Freitag, 27. März 2015

v-mag Wochenreport 13-2015 27.März

Neueste Verbraucherwarnungen und Meldungen:

  • Aldi-Süd: Rückruf JENTO Wasserkocher. Details: hier
  • Rückruf: "Chaource" Rohmilchkäse. Details: hier
  • Freiwilliger Sicherheitsrückruf: E-Bike-Akkus des Herstellers REVA. Details: hier
  • Rückruf: getrockneter Seetang der Marke "Golden Lion". Details: hier

Neueste Öko-News und Tests:

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Mittwoch, 25. März 2015

Mietrecht - Rechtsprechungsänderung zu Schönheitsreparaturen:

Achtung, höchstrichterliche Änderung der Rechtsprechung zu Formularklauseln bei Schönheitsreparaturen:  


"Formularklauseln" heißt, hier geht es um vorformulierte Vertragsbedingungen, nicht um individuell ausgehandelte Verträge. Ob es ein echtesFormular ist oder eine Musterdatei, die der Vermieter in seinem PC abspeichert und jedem Mieter vorlegt, ist gleichgültig. In beiden Fällen liegt eine "Allgemeine Geschäftsbedingung" im Sinne der AGB-Schutzvorschriften (§§ 305ff BGB) vor.

Hier hat der BGH zwei Änderungen vorgenommen:


1. formularmäßige Quotenabgeltungsklauseln unwirksam 

2. formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergebener Wohnung unwirksam


Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich am 18. März in drei Entscheidungen mit der Wirksamkeit formularmäßiger Renovierungs- und Abgeltungsklauseln beschäftigt. 

Durch Renovierungsklauseln (auch Vornahme- oder Abwälzungsklauseln genannt) wird die (als Teil der Instandhaltungspflicht nach § 535 BGB grundsätzlich dem Vermieter obliegende) Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt. (Quoten-)Abgeltungsklauseln erlegen dem Mieter die Pflicht zur anteiligen Tragung von Kosten der Schönheitsreparaturen für den Fall auf, dass die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses Abnutzungs- oder Gebrauchsspuren aufweist, die Schönheitsreparaturen aber nach dem in der Renovierungsklausel festgelegten Fristenplan noch nicht fällig sind. 

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr – wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22. Januar 2014 (VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135) erwogen - seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, dass die Schönheitsreparaturen auch bei einer zu Mietbeginn dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter übertragen werden können (dazu grundlegend BGH, Rechtsentscheid vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.).
Auch an seiner weiteren (früheren) Rechtsprechung zur Wirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklauseln (dazu grundlegend BGH, Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 84 ff.; Urteil vom 26. September 2007 – VIII ZR 143/06, NJW 2007, 3632 Rn. 20) hält der Senat nach den heutigen Entscheidungen nicht mehr fest.

Weiterhin maßgeblich ist allerdings der Ausgangspunkt auch der früheren Rechtsprechung des Senats, dass der Mieter nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden darf. Er darf zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung - jedenfalls nicht ohne Gewährung eines angemessenen Ausgleichs durch den Vermieter - formularmäßig nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung belastet werden, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden sind.

Bei Erlass der oben genannten Rechtsentscheide aus den Jahren 1987 und 1988 entsprach es noch der Praxis des Bundesgerichtshofs, den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einer Weise einzuschränken, die nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende Reduktion einer Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt eingestuft würde (vgl. Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 - VIII ARZ 1/88, aaO S. 87 f.). Dem damaligen Verständnis lag die Vorstellung zugrunde, dass der Mieter nur mit Renovierungsarbeiten für seine eigene Vertragslaufzeit belastet würde, wenn die "üblichen" Renovierungsfristen im Falle der Überlassung einer unrenovierten Wohnung an den Mietbeginn anknüpften.

Hieran hält der Senat angesichts der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Maßstäben der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht fest. Insbesondere durch die ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586 unter II 2) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 285/12, NJW 2013, 2505 Rn. 20 mwN) sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich verschärft worden.

Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

In dem Verfahren VIII ZR 185/14, in dem die Vorinstanzen der auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gerichteten Klage überwiegend stattgegeben hatten, hat der Bundesgerichtshof unter Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts abschließend entschieden, dass die Klage wegen unterlassener Schönheitsreparaturen (insgesamt) abgewiesen wird. Die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf die beklagten Mieter ist unwirksam, denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren bei Mietbeginn in drei Zimmern Streicharbeiten erforderlich, so dass die Mieter bei Nutzungsbeginn eine unrenovierte Wohnung übernommen hatten. Der ihnen zu Mietbeginn gewährte Nachlass von lediglich einer halben Monatsmiete stellt in diesem Fall keinen angemessenen Ausgleich dar.

Im Verfahren VIII ZR 242/13, in dem das Berufungsgericht dem Vermieter den begehrten Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen zugesprochen hatte, hat der Bundesgerichtshof die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die – vom Mieter zu beweisende Frage - geklärt werden kann, ob die Wohnung zu Vertragsbeginn unrenoviert übergeben worden und die Abwälzung der Schönheitsreparaturen deshalb unwirksam ist. Dabei kommt es (wie in dem Verfahren VIII ZR 185/14 näher ausgeführt wird) für die Abgrenzung renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln; dies hat der Tatrichter unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

In dem Verfahren VIII ZR 242/13 hat der Senat zusätzlich entschieden, dass ein – von der klagenden Vermieterin hilfsweise geltend gemachter - Anspruch auf anteilige Kostentragung nach einer Quotenabgeltungsklausel nicht besteht.

Auch bei der Quotenabgeltungsklausel hatte der Senat ursprünglich eine Bemessung des vom Mieter zu tragenden Anteils nach "starren" Fristen für zulässig erachtet (Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 aaO) und dies später (Urteil vom 26. September 2007, aaO Rn.17 f., 29) dahin modifiziert, dass derartige Klauseln (nur dann) der Inhaltskontrolle standhielten, wenn sie den vom Mieter zu zahlenden Anteil nach dem Verhältnis zwischen der Mietdauer seit Durchführung der letzten Schönheitsreparaturen und dem Zeitraum bemessen würden, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde.
Im Hinweisbeschluss vom 22. Januar 2014 (VIII ZR 352/12, aaO) hatte der Senat bereits Bedenken angedeutet, ob eine Berechnung des vom Mieter zu tragenden Anteils an den Renovierungskosten anhand einer hypothetischen Fortsetzung seines bisherigen Wohnverhaltens der Inhaltskontrolle standhält. Diese Bedenken hat der Senat nunmehr für durchgreifend erachtet und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine - zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB führende - unangemessene Benachteiligung des Mieters darin liegt, dass der auf ihn entfallende Kostenanteil nicht verlässlich ermittelt werden kann und für ihn bei Abschluss des Mietvertrags nicht klar und verständlich ist, welche Belastung gegebenenfalls auf ihn zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wohnung dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder unrenoviert überlassen wurde.

In dem Verfahren VIII ZR 21/13 hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, das eine Schadensersatzpflicht des Mieters wegen unterlassener Schönheitsreparaturen schon deshalb verneint hatte, weil die verwendete Formularklausel zum Teil auf "starre" Fristen abstellt und deshalb insgesamt unwirksam ist. Auf die Frage, ob die Wohnung bei Vertragsbeginn renoviert übergeben worden war, kam es aus diesem Grund in diesem Verfahren nicht mehr an.

Urteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14; VIII ZR 242/13; VIII ZR 21/13 

Freitag, 20. März 2015

v-mag Wochenreport 12-2015 vom 20. März

Neueste Verbraucherwarnungen und Meldungen:

  • Rückruf (Bayern): "Wilhelm Brandenburg Käsekrainer" von Martin Drexler GmbH. Details: hier
  • Rückruf:"ja!" Sauerkirschen, entsteint,von der Fa. Gloster. Details: hier
  • POLO ruft zwei "Nexus" Helme zurück. Details (PDF, 336 KB): Klick
  • Rückruf: Veganwurst von TOPAS GmbH. Details: hier
  • Rückruf: Puterzwiebelmettwurst von Grevenkoper Pute GmbH. Details: hier
  • Rückruf: Käse "Coeur Neufchatel Fermier au lait cru" von Lycee Agricole. Details: hier
  • Rückruf: Heißluft-/Lötstation "GOLIATH" von Avaloid. Details: hier

Neueste Öko-News und Tests:

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Mittwoch, 11. März 2015

Staatliche Rentenabzocke?

Es scheint "echt krass" zu sein, wenn man sich mal genauer damit auseinandersetzt, wie der Staat die Rentner zunehmend durch steigende Besteuerung der Renten abzockt. Und gleichzeitig sollen die Leute selbst fürs Alter vorsorgen. Subventionen durch die Hintertür für die Versicherungsunternehmen?

Manu, Redakteurin vom V-MAG Verbrauchermagazin, hat mich auf einen aktuellen Artikel hingewiesen, den sie im v-mag eingestellt hat: http://www.verbraucher-magazin.net/2015/03/immer-mehr-renten-besteuert.html

Ich unterrichte im Fach Steuern nun schon seit Jahren sowohl die Rentenbesteuerung als auch den Sonderausgabenabzug für aktuelle Rentenbeiträge. Da sind soviele Ungereimtheiten drin, dass auch die Auszubildenden den Kopf schütteln.


Die 2005 eingeleitete neue Rentenbesteuerung erfährt viel Kritik in den Medien. Einiges ist überzogen oder subjektiv. Grundsätzlich ist das ganze System schon sehr irrwitzig. Wenn man als Steuerfachmann weiß, wie an anderen Stellen den Reichen Steuergeschenke gemacht werden (trotz anhaltender Kritik einzelner)  und man im Alltag zu sehen müssen, wie Rentner ihren Alltag finanziell bewältigen müssen, bekommt Wut im Bauch. Sehr sehr viel Wut.

Ich möchte außerdem noch auf meine früheren Artikel hinweisen:



Das Thema Rente oder Sonderausgabenabzug für Altervorsorge ist so verzwickt, dass ich es hier auf die Schnelle nicht darstellen kann. Man müsste erst Basiswissen-Auflkärung machen. Dazu sind ein paar Artikel über die Altersvorsorge und die Steuererklärung in Planung.

EuGH - Kein ermäßigter Steuersatz für eBooks

Schade. Während Bücher verbilligt mit 7 % verkauft werden können, geht das bei ebooks nicht. Selbst wenn Deutschland dies einführen wollte - der EUGH wäre dagegen. Aus Gründen der Einheitlichkeit und des Wettbewerbs. Frankreich und Luxenburg haben es probiert und bekamen vom Europäischen Gerichtshof eine auf den Deckel.


EuGH 5.3.2015, C-479/13 und andere (verbundene Verfahren)
Kein ermäßigter Steuersatz für eBooks

Frankreich und Luxemburg dürfen auf die Lieferung elektronischer Bücher, anders als bei Büchern aus Papier, keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden. Die Lieferung elektronischer Bücher stellt eine "elektronisch erbrachte Dienstleistung" dar, für die die Mehrwertsteuerrichtlinie die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ausschließt.
 
 
Frankreich und Luxemburg dürfen auf die Lieferung von eBooks, anders als bei Büchern aus Papier, keinen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz dürfe nämlich nur auf die in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewandt werden, meint der EuGH.  Dieser Anhang (also diese Liste) nennt u.a. die "Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern", also Bücher. Den Einwand, dass man einen Reader als physischen Träger benötigt, lässt das Gericht nicht gelten. Die Lieferung des ebooks beinhaltet nur die Daten alleine, nicht den physischen Träger. 

Die Mehrwertsteuerrichtlinie schließe zudem die Möglichkeit aus, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf "elektronisch erbrachte Dienstleistungen" anzuwenden. Die Lieferung elektronischer Bücher stellt eine solche Dienstleistung dar.  Weitere Argumente und Details finden Sie in den nachfolgenden Entscheidungstexten.
 


Die Links zu den  beiden Entscheidungen:
 
 

Und hier die Entscheidungen in vollem Wortlaut, 
 
zuerst die Entscheidung C 479

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
5. März 2015(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes – Lieferung von digitalen und elektronischen Büchern“
In der Rechtssache C‑479/13
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 6. September 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch C. Soulay und F. Dintilhac als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch D. Colas und J.‑S. Pilczer als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch:
Königreich Belgien, vertreten durch M. Jacobs und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter J. Malenovský, M. Safjan und der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 (ABl. L 326, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit deren Anhängen II und III und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. L 77, S. 1) verstoßen hat, dass sie einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Lieferung von digitalen (oder elektronischen) Büchern angewandt hat.
 Rechtlicher Rahmen
 Unionsrecht
2        Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
3        Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“
4        Art. 96 dieser Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“
5        Art. 98 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1)      Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.
(2)      Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.
Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen.“
6        In Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie, der ein „Exemplarisches Verzeichnis elektronisch erbrachter Dienstleistungen im Sinne des Artikels 58 und des Artikels 59 Absatz 1 Buchstabe k“ enthält, die der Bestimmung des Ortes der Dienstleistung dienen, die gegenüber nicht steuerpflichtigen Personen erbracht wurden, wird in Nr. 3 aufgeführt:
„Bereitstellung von Bildern, Texten und Informationen sowie Bereitstellung von Datenbanken“.
7        In der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2006/112 wird in Anhang III, der das Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen enthält, auf die ermäßigte Steuersätze gemäß Art. 98 angewandt werden können, in Nr. 6 aufgeführt:
„Lieferung von Büchern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder ‑manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“.
8        In der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 (ABl. L 116, S. 18), durch die die Richtlinie 2006/112 geändert wurde, heißt es im vierten Erwägungsgrund:
„Die Richtlinie 2006/112/EC sollte ferner geändert werden, um die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze oder aber Steuerbefreiungen in einer begrenzten Zahl bestimmter Fälle aus sozial- oder gesundheitspolitischen Gründen zu ermöglichen und um die Bezugnahme auf Bücher in Anhang III klarer zu fassen und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.“
9        Seit dem 1. Juni 2009, dem Datum des Inkrafttretens der Richtlinie 2009/47, lautet Anhang III Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie wie folgt:
„Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder Manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“.
10      Die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sieht in Art. 7 Abs. 1 und 2 vor:
„(1)      ‚Elektronisch erbrachte Dienstleistungen‘ im Sinne der [Mehrwertsteuerrichtlinie] umfassen Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.
(2)      Unter Absatz 1 fällt insbesondere Folgendes:
f)      die in Anhang I genannten Dienstleistungen.“
11      Anhang I der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 mit der Überschrift „Artikel 7 der vorliegenden Verordnung“ bestimmt in Nr. 3:
„Anhang II Nummer 3 der [Mehrwertsteuerrichtlinie] …:
c)      digitalisierter Inhalt von E-Books und anderen elektronischen Publikationen;
…“
 Französisches Recht
12      Art. 278-0 bis des Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch, im Folgenden: CGI) in der Fassung, die bei Ablauf der Frist galt, die in der am 25. Oktober 2012 an die Französische Republik gerichteten mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, sieht vor:
„Die Mehrwertsteuer wird zu einem ermäßigten Satz von 5,5 % erhoben auf:
A. Umsätze aus dem Ankauf, der Einfuhr, dem innergemeinschaftlichen Erwerb, dem Verkauf, der Lieferung, der Beauftragung, der Vermittlung oder anderer Art mit:
3.      Büchern, einschließlich deren Miete. Die vorliegende Nr. 3 gilt für Bücher auf jeglichen physischen Datenträgern, einschließlich der durch elektronisches Herunterladen zur Verfügung gestellten Bücher.
…“
 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof
13      Die Kommission war der Auffassung, dass die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Umsätze mit Büchern, die seit dem 1. Januar 2012 für elektronisches Herunterladen zur Verfügung gestellt wurden, der Mehrwertsteuerrichtlinie widerspreche. Sie übermittelte daher der Französischen Republik am 4. Juli 2012 ein Aufforderungsschreiben. Dieser Mitgliedstaat antwortete darauf mit Schreiben vom 3. August 2012.
14      Am 25. Oktober 2012 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie die Französische Republik aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen eines Monats nach ihrem Empfang nachzukommen. Dieser Mitgliedstaat antwortete darauf mit Schreiben vom 23. November 2012.
15      Da die Erklärungen der Französischen Republik die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
16      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. Februar 2014 ist das Königreich Belgien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Französischen Republik zugelassen worden.
 Zur Klage
 Vorbemerkungen
17      Die Kommission weist darauf hin, dass unter der Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern die entgeltliche Lieferung von Büchern in elektronischem Format zu verstehen sei, die mit einem Computer, einem Smartphone, einem E-Book-Lesegerät oder einem anderen Lesegerät über Herunterladen oder Streaming von einer Website abgerufen werden können (im Folgenden: Lieferung von elektronischen Büchern).
18      Die Französische Republik macht geltend, dass die Definition von digitalen oder elektronischen Büchern, auf die in Anwendung von Art. 278-0 bis CGI ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz anzuwenden sei, enger sei als die von der Kommission gewählte Definition. Nach Ansicht dieses Mitgliedstaats ist der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gemäß dieser Vorschrift nur auf sogenannte „homothetische“ Bücher anzuwenden, nämlich auf Bücher, die gedruckten oder auf einem anderen physischen Träger zur Verfügung gestellten Büchern entsprächen und die sich von diesen nur durch einige Merkmale ihres Formats unterschieden.
19      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass allein der Umstand, dass Art. 278-0 bis CGI im Hinblick auf digitale oder elektronische Bücher nur für homothetische Bücher gilt, nicht den Schluss zulässt, dass sich die Kommission mit ihrer Klage notwendigerweise auf eine umfassendere Kategorie von digitalen oder elektronischen Büchern bezieht als jene, für die der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gemäß dieser Vorschrift gilt. Die von der Kommission in ihrer Klage genannten digitalen oder elektronischen Bücher definieren sich nämlich über die Art ihrer Lieferung. Die Französische Republik bestreitet jedoch nicht, dass im Hinblick auf dieses Kriterium die homothetischen Bücher den Büchern entsprechen, die die Kommission in ihrer Klage nennt.
20      Selbst wenn Art. 278-0 bis CGI den Begriff „Herunterladen“ verwendet, behauptet dieser Mitgliedstaat im Übrigen nicht, dass die Lieferung von Büchern im Wege des Streamings vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgenommen sei.
21      Unter diesen Umständen ist die Prüfung der Klage nicht auf eine engere Kategorie von digitalen oder elektronischen Büchern als die von der Kommission in ihrer Klageschrift genannte zu beschränken.
 Zur Begründetheit
22      Die Kommission trägt vor, dass die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung von elektronischen Büchern durch die Französische Republik mit den Art. 96 und 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit deren Anhängen II und III und der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 unvereinbar sei.
23      Dieses Organ weist darauf hin, dass gemäß Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die ermäßigten Mehrwertsteuersätze nur auf die in Anhang III dieser Richtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen angewendet werden könnten. Die Lieferung von elektronischen Büchern falle daher nicht in den Anwendungsbereich dieses Anhangs, und auf sie sei daher der vorteilhafte ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht anwendbar. Diese Auslegung werde durch Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt, der die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen ausschließe.
24      Die Französische Republik, unterstützt durch das Königreich Belgien, wendet sich gegen die von der Kommission vertretene Auslegung der betreffenden Vorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie. Nach Ansicht dieser Mitgliedstaaten unterfällt die Lieferung von elektronischen Büchern Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie und kann daher Gegenstand eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes sein.
25      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen der gleiche Mehrwertsteuersatz, nämlich der Normalsatz, anzuwenden ist. Abweichend von diesem Grundsatz räumt Art. 98 Abs. 1 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Nach Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 sind die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Kategorien anwendbar (Urteil K, C‑219/13, EU:C:2014:2207, Rn. 21 und 22).
26      Zum Vorbringen der Französischen Republik und des Königreichs Belgien, dass die Lieferung von elektronischen Büchern unter Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie falle, ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Unionsrechts sowohl ihr Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (vgl. u. a. Urteil NCC Construction Danmark, C‑174/08, EU:C:2009:669, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27      Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Anhang III in Nr. 6 in der Kategorie der Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, ausdrücklich die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ nennt. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Nummer, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf den Vorgang der Lieferung eines Buchs, das sich auf einem physischen Träger befindet, anzuwenden ist. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, würde eine andere Auslegung den Begriffen „auf jeglichen physischen Trägern“ dieser Nummer ihren Sinn nehmen.
28      Auch wenn ein elektronisches Buch einen physischen Träger wie z. B. einen Computer erfordert, um gelesen werden zu können, ist ein solcher Träger jedoch von der Lieferung elektronischer Bücher nicht erfasst.
29      In Anbetracht des Wortlauts von Nr. 6 erstreckt sich folglich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auf die Lieferung von elektronischen Büchern.
30      Diese Auslegung wird durch den Kontext der Bestimmung bestätigt. Diese stellt nämlich eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Mitgliedstaaten einen Normalsatz der Mehrwertsteuer auf Vorgänge, die dieser Steuer unterliegen, anwenden, und sie ist daher eng auszulegen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Spanien, C‑360/11, EU:C:2013:17, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
31      Es ist zwar richtig, dass der Unionsgesetzgeber, wie die Französische Republik und das Königreich Belgien zu Recht vortragen, mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs von Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie durch die mit der Richtlinie 2009/47 eingeführte Änderung auf die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ das Ziel verfolgte – wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/47 ergibt –, die Bezugnahme auf den Begriff „Bücher“ in dieser Nummer klarer zu fassen und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.
32      Wie die Französische Republik zu Recht geltend macht, hat der Unionsgesetzgeber mit der Einführung des Anhangs III der Richtlinie 2006/112 außerdem das Ziel verfolgt, dass auf die grundlegenden Güter sowie auf Gegenstände und Dienstleistungen, die sozialen oder kulturellen Zielen dienen, soweit von ihnen keine oder nur eine geringe Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung ausgeht, ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Niederlande, C‑41/09, EU:C:2011:108, Rn. 52).
33      Dennoch ändert dies nichts daran, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, ebenfalls entschieden hat, die Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“ auszuschließen.
34      Die Lieferung von elektronischen Büchern stellt aber eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 dar.
35      Zum einen gilt nämlich nach Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie als „Dienstleistung“ jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist, wobei eine „Lieferung von Gegenständen“ nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie die Übertragung der Befähigung voraussetzt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Lieferung von elektronischen Büchern kann aber entgegen der Auffassung der Französischen Republik nicht als eine „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne dieser zuletzt genannten Bestimmung angesehen werden, da ein elektronisches Buch nicht als ein körperlicher Gegenstand angesehen werden kann. Wie sich aus Rn. 28 des vorliegenden Urteils ergibt, ist der physische Träger, der das Lesen dieses Buchs ermöglicht und als „körperlicher Gegenstand“ betrachtet werden könnte, in der Lieferung nicht enthalten. Folglich ist nach Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Lieferung von elektronischen Büchern als eine Dienstleistung anzusehen.
36      Zum anderen umfassen gemäß Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie „Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre“. Es ist festzustellen, dass die Lieferung von elektronischen Büchern unter diese Definition fällt.
37      Diese Auslegung wird durch Nr. 3 des Anhangs II der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung und Nr. 3 ihres Anhangs I bestätigt, aus denen sich ergibt, dass die Lieferung des digitalisierten Inhalts von Büchern eine solche Dienstleistung darstellt.
38      Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie ein exemplarisches Verzeichnis elektronisch erbrachter Dienstleistungen im Sinne des Art. 58 und des Art. 59 Abs. 1 Buchst. k der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält. Die Tatsache nämlich, dass dieser Anhang nur die elektronisch erbrachten Dienstleistungen aufzählt, die für die Anwendung dieser beiden Vorschriften relevant sind, hat keinen Einfluss auf die Natur dieser Dienstleistungen.
39      Im Übrigen dient, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 ergibt, im Kontext dieser Bestimmung der Verweis auf die in Nr. 3 des Anhangs II der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgezählten Dienstleistungen der näheren Bezeichnung der elektronisch erbrachten Dienstleistungen, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie im Allgemeinen und nicht ausschließlich in bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie eine Regelung finden.
40      Folglich kann, da die Lieferung von elektronischen Büchern eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt und diese Bestimmung die Möglichkeit ausschließt, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf solche Dienstleistungen anzuwenden, Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht so ausgelegt werden, dass sie die Lieferung von elektronischen Büchern in ihren Geltungsbereich einbezöge. Mit einer solchen Auslegung würde der Wille des Unionsgesetzgebers verkannt, diesen Dienstleistungen nicht den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zugutekommen zu lassen.
41      Unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts von Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie als auch des Zusammenhangs und der Ziele der Regelung, in die sich diese Bestimmung einfügt, kann diese Nummer folglich nicht so ausgelegt werden, dass sie elektronische Bücher in ihren Anwendungsbereich einbezieht.
42      Entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik und des Königreichs Belgien wird diese Auslegung nicht durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Frage gestellt, in dem der Unionsgesetzgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung im Mehrwertsteuerbereich zum Ausdruck gebracht hat (Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
43      Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität erlaubt es nämlich nicht, den Geltungsbereich eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszuweiten, soweit es an einer eindeutigen Bestimmung fehlt (vgl. in diesem Sinne Urteil Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nr. 6 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie ist indessen keine Bestimmung, die in eindeutiger Weise den Geltungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf die Lieferung von elektronischen Büchern ausweitet. Vielmehr fällt, wie sich aus Rn. 41 des vorliegenden Urteils ergibt, eine solche Lieferung nicht unter diese Bestimmung.
44      Da auch unstreitig ist, dass die Lieferung von elektronischen Büchern in keine andere Kategorie von Dienstleistung fällt, die in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannt wird, steht die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf eine solche Lieferung nicht im Einklang mit Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie.
45      Die Klage der Kommission ist demzufolge begründet.
46      Somit ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit deren Anhängen II und III und der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 verstoßen hat, dass sie einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Lieferung von elektronischen Büchern angewandt hat.
 Kosten
47      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.
48      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich der Belgien trägt daher seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.      Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 96 und 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 geänderten Fassung in Verbindung mit den Anhängen II und III dieser Richtlinie und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 verstoßen, dass sie auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz angewandt hat.
2.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.
3.      Das Königreich Belgien trägt seine eigenen Kosten.
Unterschriften



Und hier die Entscheidung C 502/13

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
5. März 2015(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Steuerwesen – Mehrwertsteuer – Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes – Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern“
In der Rechtssache C‑502/13
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 18. September 2013,
Europäische Kommission, vertreten durch C. Soulay und F. Dintilhac als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
unterstützt durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Chatziioakeimidou und A. de Gregorio Merino als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch D. Holderer als Bevollmächtigte,
Beklagter,
unterstützt durch
Königreich Belgien, vertreten durch M. Jacobs und J.‑C. Halleux als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 (ABl. L 326, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) in Verbindung mit deren Anhängen II und III und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 (ABl. L 77, S. 1) verstoßen hat, dass es einen Mehrwertsteuersatz (im Folgenden: Mehrwertsteuersatz) von 3 % auf die Lieferung von digitalen (oder elektronischen) Büchern angewandt hat.
 Rechtlicher Rahmen
 Unionsrecht
2        Art. 14 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
3        Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“
4        Art. 96 der Richtlinie bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“
5        Art. 97 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2015 muss der Normalsatz mindestens 15 % betragen.“
6        Art. 98 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1)      Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.
(2)      Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.
Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen.“
7        Art. 99 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Die ermäßigten Steuersätze werden als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festgesetzt, der mindestens 5 % betragen muss.“
8        Art. 110 dieser Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1991 Steuerbefreiungen mit Recht auf Vorsteuerabzug oder ermäßigte Steuersätze angewandt haben, die unter dem in Artikel 99 festgelegten Mindestsatz lagen, können diese Regelungen weiterhin anwenden.
Die in Absatz 1 genannten Steuerbefreiungen und ‑ermäßigungen müssen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein und dürfen nur aus genau definierten sozialen Gründen und zugunsten des Endverbrauchers erlassen worden sein.“
9        Art. 114 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1993 verpflichtet waren, den von ihnen am 1. Januar 1991 angewandten Normalsatz um mehr als 2 % heraufzusetzen, können auf die Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien einen ermäßigten Satz anwenden, der unter dem in Artikel 99 festgelegten Mindestsatz liegt.
…“
10      In Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie, der ein „Exemplarisches Verzeichnis elektronisch erbrachter Dienstleistungen im Sinne des Artikels 58 und des Artikels 59 Absatz 1 Buchstabe k“ enthält, die der Bestimmung des Ortes von Dienstleistungen dienen, die gegenüber nicht steuerpflichtigen Personen erbracht wurden, wird in Nr. 3 aufgeführt:
„Bereitstellung von Bildern, Texten und Informationen sowie Bereitstellung von Datenbanken“.
11      In der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2006/112 wird in Anhang III, der das Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen enthält, auf die ermäßigte Steuersätze gemäß Art. 98 angewandt werden können, in Nr. 6 aufgeführt:
„Lieferung von Büchern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder ‑manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“.
12      In der Richtlinie 2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 (ABl. L 116, S. 18), durch die die Richtlinie 2006/112 geändert wurde, heißt es im vierten Erwägungsgrund:
„Die Richtlinie 2006/112/EG sollte ferner geändert werden, um die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze oder aber Steuerbefreiungen in einer begrenzten Zahl bestimmter Fälle aus sozial- oder gesundheitspolitischen Gründen zu ermöglichen und um die Bezugnahme auf Bücher in Anhang III klarer zu fassen und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.“
13      Seit dem 1. Juni 2009, dem Datum des Inkrafttretens der Richtlinie 2009/47, lautet Anhang III Nr. 6 der Mehrwertsteuerrichtlinie folgendermaßen:
„Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder Manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“.
14      Nr. 9 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie führt unter den Dienstleistungen, auf die ermäßigte Steuersätze angewandt werden können, „Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie diesen geschuldete urheberrechtliche Vergütungen“ an.
15      Die Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 sieht in Art. 7 Abs. 1 und 2 vor:
„(1)      ‚Elektronisch erbrachte Dienstleistungen‘ im Sinne der [Mehrwertsteuerrichtlinie] umfassen Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre.
(2)      Unter Absatz 1 fällt insbesondere das Folgende:
f)      die in Anhang I genannten Dienstleistungen.“
16      Anhang I der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 mit der Überschrift „Artikel 7 der vorliegenden Verordnung“ bestimmt in Nr. 3:
„Anhang II Nummer 3 der [Mehrwertsteuerrichtlinie]:
c)      digitalisierter Inhalt von E-Books und anderen elektronischen Publikationen;
…“
 Luxemburgisches Recht
17      Das Gesetz vom 12. Februar 1979 über die Mehrwertsteuer in der Fassung, die bei Ablauf der Frist galt, die dem Großherzogtum Luxemburg in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 25. Oktober 2012 gesetzt worden war (im Folgenden: Gesetz über die Mehrwertsteuer), sieht in Art. 39 Abs. 3 vor:
„Der Normalsatz der auf die steuerbaren Umsätze anzuwendenden Mehrwertsteuer beträgt 15 % der Bemessungsgrundlage …
Der ermäßigte Steuersatz beträgt 6 % der Bemessungsgrundlage.
Der stark ermäßigte Steuersatz beträgt 3 % der Bemessungsgrundlage.“
18      Art. 40 des Gesetzes über die Mehrwertsteuer lautet:
„(1)      Die Mehrwertsteuer wird in den Grenzen und zu den Bedingungen erhoben, die durch Großherzogliche Verordnung festzulegen sind:
2.      zu dem stark ermäßigten Steuersatz von 3 % für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen sowie für den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Einfuhr von Gegenständen, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen in Anhang B dieses Gesetzes genannt sind;
(2)      Die Mehrwertsteuer für andere als die in Absatz 1 genannten steuerbaren Umsätze wird zu einem Normalsatz von 15 % erhoben.
…“
19      Nr. 5 von Anhang B des Gesetzes über die Mehrwertsteuer mit der Überschrift „Liste der Gegenstände und Dienstleistungen, die dem stark ermäßigten Steuersatz unterliegen“ bestimmt:
„Bücher (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder ‑manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften. Druckerzeugnisse, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen, sowie pornografische Bücher, Zeitungen und Veröffentlichungen sind ausgenommen.“
20      Die Großherzogliche Verordnung vom 21. Dezember 1991 über die Festlegung der Grenzen und Bedingungen für die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes, des stark ermäßigten Mehrwertsteuersatzes und des Zwischenmehrwertsteuersatzes in der Fassung, die bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist galt (im Folgenden: Großherzogliche Verordnung vom 21. Dezember 1991), sieht in Art. 2 vor:
„Die in den Nrn. 1 bis 7 des Anhangs B des Gesetzes [über die Mehrwertsteuer] aufgezählten Gegenstände werden mittels der entsprechenden Positionen des in Art. 1 dieser Verordnung genannten Einfuhrzolltarifs (EZ) genauer bezeichnet.
5.      Bücher, Zeitungen und Zeitschriften:
a)
–        Bücher, Broschüren und ähnliche Drucksachen, auch in losen Bögen oder Blättern, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder vorwiegend Werbezwecken dienen, sowie pornografische Bücher (ex Nr. 49.01 EZ)
–        Wiegendrucke und andere Bücher, die Antiquitäten darstellen, die mehr als hundert Jahre alt sind (ex Nr. 97.06 EZ)
…“
21      Im Rundschreiben Nr. 756 vom 12. Dezember 2011 der Direktion Register- und Domänenverwaltung heißt es:
„Da der Begriff ‚Bücher‘ in den Mitgliedstaaten der [Europäischen Union] nicht einheitlich ausgelegt wird, hat die Regierung entschieden, diesem Begriff aus Gründen der Neutralität in Nr. 5 des Anhangs B des Gesetzes über die Mehrwertsteuer und in Art. 2 Nr. 5 Buchst. a der [Großherzoglichen Verordnung vom 21. Dezember 1991] in dem Sinne eine weite Bedeutung beizulegen, dass aufgrund der Funktionsidentität eine Unterscheidung zwischen physischen Trägern und digitalen Trägern nicht erforderlich ist.
Diese Auslegung wird implizit durch die Mitteilung der Kommission vom 6. Dezember 2011 an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Zukunft der Mehrwertsteuer (KOM[2011] 851 endg.) bestätigt, in der hervorgehoben wird, dass … es außerdem ‚in der öffentlichen Konsultation deutliche Reaktionen zur Frage der Gleichbehandlung von Produkten [gab], die sowohl in traditioneller Form als auch in Onlineformaten erhältlich sind. Diese Fragen bedürfen weiterer Klärung‘.
Dieses Rundschreiben gilt ab dem 1. Januar 2012.“
 Vorverfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof
22      Die Kommission war der Auffassung, dass die Anwendung eines „stark ermäßigten“ Mehrwertsteuersatzes von 3 % (im Folgenden: ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 3 %) ab dem 1. Januar 2012 auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern gegen die Mehrwertsteuerrichtlinie verstoße. Deshalb übermittelte sie dem Großherzogtum Luxemburg am 4. Juli 2012 ein Aufforderungsschreiben. Dieser Mitgliedstaat antwortete darauf mit Schreiben vom 31. Juli 2012.
23      Am 25. Oktober 2012 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, mit der sie das Großherzogtum Luxemburg aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen eines Monats nach ihrem Empfang nachzukommen. Dieser Mitgliedstaat antwortete darauf mit Schreiben vom 29. November 2012.
24      Da die Erklärungen des Großherzogtums Luxemburg die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
25      Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 14. Januar und 3. Februar 2014 sind der Rat der Europäischen Union und das Königreich Belgien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission bzw. des Großherzogtums Luxemburg zugelassen worden.
 Zur Klage
 Vorbemerkungen
26      Die Kommission weist darauf hin, dass unter der Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern die entgeltliche Lieferung von Büchern in elektronischem Format zu verstehen sei, die mit einem Computer, einem Smartphone, einem E‑Book-Lesegerät oder einem anderen Lesegerät über Herunterladen oder Streaming von einer Website abgerufen werden können (im Folgenden: Lieferung von elektronischen Büchern).
27      Das Großherzogtum Luxemburg beanstandet den Umfang des Streitgegenstands. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 3 % sei nur auf die Lieferung von Büchern über Herunterladen, nicht aber auf die Lieferung von Büchern über Streaming anzuwenden.
28      In diesem Zusammenhang ist, wie die Kommission zu Recht vorträgt, festzustellen, dass sich aus dem einschlägigen luxemburgischen Recht, das in den Rn. 17 bis 21 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, nicht ergibt, dass die Lieferung von Büchern über Streaming im Gegensatz zu der über Herunterladen vom vorteilhaften ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % ausgenommen wäre.
29      Unter diesen Umständen ist die Prüfung der Klage nicht auf eine engere Kategorie von digitalen oder elektronischen Büchern als die von der Kommission in ihrer Klage genannte zu beschränken.
 Zur Begründetheit
30      Die Kommission trägt vor, dass die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 3 % auf die Lieferung von elektronischen Büchern durch das Großherzogtum Luxemburg mit den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit ihren Anhängen II und III sowie der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 unvereinbar sei.
31      Dieses Organ weist darauf hin, dass gemäß Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die ermäßigten Mehrwertsteuersätze nur auf die in Anhang III dieser Richtlinie genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anwendbar seien. Die Lieferung von elektronischen Büchern falle nicht in den Anwendungsbereich dieses Anhangs, und auf sie sei daher der vorteilhafte ermäßigte Mehrwertsteuersatz nicht anzuwenden. Diese Auslegung werde durch Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestätigt, der die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen ausschließe. Unter diesen Umständen erlaubten es auch die Art. 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht, auf die Lieferung von elektronischen Büchern einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % anzuwenden.
32      Das Großherzogtum Luxemburg, unterstützt durch das Königreich Belgien, tritt der von der Kommission vertretenen Auslegung der betreffenden Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie entgegen. Nach Ansicht dieser Mitgliedstaaten unterfällt die Lieferung von elektronischen Büchern Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie und, wie das Großherzogtum Luxemburg hilfsweise vorträgt, Nr. 9 dieses Anhangs. Darüber hinaus erlaubten jedenfalls die Art. 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie dem Großherzogtum Luxemburg die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 3 % auf eine solche Lieferung.
33      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie auf die Lieferungen von Gegenständen und auf Dienstleistungen der gleiche Mehrwertsteuersatz, nämlich der Normalsatz, anzuwenden ist. Abweichend von diesem Grundsatz räumt Art. 98 Abs. 1 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anzuwenden. Nach Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 1 sind die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Kategorien anwendbar (Urteil K, C‑219/13, EU:C:2014:2207, Rn. 21 und 22).
34      Zum Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs Belgien, wonach die Lieferung von elektronischen Büchern unter Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie falle, ist zu beachten, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Unionsrechts sowohl deren Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (vgl. u. a. Urteil NCC Construction Danmark, C‑174/08, EU:C:2009:669, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35      Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Anhang III in Nr. 6 in der Kategorie der Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, ausdrücklich die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ nennt. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Nummer, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf den Vorgang der Lieferung eines Buchs, das sich auf einem physischen Träger befindet, anzuwenden ist. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, würde eine andere Auslegung den Begriffen „auf jeglichen physischen Trägern“ dieser Nummer ihren Sinn nehmen.
36      Auch wenn ein elektronisches Buch einen physischen Träger wie z. B. einen Computer erfordert, um gelesen werden zu können, ist ein solcher Träger jedoch von der Lieferung elektronischer Bücher nicht erfasst.
37      In Anbetracht des Wortlauts von Nr. 6 erstreckt sich folglich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht auf die Lieferung von elektronischen Büchern.
38      Diese Auslegung wird durch den Kontext der Bestimmung bestätigt. Diese stellt nämlich eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass die Mitgliedstaaten einen Normalsatz der Mehrwertsteuer auf Vorgänge, die dieser Steuer unterliegen, anwenden, und sie ist daher eng auszulegen (vgl. u. a. Urteil Kommission/Spanien, C‑360/11, EU:C:2013:17, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).
39      Es ist zwar richtig, dass der Unionsgesetzgeber, wie das Großherzogtum Luxemburg und das Königreich Belgien zu Recht vortragen, mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs von Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie durch die mit der Richtlinie 2009/47 eingeführte Änderung auf die „Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern“ das Ziel verfolgte – wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/47 ergibt –, die Bezugnahme auf den Begriff „Bücher“ in dieser Nummer klarer zu fassen und dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen.
40      Dennoch ändert dies nichts daran, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, ebenfalls entschieden hat, die Möglichkeit der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“ auszuschließen.
41      Die Lieferung von elektronischen Büchern stellt aber eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 dar.
42      Zum einen gilt nämlich nach Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie als „Dienstleistung“ jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist, wobei eine „Lieferung von Gegenständen“ nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie die Übertragung der Befähigung voraussetzt, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Lieferung von elektronischen Büchern kann nicht als eine „Lieferung von Gegenständen“ im Sinne dieser zuletzt genannten Bestimmung angesehen werden, da ein elektronisches Buch nicht als ein körperlicher Gegenstand angesehen werden kann. Wie sich aus Rn. 36 des vorliegenden Urteils ergibt, ist der physische Träger, der das Lesen dieses Buchs ermöglicht und als „körperlicher Gegenstand“ betrachtet werden könnte, in der Lieferung nicht enthalten. Folglich ist nach Art. 24 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Lieferung von elektronischen Büchern als eine Dienstleistung anzusehen.
43      Zum anderen umfassen gemäß Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 „elektronisch erbrachte Dienstleistungen“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie „Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre“. Es ist festzustellen, dass die Lieferung von elektronischen Büchern unter diese Definition fällt.
44      Diese Auslegung wird durch Nr. 3 von Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Durchführungsverordnung und Nr. 3 deren Anhangs I bestätigt, aus denen sich ergibt, dass die Lieferung des digitalisierten Inhalts von Büchern eine solche Dienstleistung darstellt.
45      Dem steht, anders als das Großherzogtum Luxemburg vorgetragen hat, nicht der Umstand entgegen, dass Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie ein exemplarisches Verzeichnis elektronisch erbrachter Dienstleistungen im Sinne von Art. 58 und von Art. 59 Abs. 1 Buchst. k enthält. Die Tatsache nämlich, dass dieser Anhang nur die elektronisch erbrachten Dienstleistungen aufzählt, die für die Anwendung dieser beiden Bestimmungen relevant sind, hat keinen Einfluss auf die Natur dieser Dienstleistungen.
46      Im Übrigen dient, wie sich aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 ergibt, im Kontext dieser Bestimmung der Verweis auf die in Nr. 3 von Anhang II der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgezählten Dienstleistungen der näheren Bezeichnung der elektronisch erbrachten Dienstleistungen, die in der Mehrwertsteuerrichtlinie im Allgemeinen und nicht ausschließlich in bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie eine Regelung finden.
47      Folglich kann, da die Lieferung von elektronischen Büchern eine „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ im Sinne von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt und diese Bestimmung die Möglichkeit ausschließt, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf solche Dienstleistungen anzuwenden, Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht so ausgelegt werden, dass sie die Lieferung von elektronischen Büchern in ihren Geltungsbereich einbezöge. Mit einer solchen Auslegung würde der Wille des Unionsgesetzgebers verkannt, diesen Dienstleistungen nicht den ermäßigten Mehrwertsteuersatz zugutekommen zu lassen.
48      Auch kann nicht dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg gefolgt werden, wonach die Richtlinie 2009/47 die Tragweite von Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 in diesem Punkt verändert habe. Denn eine solche Auslegung wiederspräche bereits dem Wortlaut der letzteren Bestimmung, der ohne Ausnahme alle elektronisch erbrachten Dienstleistungen von der Möglichkeit ausschließt, den vorteilhaften ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden.
49      Unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts von Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie als auch des Zusammenhangs und der Ziele der Regelung, in die sich diese Bestimmung einfügt, kann diese Nummer folglich nicht so ausgelegt werden, dass sie elektronische Bücher in ihren Anwendungsbereich einbezieht.
50      Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und des Königreichs Belgien wird diese Auslegung nicht durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Frage gestellt, in dem der Unionsgesetzgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung im Mehrwertsteuerbereich zum Ausdruck gebracht hat (Urteil NCC Construction Danmark, EU:C:2009:669, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
51      Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität erlaubt es nämlich nicht, den Geltungsbereich eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auszuweiten, soweit es an einer eindeutigen Bestimmung fehlt (vgl. in diesem Sinne Urteil Zimmermann, C‑174/11, EU:C:2012:716, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie ist indessen keine Bestimmung, die in eindeutiger Weise den Geltungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf die Lieferung von elektronischen Büchern erweitert. Vielmehr fällt, wie sich aus Rn. 49 des vorliegenden Urteils ergibt, eine solche Lieferung nicht unter diese Bestimmung.
52      Die in Rn. 49 des vorliegenden Urteils vertretene Auslegung wird auch nicht, wie das Großherzogtum Luxemburg vorträgt, durch die Vorarbeiten zur Richtlinie 2009/47 in Frage gestellt. Dieser Mitgliedstaat bezieht sich insbesondere auf Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie in der Fassung, die von der Kommission vorgeschlagen wurde und wonach unter diese Bestimmung die „Lieferung von Büchern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder ‑manuskripte, Landkarten und hydrographische oder sonstige Karten, sowie Hörbücher, CD, CD-ROM oder andere körperliche Datenträger, die überwiegend denselben Informationsgehalt wiedergeben wie gedruckte Bücher), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“ fallen sollte.
53      Bei dem Text dieser Nr. 6 in seiner schließlich angenommenen Form handelt es sich nämlich offenkundig, wie die Kommission vorgetragen hat, nur um eine redaktionelle Vereinfachung des ursprünglich vorgeschlagenen Textes.
54      Ebenso wenig kann dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg gefolgt werden, wonach Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie deshalb so ausgelegt werden müsse, dass sie die Lieferung von elektronischen Büchern umfasse, weil anderenfalls das Ziel dieser Bestimmung mit Rücksicht darauf missachtet würde, dass es keine digitalen Bücher mehr gebe, die in körperlicher Form dem Klienten geliefert würden. Insoweit genügt die Feststellung, dass dieses Vorbringen, wie sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, die Gegenstand des Urteils K (EU:C:2014:2207) waren, auf eine falsche Prämisse gestützt ist.
55      Des Weiteren kann, soweit das Großherzogtum Luxemburg die Gültigkeit der Mehrwertsteuerrichtlinie und insbesondere von Nr. 6 ihres Anhangs III im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz in Frage stellt, die Prüfung dieser Gültigkeit nicht im Rahmen der vorliegenden Vertragsverletzungsklage erfolgen.
56      Ein Mitgliedstaat kann sich nämlich mangels einer Vorschrift des AEU-Vertrags, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigt, zur Verteidigung gegenüber einer auf die Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Richtlinie gestützten Vertragsverletzungsklage nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit dieser Richtlinie berufen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der fragliche Rechtsakt mit besonders schweren und offensichtlichen Fehlern behaftet wäre, so dass er als inexistenter Rechtsakt qualifiziert werden könnte (vgl. Urteil Kommission/Österreich, C‑189/09, EU:C:2010:455, Rn. 15 bis 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Solche Fehler hat das Großherzogtum Luxemburg hier aber nicht geltend gemacht.
57      Aus dem gleichen Grund kann sich dieser Mitgliedstaat auf das Argument der Ungültigkeit der Richtlinie 2009/47 nicht wirksam mit der Begründung berufen, die Rolle des Europäischen Parlaments sei durch ihre Annahme missachtet worden.
58      Das Großherzogtum Luxemburg bezieht sich außerdem auf Art. 110 AEUV, aus dem sich ergebe, dass die Verfasser des Vertrags den Unionsorganen nicht das Recht hätten einräumen wollen, diskriminierende Abgaben zu erheben.
59      Dieses Vorbringen deckt sich jedoch im Wesentlichen mit dem Vorbringen dieses Mitgliedstaats zum Grundsatz der Gleichbehandlung. Es ist daher aus den gleichen wie in den Rn. 50 und 51 sowie 55 und 56 des vorliegenden Urteils genannten Gründen zurückzuweisen.
60      Für den Fall, dass die Lieferung von elektronischen Büchern nicht von Nr. 6 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie erfasst werde, trägt das Großherzogtum Luxemburg hilfsweise vor, dass eine solche Lieferung unter Nr. 9 dieses Anhangs falle.
61      Auch diesem Vorbringen kann jedoch nicht gefolgt werden. Eine solche Auslegung der genannten Nr. 9, die die Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie die diesen geschuldeten urheberrechtlichen Vergütungen betrifft, findet keine Stütze im Wortlaut dieser Bestimmung und führte zu einer Ausweitung ihres Geltungsbereichs, obwohl, wie sich aus Rn. 38 des vorliegenden Urteils ergibt, diese Bestimmung gerade eng auszulegen ist.
62      Eine Auslegung, wonach die Lieferung von Büchern in den Geltungsbereich von Nr. 9 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie fiele, nähme zudem, wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, Nr. 6 von Anhang III ihren Sinn.
63      Daraus folgt, dass die Lieferung von elektronischen Büchern weder unter Nr. 6 noch unter Nr. 9 von Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt. Des Weiteren ist unstreitig, dass die genannte Lieferung unter keine andere der in diesem Anhang genannten Kategorien von Dienstleistungen fällt. Unter diesen Umständen verstößt die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf eine solche Lieferung gegen Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie.
64      Die Kommission wirft dem beklagten Mitgliedstaat darüber hinaus vor, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % unter Verstoß gegen die Art. 99, 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzuwenden.
65      Das Großherzogtum Luxemburg, unterstützt durch das Königreich Belgien, trägt hingegen vor, es werde ihm jedenfalls durch die Art. 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie erlaubt, einen solchen Mehrwertsteuersatz auf die Lieferung von elektronischen Büchern anzuwenden.
66      Was die Anwendung von Art. 110 der Mehrwertsteuerrichtlinie anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich des Wortlauts dieser Bestimmung die Möglichkeit eines Mitgliedstaats, ermäßigte Steuersätze anzuwenden, die unter dem in Art. 99 der Mehrwertsteuerrichtlinie festgelegten Mindestsatz liegen, vier kumulativen Voraussetzungen unterliegt, darunter der, dass die ermäßigten Steuersätze u. a. mit dem Unionsrecht vereinbar sein müssen (Urteil Kommission/Frankreich, C‑596/10, EU:C:2012:130, Rn. 75).
67      Wie sich aus Rn. 63 des vorliegenden Urteils ergibt, verstößt die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Lieferung von elektronischen Büchern gegen Art. 98 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Unter diesen Umständen kann die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme, ohne dass das Vorliegen der anderen in Art. 110 dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen geprüft werden muss, die vom Großherzogtum Luxemburg praktizierte Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 3 % auf die Lieferung von elektronischen Büchern nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, EU:C:2012:130, Rn. 76 und 77).
68      Was Art. 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie anbelangt, genügt der Hinweis, dass diese Bestimmung ausdrücklich verlangt, dass die Lieferung von Gegenständen oder die betreffende Dienstleistung unter eine der in Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Kategorien fällt. Es ist unstreitig, dass dies bei der Lieferung von elektronischen Büchern nicht der Fall ist.
69      Unter diesen Umständen ist die vom Großherzogtum Luxemburg vorgenommene Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 3 % auf die Lieferung von elektronischen Büchern weder durch Art. 110 der Mehrwertsteuerrichtlinie noch durch Art. 114 dieser Richtlinie gerechtfertigt.
70      Daher ist die Klage der Kommission begründet.
71      Es ist somit festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit deren Anhängen II und III und der Durchführungsverordnung Nr. 282/2011 verstoßen hat, dass es einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 3 % auf die Lieferung von digitalen Büchern angewandt hat.
 Kosten
72      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Großherzogtum Luxemburg mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission seine eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.
73      Nach Art. 140 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Belgien und der Rat tragen folglich ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1.      Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 96 bis 99, 110 und 114 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/88/EU des Rates vom 7. Dezember 2010 geänderten Fassung in Verbindung mit den Anhängen II und III dieser Richtlinie und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom 15. März 2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112 verstoßen, dass es auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern einen Mehrwertsteuersatz von 3 % angewandt hat.
2.      Das Großherzogtum Luxemburg trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.
3.      Das Königreich Belgien und der Rat der Europäischen Union tragen ihre eigenen Kosten.
Unterschriften