Montag, 26. Januar 2015

Privateinlagen von Sachen - für Steuerfachangestellte





Die Bewertung von Privateinlagen von Gegenständen ist tückisch. Der Buchungssatz ist jeweils einfach:

Anlagekonto an 2180 Privateinlagen
Zum Beispiel:

  • Fuhrpark an Privateinlagen
  • BGA an Privateinlagen
  • Maschinen an Privateinlagen
  • Grundstücke an Privateinlagen



Problematisch kann die Bewertung werden. Und die muss der Steuerfachangestellte beherrschen.


Die Regelung ist in § 6 Absatz 1 Nr. 5 EStG enthalten, und dort sind die ersten zwei Sätze entscheidend. Dort ist auch die berühmt-berüchtigte 3-Jahres-Regelung, und zwar im 2.Halbsatz des ersten Satzes, und ganz wirr wird es bei abnutzbaren (also abschreibungsfähigen) Gegenständen, siehe Satz 2.

§ 6 (1) Nr. 5:
Einlagen sind mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut
a)
innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist,
b)
ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist und der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Sinne des § 17 Absatz 1 oder Absatz 6 beteiligt ist; § 17 Absatz 2 Satz 5 gilt entsprechend, oder
c)
ein Wirtschaftsgut im Sinne des § 20 Absatz 2 ist.
2Ist die Einlage ein abnutzbares Wirtschaftsgut, so sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten um Absetzungen für Abnutzung zu kürzen, die auf den Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts und der Einlage entfallen. 3Ist die Einlage ein Wirtschaftsgut, das vor der Zuführung aus einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen entnommen worden ist, so tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wert, mit dem die Entnahme angesetzt worden ist, und an die Stelle des Zeitpunkts der Anschaffung oder Herstellung der Zeitpunkt der Entnahme.

Der TEILWERT ist vereinfacht gesprochen der Zeitwert, der fiktive Wert, wenn man den Gegenstand verkaufen würde. Auf die Besonderheiten des Teilwertsbegriffs gehe ich hier nicht weiter ein.

SCHEMA

Setzt man diesen verwirrenden Gesetzestext richtig um, ergibt sich folgendes Bild

1) Wenn der Gegenstand  privat vor mehr als 3 Jahren angeschafft worden ist, egal ob Grundstück, Aktie oder abschreibbares Gut:

Bewerte die Einlage immer mit dem Teilwert,
§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 erster  Halbsatz

2) Ist der Gegensatz innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft worden, gilt:

a) bei Immobilien, Aktien und sonstigen nicht abschreibbaren Gütern:

Bewerte mit Teilwert, maximal aber mit den Anschaffungskosten
§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 zweiter  Halbsatz


Das bedeutet:  Prüfe, was niedriger ist -  Teilwert oder damaliger Anschaffungswert - und nimm das Niedrigere. 

 b) bei abschreibbaren Sachen:

Bewerte mit Teilwert, maximal aber mit  fortgeführten Anschaffungskosten§ 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz i.V.m. Satz 2


Das bedeutet:  Prüfe, was niedriger ist -  Teilwert einerseits, oder damaliger Anschaffungswert abzüglich hypothetische Abschreibung andererseits,  Nimm das Niedrigere.

Der Satz 2 sorgt also dafür, dass man bei abschreibbaren Sachen nicht wirklich mit den Anschaffungskosten vergleicht, sondern mit den "fortgeführten Anschaffungskosten", also das, was bei hypothetischer Abschreibung übrigbleiben würde.



Beispiel für fortgeführte AK: Der Unternehmer hatte das Auto 24 Monate vor der Einlage privat für 50.000 Euro angeschafft, Abschreibungsquote soll 20% betragen (also betriebsübliche Nutzungsdauer 5 Jahre). Die AK von 50.000 würden sich durch 2 Jahre AfA auf einen Restwert von 30.000 gesenkt haben, das sind die "fortgeführten Anschaffungskosten".

Diesen Wert (und nicht die ursprünglichen AK) vergleicht man mit dem Teilwert, also dem Gebrauchtwert des Autos am Tag der Einlage. Wäre dieses Auto  wegen pfleglicher Behandlung auf dem Gebrauchtwagenmarkt 35.000 Euro wert (Teilwert 35.000) darf man nicht den Teilwert nehmen, sondern muss die 30.000 nehmen (weil niedriger). 

Variante: Wäre das Fahrzeug am Tag der Einlage wegen vieler Mängel am Auto nur 28.000 Euro am Markt wert (Teilwert 28.000), muss man diesen Teilwert nehmen, und nicht die fortgeführten AK.

Aber Achtung!

Der Satz 2 gilt  nur für Sachen, die binnen der letzten 3 Jahre angschafft wurde. Er modifiziert also den Satz 1, 2. Halbsatz, und dort sorgt er für einen Austausch von Anschaffungskosten in fortgeführte Anschaffungskosten.

Der Satz 2 läuft aber leer, wenn die Sache noch früher angeschafft wurde - dann gilt IMMER nur der Teilwert. Das ist dem Gesetzestext nicht so einfach anzusehen. Man muss es verstanden haben: Der Stz 2 gilt nicht für Sachen, die vor mehr als 3 Jahren privat angeschafft wurden!


Was ist der Sinn der 3-Jahresregelung

Die komische Regelung gibt Sinn, wenn man das Ganze handelsrechtlich betrachtet, auch wenn das Gesetz im Steuerrecht steht.

Handelsrechtlich sorgt man immer dafür, dass ein Bilanzierender seine Vermögenswerte nicht zu gut darstellt. Hat er ein Grundstück, das bei Einlage angeblich 300.000 Euro am Markt wert ist, ein paar Monate davor für 150.000 Euro (als angebliches Schnäppchen) gekauft, glaubt man ihm nicht die 300.000 Euro, sondern nimmt lieber mal die echten Anschaffungskosten, wenn die niedriger sind. Daher die zusätzliche Einschränkung:

 Teilwert aber MAXIMAL ANSCHAFFUNGSKOSTEN
Ärgerlich, wenn das wirklich ein Schnäppchen war, oder wenn das Ganze schon knapp 3 Jahre her ist.

Bei abnutzbaren Gegenständen wie Autos, Maschinen, BGA wäre dieser Vergleich noch nicht ganz sauber, man muss die ursprünglichen AK nochmal um die hypothetische AfA vermindern, bevor man mit dem Teilwert vergleicht. Daher der Satz 2, die Modfizierung zu "fortgeführten AK".

Kritik

Das Ganze gäbe Sinn, wenn diese Regelung wirklich im Handelsrecht, also im HGB stehen würde.

Die Regelung ist aber eine rein steuerrechtliche Regelung, gilt also nur für die Steuerbilanz (das HGB kennt nur die Bewertung mit dem Zeitwert (entspricht Teilwert), eine vergleichbare Regelung wie § 6(1) Nr. 5 S. 1 2. Halbsatz gibt es nicht.)

Ganz egal, ob die Regelung im Handelrecht gilt oder nicht - im Steuerrecht ist sie ungerecht, und dürfte dort nicht existieren. Sie führt zu einem fatalen Effekt: einer Versteuerung von Wertsteigerungen, die nichts mit dem Berieb zu tun hat.


Beispiel: Sie kaufen ein Grundstück für 200.000 Euro. Zweieinhalb Jahre später beschließen Sie, das Grundstück doch nicht privat zu bebauen, sondern betrieblich zu benutzen, und buchen eine entsprechende Einlage. Angenommen der Wert ist inzwischen auf 250.000 Euro gestiegen - eine Wertsteigerung im privaten Bereich, eigentlich nicht steuerpflichtig. Nun dürfen Sie aber nicht 250.000 Euro als Einlagewert buchen, sondern nur die geringeren AK, also die 200.000 Euro.


Würden Sie das Grundstück in den nächsten Wochen für den echten WErt (250.000 Euro) verkaufen, würden als buchhalterischer Effekt 50.000 Euro Gewinn entstehen. Das ist die Wertsteigerung von 200.000 auf 250.000 Euro (fachlich gesprochen: Aufdeckung einer stillen Reserve)
 
Sie müssen also  50.000 Euro Wertzuwachs versteuern, der in Wirklichkeit gar nicht während der betrieblichen Nutzung, sondern schon vorher im Privatbereich entstanden ist. Das ist schwer einzusehen.

Kaum jemand wird das Grundstück sofort verkaufen. Aber auch wenn Sie es erst in 15 Jahren verkaufen, eines ist klar: dort werden Sie die 50.000 Euro Wertsteigerung versteuern müssen, denn die steckt in der Differenz zwischen Einlagewert und Verkaufspreis.

Wenn Sie das Unternehmen irgendwann aufgeben und die Grundstücke wieder privat nutzen, haben Sie diesselbe Ars...karte, denn dann werden alle Gegenstände mit dem Zeitwert bemessen (also dem fiktiven Verkaufspreis) und Sie müssen die Wertsteigerung ebenfalls versteuern.



Freitag, 23. Januar 2015

Wochenreport 04/2015

Neueste Verbraucherwarnungen und Meldungen:

  • Alnatura ruft das Sesammus "Tahin" zurück. Details: hier 
  • TK Maxx ruft Kerzenhalter aus Glas mit Metallspirale für 3 Teelichter zurück. Details: hier
  • Wichtiger Hinweis zum Ladegerät "FliteZone F80" von Pichler: hier
  • Achtung, Diabetiker: Rückruf Autopen Classic, Autopen 24, Densupen und Autopen 3 ml für Teriparatid, Owen Mumford Ltd. Details: hier
  • Yamaha-Roller "Cygnus" muss wieder in die Werkstatt. Details: hier
Neueste Öko-News und Tests:
Links zu weiteren Artikeln:  hier (ein wenig herunterscrollen) 


Sonntag, 11. Januar 2015

Das Wally-und-Max-Phänomen

Heute las ich auf der facebook-Seite des Regensburger Kulturjournals folgende Anektode:

Ein älteres Paar beim Verlassen des Bücher Pustets in der Gesandtenstraße; er bleibt an einem Tisch stehen, hält das Kulturjournal in die Höhe und fragt: "Wally, haben wir das schon?" Und Sie: "Lass liegen, Max, da stehen immer  so viele Fremdwörter drin."

Der Herausgeber des Kulturjournals schreibt dann später: In der Begrüßung zu unserer April-Ausgabe sind wir ganz ohne Fremdwörter ausgekommen. Max und Wally können das KJ künftig also getrost mit nach Hause nehmen"



...



Damit habe ich mich endlich aufgerafft, ein Thema anzusprechen, das mir schon lange durch den Kopf geht.

Mein spontaner Beitrag auf der facebook-Seite des Kulturjournals lautete (Schreibfehler gleich berichtigt):

Das Wally-und-Max-Problem, also das Problem mit den Fremdwörtern - es ist ein unglaublich wichtiges Thema, nicht nur für den Kulturbereich, auch für die tägliche politische Aufklärung. Ich habe das erst nach 22 Jahren Tätigkeit in der Erwachsenenbildung, also vor etwa 3 Jahren, so richtig begriffen.

Es war ein richtiger Erkenntnisschock, und fiel in eine Zeit, in der Guttenberg, Fukushima und Arabischer Frühling die Bürger aufwühlte, und ich bemerkte, wie unsere vierte Gewalt, die Medien, einfach nicht mit der Informationsvermittlung umgehen konnte. Und wie der Durchschnittsbürger die Informationen verzerrt aufnimmt.

Bei kleinen versteckten Tests im täglichen Unterricht merkte ich dann etwas sehr Elementares, Fatales: Jedem(!) von uns fehlt das Wissen über einige Fremdwörter. Wir gleichen das unbewusst aus, indem wir über das Wort drüberhüpfen und versuchen, den Rest des Satzes oder Absatzes zu verstehen. Wenn Noah versuchte, so eloquent wie erfolglos, sein Volk vor der Flut zu warnen, dann ... Hah, das war eine Demonstration. Viele der Leser haben hier das Wort "eloquent" ausgefiltert.



Das kennt nicht jeder, auch die Akademiker nicht (glauben Sie mir! Echt wirklich! Und keiner muss sich deswegen schämen!). Und man kann den Satz auch ohne das ausgefilterte Wort lesen.

Das Ausfiltern geschieht unbewusst, nur wenige Ewigneugierige (wie ich, und das auch erst vor ein paar Jahren) schauen im Lexikon nach.
Denn: meist will man den Text weiterlesen und an die Infos rankommen.

Weiter: Der Durchschnittsbürger, also: mein Freundeskreis, egal ob akademisch oder nicht, und die tausende von erwachsenen Schülern, Studenten und Kursteilnehmer, die ich in den 25 Jahren hatte, und meine Verwandten: man kann sich wunderbar mit ihnen unterhalten, sie sind aufgeschlossen, vernünftig, mindestens durchschnittlich gebildet. Aber sie ALLE haben mehr oder weniger Lücken bei den Fremdwörtern.

Und die für mich hammermäßige Entdeckung war, wie enorm groß die Lücken bei all den genannten Leuten sind.

Aber das läuft immer noch unbewusst. Die Lücken werden automatisch ersetzt, wie im Lückentext, was wir ja alle machen. Und je mehr Fremdwörter ein Text hat, desto schwieriger wird es, das Lesen durchzuhalten.

Die ZEIT zu lesen, das ist auch für "Gebildete" schon anstrengend, denn irgendwelche Fremdwörter sind immer da, die man gar nicht kennt oder deren Bedeutung nur ganz VAGE bekannt ist.

Und darum wird die Verdummung immer schlimmer. Denn viele können einfach die Lektüre von SZ und FAZ nicht durchhalten, viele noch nicht einmal die Artikel der MZ (Anmerkung:  Mittelbayerische Zeitung, die örtliche Tageszeitung in Regensburg), also informiert man sich über TWITTER und BILD, das geht schneller.

Wobei dieses eiskalt lügende Dr-Blatt mit den vier Buchstaben auch noch so geschickt ist, dass es fehlerfreies, grammatikalisch korrektes Deutsch verwendet, während die Korrektur einer normalen Zeitung durch einen Deutschlehrer eine Rot-Wüste ergibt. Eine "Komposition in Rot", fast schon abstrakte Kunst.


Natürlich KÖNNEN die Leute die SZ oder den Spiegel lesen, blöd sind sie nicht, aber es ist anstrengend, zu anstrengend für den Feierabend.

 UND KEINEM IST BEWUSST, DASS DAS DURCH DIE MENGE DER UNBEKANNTEN AUSDRÜCKE BEDINGT IST, DIE MAN UNBEWUSST ÜBERSPRINGT.

Haben Sie's gemerkt? Unbekannte Ausdrücke, sagte ich, nicht nur Fremdworte.

Denn viele kennen auch die Formulierung "Du dauerst mich" nicht. Für die, die es kennen ist es wieder so selbstverständlich, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, das könnte ein Problem sein.

Dass viele Leute unter "juristischen Personen" so was wie Richter und Anwälte verstanden, statt GmbHs und AGs, habe ich erst durch Zufall in oben genanntem Zeitraum entdeckt. Es hat die 20 Jahre davor ja auch nie jemand protestiert oder nachgefragt. Wer mit falschem Vorwissen zuhörte, merkte dann schon nach einigen Sätzen, dass es bei den juristischen Personen offenbar um was anderes geht. Und jetzt meldet man sich erst recht nicht, man könnte sich ja blamieren. Darum fehlt uns Dozenten dieses wichtige Feedback.

Ich könnte das uferlos weterführen.

Als beim Guttenberg-Skandal die ersten facebook-Gruppen entstanden, wo man den armen Gutti zum am liebsten zum "König" machen wollte, dachte ich verwundert - was ist jetzt los, bin ich im falschen Film?

Und Rechercheren ergaben: Nur Zeitungen wie SZ; Spiegel und FAZ machten genauere Hintergrundberichte, erklärten, wie das mit den "Fußnoten" und "Zitaten" und den Erfordernissen einer "Doktorarbeit" geht. Auch die Akademiker in meinem Kollegenkreis wussten oft nicht, welche Regeln so eine Doktorarbeit hat. Sie schleppten diesselben Fehlvorstellungen herum, wie Nichtakademiker.

Und Tageszeitungen haben nur die Agenturmeldungen weitergegeben, die Schlagzeilen, in der Meinung, das versteht jeder, und völlig verkennend: man muss den Leuten erst mal erklären, wie das zu verstehen ist.

Und so liest man die besseren Zeitungen mit den besseren Informationen nicht, obwohl es gesellschaftspolitisch dringend notwendig wäre. Nur in Sonderartikeln der SZ und FAZ wurde berichtet, was die Insider im Hintergrund über den Gutti erzählten, u.a., was für ein Blender das ist, der im Ministerium überhaupt nichts auf die Reihe brachte, sich aber geschickt in Szene setzte.

Aber die SZ oder FAZ zu lesen ist zu schwer. Und das ist kein Vorwurf - ich würde es als Redaktionsleiter nicht ändern, ein Thema für sich.

Oh, es gäbe noch viel zu sagen.
Ich selbst habe vor fast 40 Jahren eine Spanierin geheiratet, die anfangs nur deutsch radebrechte. Da habe ich die Technik entwickelt, beim Vorlesen von Texten automatisch die schwierigen Wörter auszulassen oder durch andere zu ersetzen. Den Bogen hatte ich schnell raus. Das geht so automatisch, wie ein Dolmetscher übersetzt oder ein Musiker Noten auf die Tasten bringt. Vielleicht war ich dadurch später immer recht beliebt für meine Art zu erklären, sowohl im Juristischen als auch als Dozent.
Aber trotz diesem Faible für das Didaktische habe ich, wie gesagt, erst vor ein paar Jahren so richtig entdeckt, wie wenig die Leute wissen - über Bedeutung von Wörtern (Fremdwörter etc) und über Hintergrundwissen politischer und wirtschaftlicher Art.

Man könnte sagen: 

Dozenten und Publikum reden ständig aneinander vorbei.
Autoren und Publikum auch.

Aber überall gehen Zeitungsschreiber davon aus, dass das Hintergrundwissen da ist, dass die Leute wissen, was "Gewaltenteilung" oder "Föderalismus" ist. Lesen Sie mal die Zeitungsmeldungen unter diesem Gesichtspunkt.
Wenn die Zeitungen beispielsweise  schreiben, dass der Politiker XY zu irgendeiner Gesetzesinitiative im Bildungsbereich den Verstoß gegen das föderalisistsche Prinzip rügt, dann erkennt man bei genauer Lektüre ganz  deutlich: das Hintergrundwissen über den Föderalismus setzt der Autor voraus; er diskutiert also auf dieser Wissensbasis, ob nun die Bildungsreform das föderalistische Prinzip verstößt oder nicht.

Na? Kommen alle noch mit? Einige nicht mehr, denn auch im akademischen Kreis um mich herum fehlt hier viel Wissen (eine Erklärung über den Föderalismus finden Sie am Ende des Artikels)


Und das SAGE ICH NICHT KRITISCH; das sage ich NICHT VON OBEN HERAB.

Wir Autoren müssen das aber kapieren. Ich habe mal für den Herrn Ebner, Ex-Manger und Gründer von Alt hilft Jung Bayern e.V., den Seminarbereich aufgebaut, und in einem der ersten Gespräche mit mir und noch einer Dozentenkollegin meinte er wiederholt: bitte MÖGLICHST WENIG FREMDWÖRTER, er hasse diese hochgestochenen Dozentenvorträge.

Da trat er bei uns offene Türen ein, wir waren auf derselben Welle. Und er war uns sympathisch.

Aber damals  ging es um technisches Wissen und um technische Fremdwörter. Da schien das nachvollziehbar. Wie viel weiter aber das alltägliche "Unverständnis" geht, ist mir erst in jüngster Zeit klar geworden.

 Und, damit das nicht verlorengeht: es ist ein unbewusstes Unverständnis. Keines wo man sagt - ah, das verstehe ich nicht, da muss ich nachgucken. Sondern eines, wo man gar nicht merkt, dass man die Nachricht falsch versteht.

Lieber Betreiber des Kulturjournals - dass Du am Ende des Artikels gezeigt hast, dass Du darauf Rücksicht nehmen willst, fand ich sympathisch. Bis dahin hätte es ja auch sein können, dass die Anektode über Wally und Max spöttisch, von oben herab gemeint ist, was es aber eben nicht war.

Gut. Andererseits: Nein, du musst nicht auf Fremdwörter verzichten, genausowenig wie ich mir in DIESEM Beitrag die Mühe machte, einfach zu formulieren. Denn unser angesprochenes Publikum hat einen größeren Wortschatz, verkraftet das schon (Nachtrag: es würde auch nicht helfen, die Begrüßung fremdwortfrei zu formulieren, wenn  dann zu Hause der Leser das Blatt doch wieder weglegt, weil die einzelnen Artikel im üblichen Stil geschrieben sind)

Und speziell das von MIR hier angesprochene Publikum sind: Autoren, Blogger, Journalisten, Dozenten, Lehrer. Denkt dran: die Leute wissen viel weniger, als ihr denkt.

Ich wollte hierüber schon lange eine Artikelserie schreiben. Vorzugsweise auf strunzdummium.de, denn dieses Projekt habe ich damals als Reaktion auf den Erkenntnisschock  aufgebaut. Ich  wollte dort Autoren gewinnen, die zusammen mit mir aufklären. Aufklärung 2.0 sozusagen. Mit einfachen Worten die Tages-Nachrichten erklären, und mit einfachen Worten die Grundlagen unserer Wirtschaft und unseres Staates, so wie es auf arte oft vorbildlich(st) gemacht wird. Peter Moosleitner für Alltagswissen, sozusagen.

Ich habe versagt - ständig kamen mir gesundheitliche oder andere Sachen dazwischen, viele hundert Artikel sind als Notizen im Entwurfsstadium. Jetzt habe ich wenigstens, spontan, an dieser Stelle ein kleines Manifest abgegeben, das ist schon mal gut.

Es gäbe noch viel zu sagen dazu, so unvollständig wie hier, könnte der Aufsatz noch viel Missverständnissen Raum geben. Egal. Denkt darüber nach. Diskutiert.

 Diskutiert auch mit anderen Autoren, ob es theoretisch denkbar wäre, eine alternative Vier-Buchstaben-Zeitung zu machen, die mit Riesen-Schlagzeilen und Minimal-Wortschaft wie die BILD arbeitet, aber GUTE Berichterstattung macht. Ginge das? Ist das theoretisch möglich?

Ein Gedanke, den ich schon sehr sehr lange wälze. Ich weiß  nicht, ob es ginge. Ich hatte bisher noch nicht die Zeit für tiefere Recherchen. Entweder ein Herzinfarkt kam dazwischen, oder gesundheitliche Probleme meiner Eltern, oder was weiß ich. Aber andere können den Gedanken aufgreifen und fortspinnen.


Annex:.
Föderalismusprinzip ist das Bund-Länder-System nach Ansicht des Grundgesetzes, wonach die Länder eigenständige Staaten sind, die über eigene Parlamente und eigene Gesetze über sich selbst bestimmen können,  und nur auf ein paar Themenbereichen ihre Gesetzgebungskompetenz (ihre "Hoheit" oder "Autarkie") an ein anderes Gebilde, den BUND übertragen haben. Die Liste der abgetretenen Kompetenzen ist klar definiert, im GG. Das Schulwesen z.B. ist nicht in der Liste, und gehört somit zu allen anderen millionen von Themen, die NUR DAS LAND regeln darf. Der Bund darf das nicht, genausowenig wie Frankreich irgendein Gesetz erlassen darf, das in diese Landes-Hoheit ein. 
Und wer jetzt sagt: "aber Bundesrecht bricht doch Landesrecht" , was tatsächlich in Art 31 GG steht, hat kein bisschen von diesem System wirklich verstanden. Denn DIESER Satz gilt nur für eine kleine Liste weiterer Sachgebiete, die Liste der "konkurrierenden Gesetzgebung", Art 74 GG.

Nicht enttäuscht sein. Ich habe fast niemand im Bekanntenkreis entdeckt, der das auf Nachfragen wusste. Weil uns im Unterricht von überforderten Schullehrern das Schulbuchwissen weiter gegeben wurde, mehr nicht. Obwohl es so unglaublich elementar ist. Und weil nichtmal Wikipedia den Satz "Bundesrecht bricht Landesrecht" verständlich machen kann
Dass ich das so knapp erklären kann, liegt nur daran, dass ich in den letzten Jahren das so oft erklärt habe. Und weil ich die letzten zwei Jahre Recht in einer Fachoberschule unterrichtete, wo das zum Lernstoff gehörte. Witzig: einmal sagte die Klasse: sehr gut, das Thema hatten wir gerade erst  in Sozialkunde, das ist eine Vertiefung. Tja. Die Schüler waren dann sehr überrascht. Ich nicht.

Übrigens: nicht, dass das viele von den Heranwachsenden oder Jung-Erwachsenen sich für das Verfassungsrecht interessiert hätte, oder für Arbeitsrecht oder Mietrecht oder Vertragsrecht. Lediglich das Recht beim Herunterladen von Software und Musik. In diesem Alter ist einfach kein Interesse am Lernstoff vorhanden.
Womit das nächste Problem daherkommt: Lernen fängt erst im Erwachsenenalter an. 

Aber das ist eine andere Geschichte. (Zitat nach Moustache, eigentlich Bob le Hotu, Barkeeper, in dem Billy Wilder-Film Irma la Douce).