis zu sieben Jahre Zeit für eine Steuererklärung. Die neuen Fristen (gelten ab dem Steuerjahr 2005, heißt es weiter.

(Beispiel: http://www.bundesfinanzministerium.de/lang_de/DE/Aktuelles/104.html)

Es gibt aber auch Newsletterdienste und Kollegen, die von vier Jahren ausgehen. Die Divergenz als solche scheint jedenfalls bei den Internetmeldungen noch nicht so recht erkannt zu sein. Erst in persönlichen Gesprächen mit Kollegen aus dem Steuerbereich wird die Problematik gesehen.

Für die Privatpersonen reicht momentan die Kenntnis, dass für 2005 die Möglichkeit der freiwilligen Steuererklärung - in Hoffnung auf Steuererstattung - noch möglich ist; ob ansonsten vier oder sieben Jahre gelten spielt erst in der Zukunft eine Rolle. Für die Ausbildung und Praxis aber besteht sofortiger Klärungsbedarf.

Woher kommt dieser Unterschied bei den Meldungen, und woraus leitet sich die neue Frist überhaupt ab?

Nun, die Antwort vorweg: die Frist ergibt sich aus den §§ 169,170 AO und die Divergenz aus der unterschiedlichen Auffassung, ob die Anlaufhemmung des § 170 Absatz 2 anzuwenden ist.

Die Zweijahresfrist wurde abgeschafft, nachdem sich aufgrund einer Verfassungsbeschwerde herauskristallisiert hat, dass diese Gruppe von Arbeitnehmern, die eine ESt-Erklärung nicht abgeben müssen sondern sie nur freiwillig abgeben können, hier im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen benachteiligt werden.

Die Zweijahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist ersatzlos weggefallen. Es gibt keine Ersatzfrist mit sieben Jahren; eine solche Frist sucht man vergeblich im Einkommensteuergesetz. Es gilt nun dasselbe wie z.B. bei Selbständigen.

Hier kommt aber die Festsetzungsfrist zur Geltung, die für alle Steuerarten und alle Steuerpflichtigen anzuwenden ist.

Gibt der Selbständige keine ESt-Erklärung ab, hat das Finanzamt sieben Jahre Zeit, die Sache zu verfolgen und notfalls einen Schätzungsbescheid zu erlassen. Diese Frist ergibt sich aus der Festsetzungsverjährung, § 169 AO. Danach soll nach Ablauf einer bestimmten Frist, der so genannten Festsetzungsfrist, kein Bescheid mehr in dieser Sache möglich sein, weder ein erstmaliger, noch ein Änderungsbescheid.

Damit kann auch der Steuerpflichtige keine Erklärung mehr abgeben in der Hoffnung, einen Bescheid mit Steuererstattung zu bekommen, denn das FA darf eben keinen Bescheid mehr erlassen.

Die Festsetzungsfrist beträgt, abgesehen von Verbrauchssteuern und Spezialfällen, vier Jahre (§ 169 AO) . Sie orientiert sich an der Enstehung der Steuer. Der Entstehungszeitpunkt ist für jede Steuerart gesetzlich geregelt, bei der ESt ist es der Jahresablauf (ESt 2000 entsteht mit Ablauf des Jahres 2000, also am 31.12.2000, 24:00 Uhr).

In Fällen, in denen der Steuerpflichtige vorher eine Steuererklärung abgeben musste oder hätte müssen, also z.B. bei der ESt, beginnt die Frist erst ab Einrichung der Steuererklärung, spätestens aber 3 Jahre nach Entstehung, zu laufen (so genannte Anlaufhemmung, § 170 II AO). Gibt der Selbständige überhaupt keine Steuererklärung ab, kommen sieben Jahre zusammen (drei Jahre Anlaufhemmung und vier Jahre Frist). Das Finanzamt hat sieben Jahre Zeit, sich um die Steuerverfolgung zu kümmern.

Der Steuerpflichtige kann, wenn er die Erklärung in dieser Frist nachreicht, noch eine eventuelle Steuererstattung erhalten, hat also seinerseits sieben Jahre lang die theoretische Möglichkeit, eventuelle Erstattungsansprüche zu realisieren (dies war die Ungleichheit gegenüber o.g. Arbeitnehmern)

Diese Fristberechnung aus §§ 169,170 sind in der Steuerausbildung bekannt und gehören zu den typischen Prüfungsfragen. Die Frist von insgesamt sieben Jahren ist keine Steuererklärungsfrist (diese beträgt für die ESt-Erklärungspflichtigen nur 5 Monate), sondern ergibt sich aus den Regeln der Festsetzungsverjährung.

Indirekt ist also die Festsetzungsfrist auch eine Frist für den Arbeitnehmer, denn nach Ablauf dieser Frist darf das Finanzamt auf eine Steuererklärung nicht mehr mit einem Bescheid reagieren.

In einigen der Meldungen findet man auch diese Begründung und obige Berechnung von "drei + vier" Jahren.

Anderslautende Meinungen gehen aber davon aus, dass die Anlaufhemmung des § 170 II AO, der in Ausnahme zur Grundregel bis zu drei Jahren zusätzlich dazugibt, hier nicht gilt. Denn der Wortlaut des § 170 II verlangt eine Steuererklärungs-Pflicht! Wörtlich:

  • Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

    Nr.1) eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist ...
Da bei freiwilliger Steuererklärung keine Abgabepflicht besteht, ist streng nach Wortlaut der Absatz 2 nicht anwendbar, es bliebe bei Absatz 1: vier Jahre ab Entstehung.

Das wäre bezüglich der ESt 2005 dann der Ablauf des Jahres 2009 und nicht des Jahres 2012.

Sofern man dieser Logik folgt, ist fraglich, ob der Gesetzgeber sich das so vorgestellt hat. Möglicherweise hat er den Punkt übersehen, denn immerhin ist bekannt, dass er mit der Abschaffung der Zwei-Jahresfrist eine Gleichstellung mit anderen ESt-Pflichtigen erreichen wollte. Dann müsste man, wie ein Kollege dies zu Recht formulierte, den § 170 Absatz 2 analog anwenden, bis der Gesetzgeber die Regelung nachbessert.

In der amtlichen Begründung zum Untenehmensteuergesetz konnte ich keine Hinweise zu dem Thema finden. Dass das Ministerium auf seiner Webseite selbst lakonisch von sieben Jahren ausgeht, ist zwar kein zwingendes, aber eben ein Indiz dafür, dass im Endeffekt eine Sieben-Jahre-Regelung gewünscht ist.

Es ist nicht Ziel dieses Artikels, eine Lösung aufzuzeigen. Vielmehr will ich darauf hinweisen, woher die ominöse Sieben-Jahres-Frist kommt, und dass und warum hier unterschiedliche Meldungen herumgeistern.