Sonntag, 6. Oktober 2013

Hinweise für Fachwirt-Prüflinge zu Rechtsprüfungen, Teil 1

Anlässlich aktueller Korrekturarbeiten an Übungsklausuren von angehenden Fachwirten und Küchenmeistern möchte ich ein paar Hinweise los werden. Natürlich nur zu den Themen Recht und Steuern.

Wenn es um Rechte oder Forderungen geht, die in einem konkreten Fall zu prüfen sind (z.B. Schadenersatz, Rücktritt), dann beachten Sie bitte:

  • bleiben Sie beim konkreten Fall und machen keine allgemeinen Ausführungen zu diesem Rechtsthema. Es sei denn, sie machen zuerst allgemeine Ausführungen, worauf es ankommt, und stellen dann fest, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen erfüllt sind.
  • gehen Sie von einer so genannten "Anspruchsgrundlage" aus und prüfen Sie durch. Die meisten Gesetze enthalten ein paar Paragraphen, wo konkrete Ansprüche verankert sind, z.B. ein Schadenersatzanspruch, ein Lieferanspruch, ein Rückzahlungsanspruch. Die Paragraphen "drumherum" regeln oft nur Details über die einzelnen Voraussetzungen.
Manchmal gibt es für eine Forderung mehrere Anspruchsgrundlagen. Dann muss man sauber trennen und getrennt durchprüfen.

Beispiel: der Unternehmer hat eine Maschine mit herstellerseitigen Mangel gekauft; es entsteht ein Brand, bei dem auch andere Maschinen beschädigt und einige Arbeiter verletzt werden. Der Unternehmer will Schadenersatz für die Folgeschäden. In Frage kommende Anspruchsgrundlagen für einen Schadenersatzanspruch findet man z.B. 

a) aus kaufrechtlicher Gewährleistung (§ 434 BGB),

b) aus Deliktsrecht, also unerlaubter Handlung (§ 823 BGB)

c) aus § 1 Produkthaftungsgesetz.
Jede Anspruchsgrundlage hat ihre eigenen Voraussetzungen. Die erste z.B. erfordert, dass der Unternehmer die Maschine direkt vom  Hersteller gekauft hat, sonst fehlt es an dem Kaufvertragsverhältnis. Das Deliktsrecht erfordert das nicht, aber hier ist notwendig, dass ein Verschulden vorliegt. Das Produkthaftungsgesetz verlangt auch kein Verschulden, allerdings sind hier die gedeckte Schäden stark eingeschränkt (z.B. Sachschäden nur bei Drittsachen, und auch nur bei privater Verwendung)


Natürlich gibt es noch mehr Vorschriften, die Schadenersatz gewähren, die Sie aber nicht erwähnen und durchprüfen müssen, weil sie ganz offensichtlich von vornherein ausscheiden (z.B. aus Haftungsansprüche aus § 7 Straßenverkehrsgesetz bei Verkehrsverstößen)
In Fachwirtprüfungen sollte es nicht zu erwarten sein, dass  (wie bei Juristenprüfungen)  der Prüfling solche Varianten selbst erkennen muss. Die Fragen könnten z.B. eine Hilfestellung geben, indem sie die Themen aufspalten

Beispiel: Beantworten Sie folgende Fragen: a) Hat der A Schadenersatzansprüche aus Kaufvertrag gegen B wegen der beschädigten Maschinenhalle? b) Hat er Ansprüche aus anderen Gesetzen wegen dieser Schäden? c) Hat der geschädigte Arbeiter B Schadenersatzansprüche wegen seiner Personenschäden?
Wichtig ist aber, dass  Sie die Ansprüche nicht durcheinanderbringen.

So erlebe ich oft, dass bei Rücktritt wegen Verzögerung auch der Verzug (also das Vertretenmüssen und Mahnung) geprüft wird. Das ist aber (seit der Schuldrechtsreform 2002) nicht mehr nötig. Das Rücktrittsrecht ergibt sich aus einer anderen Rechtsgrundlage als der Schadenersatz wegen Verzugs.

Auch folgende Antwort aus einer Prüfung zeigt, dass der Prüfling alles durcheinanderbringt:

"Der Mitarbeiter kann wegen fahrlässiger Körperverletzung klagen, da der  Schaden, den er davon trägt, durch das mangelhafte Produkt entstanden ist".

Hier fehlt das Gesetz, woraus er es ableitet (ProdHG?, Kaufvertrag? Unerlaubte Handlung?). Ferner spielt die Fahrlässigkeit nur bei Kaufvertrag und unterlaubter Handlung eine Rolle. Ein "Mangel" ist  nur bei Kaufvertrag zu prüfen, bei Produkthaftungsfällen dagegen ist die FEHLERHAFTIGKEIT  festzustellen. Der Mitarbeiter hatte tatsächlich einen Anspruch aus Produkthaftung, weil die entsprechenden Voraussetzungen vorlagen, insbesonder ein Fehler vorlag, dadurch ein Personenschaden entstand, der Anspruchsgegner der Hersteller war etc. Aber mit obiger Begründung ist fraglich, ob der Korrektur auch nur einen Punkt gibt.

Am Rande: wenn nach Ansprüchen gefragt ist, muss man nicht gleich Klage erheben. Man kann einfach seine Ansprüche geltend machen.

Wenn mehrere Voraussetzungen für ein Recht zu prüfen sind, z.B. Anspruchsvoraussetzunge für den Schadenersatz aus Verzug (Fälligkeitsüberschreitung, Vertretenmüssen, Eintritt eines Schadens) oder für eine arbeitsrechtliche Kündigung (Kündigungserklärung, Schriftform, Anhörung Betriebsrat, evtl. Hürden aus Kündigungsschutz, Frist), dann haben Sie zwei Möglichkeiten:

  • Bei einfachen Fällen können Sie das Ergebnis der Prüfung an den Anfang stellen und dann die einzelnen Voraussetzungen durchgehen.

    Beispiel:
     Der Kunde kann Schadenersatz verlangen. Die Voraussetzungen dazu sind erfüllt: der Liefertermin war überschritten und der Lieferer muss die Verzögerung vertreten. Ferner liegt eine ausreichende Mahnung vor.

    Versuchen Sie aber nicht, alles in einen einzigen Satz zu packen (Der Kunde kann Schadenersatz verlangen, weil der Liefertermin überschritten ist und der Lieferer die Verzögerung zu vertreten hat und ...). Das klingt nicht gut und führt meist dazu, dass man wichtige Details nicht erwähnt. Verteilen Sie das ruhig auf ein paar Sätze, dann können Sie die einzelnen Punkte sauber erörtern.
  • Ansonsten können Sie den Gutachterstil verwenden, den Betriebswirtschafler oder Juristen in Prüfungen verwenden. Das ist für Fachwirtprüfungen nicht nötig, aber möglich, und bei komplexen Fällen auch sinnvoll: Beim Gutachterstil lassen Sie das Ergebnis am Anfang noch offen, Sie sagen dem Leser nur, wo Sie mit der Prüfung anfangen, bzw. was Sie prüfen.

    Beispiel:

    Herr Huber  könnte einen Schadenersatzanspruch aus Produkthaftungsgesetz haben.


    Dazu müsste ein Fehler im Sinne des ProdHG vorliegen. Das ist hier der Fall, da die Verkabelung nicht sicher war und die Gefahr eines Brandes bestand. Ferner muss dadurch ein Sachschaden entstanden sein, und zwar bei anderen Sachen als die fehlerhafte Sache. Das liegt gemäß Fallangabe vor (evtl. genauer ausführen). Der Anspruch richtet sich gegen Hersteller oder Importeure. Die im Fall genannte Firma X ist Hersteller.   Bei Sachschäden muss aber (im Gegensatz zu Personenschäden) noch zusätzlich die Voraussetzung erfüllt sein, dass die Sache für den Privatgebrauch gedacht ist und auch privat verwendet wurde. Das ist hier nicht der Fall, denn das Gerät wurde unternehmerisch benutzt. Darum scheidet ein Schadenersatzanspruch aus ProdHG letztlich aus (oder: darum besteht kein Schadenersatzanspruch.
Stil

Vermeiden Sie Formulierungen wie "selbstverständlich", "natürlich". Beispiel "er kann selbstverständlich Schadenersatz aus Produkthaftungsgesetz verlangen, weil...". Das ist zwar kein Fehler, klingt aber unprofessionell.


Tückisches Arbeitsrecht

Es ist erstaunlich, wie das Arbeitsrecht unterschätzt wird.

Es sind harmlose Regeln, die man sofort zu verstehen scheint, und wo es nicht viel zu Lernen zu geben scheint. Z. B. die Kündigungsfristen des § 622 BGB, oder der Urlaubsumfang aus BUrlG.Und genau hier werden reihenweise grobe Fehler gemacht.

Ich denke, hier ist es wie bei der Mathematik: die Regel ist unscheinbar, aber man muss Beispiele üben. Dann wird erst sichtbar, wie tückisch die Regeln sind. Das ist kein Problem der Prüfung, sondern schon vorher ein Problem des Lernens.

Arbeitsrecht ist aber wichtig. Gleichgültig ob Küchenmeister oder Fachwirt (der Basis-Stoff der Fachwirte ist identsich mit dem Lehrstoff für Küchenmeister), Sie müssen ein Grundwissen in Arbeitsrecht haben, denn damit ist man in leitenden Stellungen konfrontiert.

Prüfen Sie, ob Sie den § 622 BGB wirklich verstanden haben: Zuerst 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Ab einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängert sich das gemäß Absatz 2, allerdings nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Zuerst erhöht sich das Ganze auf 1 Monat (das ist bekanntlich ganz etwas anderes als 4 Wochen) und jetzt nur noch zum Monatsende, dann auf 2 Monate und so weiter.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1.zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5....

Wird fortgesetzt