Donnerstag, 20. Oktober 2011

Oh, oh! Physiotherapie ab 2012 mit Umsatzsteuer?

Ja, die Schreckensmeldung ist leider wahr. Für die meisten Physiotherapie-Leistungen wird künftig Umsatzsteuer anfallen, und zwar in Höhe von 7 %. Nur wenn die Leistung direkt vom Arzt verordnet wurde, bleibt sie befreit.

Bisher gingen die Steuerbehörden auch dann von USt-Befreiung aus, wenn die Therapie im Anschluss an eine ärztlich verordnete Heilbehandlung erfolgte. Es reichte also, dass generell eine physiotherapeutische Behandlung erfolgte, und keine Wellness- oder Fitness-Maßnahme.

Das soll künftig anders werden. Und zwar nicht, weil sich ein Gesetz ändert, sondern weil die Rechtsprechung und Steuerverwaltung die bestehenden Gesetze anders auslegen. Entsprechendes steht in einem Rundschreiben der Oberfinanzdirektion Frankfurt: OFD Frankfurt/M., Rundverfügung v. 26.7.2011, S 7170 A – 89 – St 112, DStR 2011 S. 1763





Rechtlicher Hintergrund:


Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin können steuerbefreit nach § 4 Nr. 14 UStG sein, wenn sie zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und – soweit möglich – der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Zu diesen steuerbefreiten Tätigkeiten gehören auch die Leistungen von Physiotherapeuten. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 7.7.2005, V R 23/04, BStBl I 2005 S. 904) kann die Steuerbefreiung für Leistungen arztähnlicher Berufe nur dann in Betracht kommen, wenn sie aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme erbracht werden. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen dabei für jede einzelne Leistung nachgewiesen werden.

Bisher gingen die Steuerbehörden davon aus, dass physiotherapeutische Maßnahmen im Anschluss an eine ärztlichen Diagnose steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG sind. Diese Rechtsauffassung gibt die Finanzverwaltung auf. Behandlungen im Anschluss   einer ärztlichen Diagnose, für die die Patienten die Kosten selber tragen, sind grundsätzlich nicht mehr als (steuerbefreite) Heilbehandlung anzusehen. Sie werden künftig als (steuerpflichtige) Präventionsmaßnahmen angesehen. Es wird aber nicht beanstandet, wenn die Leistungen eines Physiotherapeuten im Anschluss an eine ärztliche Diagnose bis zum Jahresende 2011  als steuerbefreite Heilbehandlung behandelt wird.

Bei diesen Leistungen handelt es sich aber um Leistungen, die dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG unterliegen, so dass nur eine Umsatzsteuer i. H. v. 7 % entsteht.

Was bedeutet das für uns Patienten?


Dass die Heilbehandlungskosten teuerer werden. Die Physiotherapeuten müssen die USt künftig in ihre Vergütungssätze einkalkulieren, sofern keine ärztliche Verordnung vorliegt, sonst stimmt ihre Kalkulation nicht mehr. Das ist auch der Sinn der UST - der Staat will den privaten Endverbraucher besteuern, verlangt aber die Steuer beim Verkäufer oder Dienstleister in dem Wissen, dass dieser die Steuer in den Preis einkalkuliert und abwälzt.

Was bedeutet das für Physiotherapeuten?


Für die Physiotherapeuten ist die Änderung ebenfalls lästig, da sie aufpassen müssen, korrekt abzurechnen. Sonst müssen sie die USt aus eigener Tasche zahlen. Außerdem müssen sie sic künftig Gedanken um eine Mischkalkulation bzw. differierende Vergütungssätze machen. Wehe, jemand bekommt diese Änderung nicht mit, oder ignoriert sie und rechnet auch die nächsten Jahre normal ab. Spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung gibt es dann eine satte Nachzahlung, die der Therapeut nachträglich nicht mehr auf die Kunden abwälzen kann.

In den letzten Semestern hatte ich unter anderem auch Vorlesung beim Diplomstudiengang Physiotherapeuten und Ergotherapeuten. Dabei unterrichtete ich das Fach Steuern und Rechnungswesen. Dort gehörte es zum Basiswissen, dass (echte) physiotherapeutische Behandlungen umsatzsteuerbefreit sind, weil es Heilbehandlungen sei. Für Ergotherapeuten nahm man übrigens dasselbe an. Es ist also zu prüfen, ob die hier genannte Änderung nicht auch genauso für Ergotherapeuten gilt.

Der Gesetzgeber könnte reagieren und künftig auch Präventivmaßnahmen dieser Art von der Steuer befreien. Das bliebe zu hoffen.

Samstag, 15. Oktober 2011

Bundesrat stimmt verbessertem Rechtsschutz gegen überlangen Gerichtsverfahren zu

Das wird in der Praxis kaum was helfen, jedenfalls meiner Erfahrung nach: der Bundesrat hat am 14.10.2011 dem verbesserten Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren zugestimmt. Das Gesetz, das zuvor bereits den Bundestag passiert hatte, sieht eine angemessene Entschädigung vor, wenn gerichtliche Verfahren zu lange dauern.

Das Bundesjustizministerin bezeichnet die Maßnahme sogar als "Durchbruch". Ich schildere nachfolgend die Gesetzesinitiative und anschließend ein paar Fälle aus der Praxis, die ich in 20 Jahren Anwaltstätigket erlebt habe. Sie können dann selbst beurteilen, ob die Maßnahmen einen "Durchbruch" darstellen


Zum Hintergrund:

Das neue Gesetz sieht eine angemessene Entschädigung vor, wenn gerichtliche Verfahren zu lange dauern.