Mittwoch, 28. März 2012

Urteil gegen facebook wegen bestimmter Nutzungsbedinungen


Berlin, den 06.03.2012

Auf Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat das Landgericht Berlin heute der Facebook Ireland Limited die Versendung entsprechender Anfragen an Dritte und die Verwendung eines unzureichenden Hinweises auf Datenimport bei der Registrierung sowie die Verwendung verschiedener Vertragsklauseln untersagt.


Nach Auffassung des Landgerichts sind die entsprechende Werbepraxis von Facebook und die verwendeten Klauseln mit wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen sowie den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht vereinbar.




Die Gründe liegen mittlerweile vor, allerdings nur als Scan des per Telefax übermittelten Originals, das die Justizbehörden auf ihren Presseseiten zum Download zur Verfügung stellt:

   Facebook-Entscheidung Az 16 O 551_10,
   Urteil vom 06.03.2012 Landgericht Berlin: PDF laden

Für alle Studenten und Schüler, die sich mit WettbewerbsrechtAGB-Recht oder Datenschutzrecht befassen müssen, empfehle ich die Lektüre des Urteils, da es ein schöner Übungsfall ist. Er ist auch als Prüfungsaufgabe denkbar. Interessant ist auch die unterschiedliche Begründung von Kläger und Gericht.

Hintergrund

Der Kläger, nämlich der  Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, nimmt die Beklagte wegen ihrer Funktion "Freunde finden", ferner wegen ihrer AGB und ihrer Datenschutzrichtlinien auf Unterlassung in Anspruch.


Anlass und erster Teil der Klage war der (mittlerweile geänderte) Registrierungsprozess bei facebook. In dessen Verlauf wird der Nutzer gefragt, ob seine Freunde schon bei Facebook registriert seien. Der schnellste Weg dies festzustellen sei das Durchsuchen seines E-Mail-Kontos, was der Nutzer sodann durch Betätigung des Buttons "Freunde finden" veranlassen kann.

Bestätigt der Nutzer diesen Link, so erscheint ein Pop-Up-Fenster mit folgenden Informationen:

Wir können die E-Mail-Adressen, die Du mithilfe des importeurs hochgeladen hast, dazu benutzen, um dir bei der Vernetzung mit deinen Freunden zu helfen. Dies beinhaltet auch das Generieren von Freundschaftsvorschlägen für dich und deine Kontakte auf Facebook

Nach Betätigen des Buttons "Freunde finden" werden die E-Mail-Adressen der Kontakte des Nutzers, die nicht Mitglieder der Beklagten sind, importiert und sodann in einer Liste einzeln aufgeführt.

Dort ist vor dem jeweiligen Kontakt ein Feld vorgesehen, das voreingestellt bereits ein Häkchen enthält, welches sich aber auch entfernen lässt. Unter dieser Liste befinden sich Buttons mit der Beschriftung "Einladungen versenden" und "Überspringen".

Am 21.4.2010 erhielt die bei dem Kläger beschäftigte Zeugin T. eine E-Mail mit der Einladung eines Herrn M, dass sie sich bei der Beklagten anmelden solle. Zuvor hatte sich M, ein Bekannter der Zeugin, dort registrieren lassen. Weder ihm noch der Beklagten gegenüber hatte die Zeugin in die Übermittlung einer solchen Mail eingewilligt. Mit einer E-Mail vom 8.5.2010 wurde die Zeugin an diese Einladung erinnert. Gegen diesen Registrierungsprozess klagte der Verband der Verbraucherschutzverbände.

Des Weiteren wendet sich die Klage auch generell gegen bestimmte von der Beklagten verwendeten AGB und Datenschutzrichtlinien. 

Die Klage war in allen Punkten erfolgreich und führte zu einem Unterlassungsurteil

Dabei prüfte das Gericht:

  • § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG: email-Werbung ohne Aufforderung durch den Empfänger (wobei hier erst geklärt werden musste, ob die durch das neue facebook-Mitglied veranlasste email auch eine wettbewerbsrelevante "Werbung" von facebook selbst ist)
  • § 11 UWG Verjährungsaspekt
  • § 4a Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG bezüglich der Frage, ob die Einwilligung des Nutzers in die Daten. Hier ist juristisch interessant der Aspekt, dass die Beklagte gerügt hat, das für  Behörden "gemachte" BDSG könne nicht im Privatrecht gelten (widerlegbar mit § 1 Abs.2 Nr. 3 BDSG). Ferner untersuchte das Gericht den Aspekt der Spürbarkeitsschwelle des § 3 Abs. UWG  und den Aspekt, dass § 4a Abs. 1 BDSG eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG ist (also wettbewerbsrechtlich relevant ist) und andere Aspekte.
  • Weiterhin prüft das Gericht noch die mit von der Klage umfasste, in den AGB auftauchtende  "IP-Lizenz".  Diese sei unwirksam gemäß § 307 Abs. 2 Nr.1 BGB (also ein Verstoß gegen das AGB-Recht). Es verstoße gegen den § 31 Abs. 5 UrhG zugrunde liegenden Zweckübertragungsgedanken (S. 19 im Urteilsumdruck).
  • Die AGB-Klausel "Über Werbung auf Facebook" verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB
  • Die"Änderungsermächtigung" , also die Möglichkeit von Facebook, mit Ankündigung von 30 Tagen die AGBs ändern zu können, sofern kein Widerspruch erfolgt, ging dem Gericht im konkreten Falle auch zu weit. Es verstoße gegen § 307 Abs. 1 BGB (unangemessene Benachteiligung); der Kläger hatte sich dagegen auf § 306 Nr. 4 BGB gestützt. Dieser Teil ist ganz allgemein ausbildungsrelevant, denn derartige Änderungsklauseln tauchen sehr häufig in AGBs auf. Also lesen!
  • Die AGB-Klausel "Beendigung" - hier geht es um  außerordentliches Kündigungsrecht ohne Abmahnung und wichtigen Grund - verstößt natürlich gegen den Kern von § 314 BGB und ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
  • Schließlich prüfte das Gericht die AGB-Klausel "Informationen von anderen Webseiten" und sah darin eine Unwirksamkeit aus  §§ 307 Abs. 1 BGB iVm § 28 ff Bundesdatenschutzgesetz und § 12 TMG. Facebook hatte hier eingewandt, die User hätten den  zu den Richtlinien zugestimmt

    Indem du auf "Registrieren" klickst, bestätigst du,
    dass du die ... Datenschutzrichtlinien gelesen hast und diesen zustimmst
    ".

    Warum das im konkreten Falle nicht reicht, erläutert das Gericht auf S. 23 unter Berufung auf die Payback-Entscheidung des BGH vom 16.07.2008 und ist ebenfalls lesenswert.
  • Entsprechendes gelte für die Klausel "Informationen, die du mit anderen teilst", mente das Gericht. 
Weitere Bedeutung

Meines Erachtens ist das Urteil auch für google+ interessant. Deren Bedingungen müsste man jetzt unter dem Licht dieser Entscheidungsgründe prüfen.