Sonntag, 9. August 2015

Fallstricke beim Abschluss befristeter Arbeitsverträge

Der § 14 Abs. 4 TzBfG, der Schriftform für die Befristungsabrede im Arbeitsrecht vorschreibt, ist komplizierter als man denkt. Die Rechtsprechung dazu verworren. Ich möchte das Thema hier etwas aufbereiten.

Der Text richtet sich an Arbeitgeber (Unternehmern, Personalleiter) als auch an Studenten oder Lernende im Bereich Arbeitsrecht.

Ausgangspunkt ist folgendes Problem:

Wird der schriftliche Arbeitsvertrag erst nach Arbeitsantritt unterschrieben, gibt es keine Rückwirkung. Es ist möglicherweise schon ein mündlicher Arbeitsvertrag entstanden, der als unbefristeter Arbeitsvertrag gilt. Die nachträgliche Schriftform ändert das nicht
So lautete die Sensationsmeldung im Jahre 2004/2005, aufgrund eines Urteils des BAG (Bundesarbeitsgerichts). Die Meldungen in den Medien haben das Urteil aber unsauber wieder gegeben, wie ich noch zeigen werde.

Hintergrund:

  • § 14 Abs. 4 TzBfG (früher in § 623 BGB geregelt) sieht Schriftform für Befristungen vor. Es reicht die Befristung als solche schriftlich festzuhalten.
  • Wird die Schriftform vergessen, gilt § 16. Es liegt nunmehr ein unbefristeter Vertrag vor.
Nun wird oft die Arbeit angetreten und erst im Laufe des Tages der gegengezeichnete Vertragsentwurf abgegeben, oder der Vertrag unterschrieben, oder der Vertrag überhaupt erst später schriftlich fixiert.

Und das hat keine Rückwirkung. So das



Halten die Arbeitsvertragsparteien eine zunächst nur mündlich und damit nach § 623 BGB aF (seit 1. Januar 2001: § 14 Abs. 4 TzBfG), § 125 Satz 1 BGB formnichtig vereinbarte Befristung in einem nach Vertragsbeginn unterzeichneten Arbeitsvertrag schriftlich fest, führt dies nicht dazu, dass die Befristung rückwirkend wirksam wird. § 141 Abs. 2 BGB steht der Geltendmachung des Formmangels nicht entgegen. Die Vorschrift ist auf die nach Vertragsbeginn erfolgte schriftliche Niederlegung einer zuvor nur mündlich vereinbarten Befristung nicht anwendbar.
BAG, Urteil vom 1. 12. 2004 - 7 AZR 198/04 (lexetius.com/2004,3686)
Weiter sagt das Urteil sinngemäß:

Die Annahme, dass mit der nachträglichen Unterschrift eine NEUE Vereinbarung vorläge, mit der man also nachträglich eine Befristung vereinbart habe, geht in vielen Fällen fehl.
Ich habe es bewusst weich formuliert. In den Medien wurde das lapidarer formuliert.

Nun, jedenfalls weiß man heute, etliche Urteile später: es gibt  Ausnahmen. Das Urteil setzt nämlich folgende Konstellation voraus:

Es muss im konkreten Fall angenommen werden, dass der Vertrag  spätestens mit Arbeitsantritt mündlich geschlossen wurde, und die (letzte) Unterschrift auf dem Vertragsentwurf  nur die Bestätigung des schon Vereinbarten sein sollte, ohne dass sich die Parteien neue Gedanken über das Vertragsverhältnis machten.

Und darauf ergeben sich folgende Ausnahmen:
1. Ausnahme:  wenn zwischen Arbeitsantritt und Unterschrift im Gespräch war, dass die Befristungsabrede mangels Form unwirksam ist, also ein unbefristeter Vertrag entstanden ist (§ 16 Tzbfg) und man diese Folge nachträglich wieder beseitigen und eine Befristung herstellen wollte.  Dann hat der Arbeitnehmer freiwillig nachträglich eine Befristung vereinbart, und zwar schriftlich

2. Ausnahme:  wenn im späteren Vertrag andere Fristen als bei Arbeitsantritt vorgesehen festgelegt sind oder sonst abweichende Bedingungen vereinbart wurden (auch dann liegt eine neuer, eigenständiger Vertrag vor, der diesmal von vornherein die Schriftform einhält)
Bei diesen beiden Ausnahmefällen gibt es aber ein neues Problem. Wenn es eine neue Vereinbarung ist, und vorher ein mündlich/konkludent geschlossener Arbeitsvertrag vorlag, dann gilt in vielen Fällen nicht mehr die Regelung, dass man für 2 Jahre ohne sachgrundlos befristen kann (Ausnahmen: Existenzgründung oder ältere AN gem. § 14 Absatz 3). 
Das heißt, dann muss ein Sachgrund vorliegen sofern nicht einer der Ausnahmefälle vorliegt (Saisonarbeit, Krankheitsvertretung, Projektbindung) . Das muss zusätzlich geprüft werden. 
(z.B. BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09 , ferner Besprechung von Hensche zum Hessischen LAG  / Urteil LAG selbst))

Die nächste Ausnahme behandle ich bewusst gesondet, warum wird noch klar werden:

3. Ausnahme: Sofern bei Arbeitsantritt noch kein mündlicher Arbeitsvertrag anzunehmen ist. Hier gab es bereits zwei Varianten:

a) Solange sich die Parteien nicht über alle Vertragspunkte geeinigt haben, ist ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen. Ein Urteil das LAG Düsseldorf überträgt diesen Gedanken auf folgenden Fall: Im öffentlichen Dienst sei es üblich, Einstellungen an den obligatorischen Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrags zu knüpfen und bloße mündliche Absprachen als noch nicht endgültig verbindlich anzusehen.  Eine Angestellte im öffentlichen Dienst musste dies abei Arbeitsantritt wissen, so LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2010, Az.: 12 Sa 415/10, daher lag hier überhaupt noch kein Vertrag vor. Der Arbeitsantritt und die Duldung des Arbeitsantritts durch den Arbeitgeber waren also keine konkludenten Willenserklärungen zum Abschluss des vorgesehenen befristeten Arbeitsverhältnis.

b) wenn  der Arbeitgeber vor Arbeitsbeginn eine Vertragsurkunde übersandt hat und dabei zum Ausdruck gebracht hat, dass das Arbeitsverhältnis wirklich nur dann zustandekommt, wenn der Vertrag schriftlich bestätigt wird
Das Dulden des Arbeitsantritts bedeutet hier noch nicht, dass konkludent ein Arbeitsvertrag geschlossen wird, sondern wird als etwas Vorläufiges angesehen. Im konkreten Fall war es sogar so, dass der AN von dem ArbG aufgefordert wurde, an einem bestimmten Tag die Arbeit anzufangen:  BAG · Urteil vom 16. April 2008 · Az. 7 AZR 1048/06
Damit entsteht also erst mit beiderseitiger Unterschrift (erstmalig) ein Arbeitsverhältnis, das von vornherein schriftlich ist. Einen Sachgrund muss man auch nicht prüfen, denn es gilt in jedem Fall die Zweijahres-Regelung, da vorher noch kein Arbeitsvertrag bestand.




Hier einAuszug aus dem BAG-Urteil von 2008, das bei dieser Gelegenheit die Rechtslage zusammenfasst und zeigt, wie systematisch ein Gericht die Rechtslage hier prüft:

I. Die zum 30. Juni 2005 vereinbarte Befristung ist nicht nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 125 Satz 1 BGB nichtig.

1. Nach § 125 Satz 1 BGB ist eine Befristungsabrede, die dem gesetzlich normierten Schriftformerfordernis nicht genügt, nichtig mit der Folge, dass der Arbeitsvertrag nach § 16 Satz 1 TzBfG als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Vereinbaren die Parteien vor Vertragsbeginn zunächst nur mündlich die Befristung des Arbeitsvertrags und halten sie die mündlich getroffene Befristungsabrede in einem nach Vertragsbeginn unterzeichneten Arbeitsvertrag schriftlich fest, ist die zunächst mündlich vereinbarte Befristung nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 125 Satz 1 BGB nichtig, so dass bei Vertragsbeginn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Die spätere schriftliche Niederlegung der zunächst nur mündlich vereinbarten Befristung führt nicht dazu, dass die zunächst formnichtige Befristung rückwirkend wirksam wird (vgl. hierzu ausführlich BAG 16. März 2005 - 7 AZR 289/04 - BAGE 114, 146 = AP TzBfG § 14 Nr. 16 = EzA TzBfG § 14 Nr. 17, zu I 2 der Gründe; 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - BAGE 113, 75 = AP TzBfG § 14 Nr. 15 = EzA BGB 2002 § 623 Nr. 3, zu B I 4 a und b der Gründe). Dadurch kann allenfalls das bei Vertragsbeginn nach § 16 Satz 1 TzBfG entstandene unbefristete Arbeitsverhältnis nachträglich befristet werden, was bei Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes zulässig ist (BAG 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - aaO, zu B I 4 b der Gründe). Hierzu sind allerdings auf die Herbeiführung dieser Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen der Parteien erforderlich. Daran fehlt es in der Regel, wenn die Parteien nach Vertragsbeginn lediglich eine bereits zuvor mündlich vereinbarte Befristung in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niederlegen. Dadurch wollen sie im Allgemeinen nur das zuvor Vereinbarte schriftlich festhalten und keine eigenständige rechtsgestaltende Regelung treffen (BAG 1. Dezember 2004 - 7 AZR 198/04 - aaO). Anders verhält es sich, wenn die Parteien vor Vertragsbeginn und vor Unterzeichnung des schriftlichen Arbeitsvertrags mündlich keine Befristung vereinbart haben oder wenn sie eine mündliche Befristungsabrede getroffen haben, die inhaltlich mit der in dem später unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag enthaltenen Befristung nicht übereinstimmt. In diesem Fall wird in dem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht lediglich eine zuvor vereinbarte mündliche Befristung schriftlich niedergelegt, sondern eine davon abweichende und damit eigenständige Befristungsabrede getroffen, durch die das zunächst bei Vertragsbeginn unbefristet entstandene Arbeitsverhältnis nachträglich befristet wird. Entspricht die Vertragsurkunde den Voraussetzungen des § 126 BGB, ist die Befristung nicht wegen eines Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG unwirksam (BAG 13. Juni 2007 - 7 AZR 700/06 - Rn. 18, AP TzBfG § 14 Nr. 39 = EzA TzBfG § 14 Nr. 40) .

2. Die Rechtslage ist wiederum anders zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Unterzeichnung der Vertragsurkunde durch den Arbeitnehmer abhängig gemacht hat. Ein ihm gegenüber bis zur Arbeitsaufnahme abgegebenes schriftliches Vertragsangebot kann der Arbeitnehmer nur durch eine den Anforderungen des § 126 Abs. 2 BGB genügende Annahmeerklärung annehmen.

Hat der Arbeitgeber in den Vertragsverhandlungen der Parteien den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags ausdrücklich unter den Vorbehalt eines schriftlichen Vertragsschlusses gestellt oder dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung des Vereinbarten angekündigt, so ist diese Erklärung ohne Hinzutreten von außergewöhnlichen Umständen nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitgeber dem sich aus § 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen will und seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung nur durch eine die Form des § 126 Abs. 2 BGB genügende Unterzeichnung der Vertragsurkunde(n) angenommen werden kann. Dies gilt gleichermaßen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer - ohne vorangegangene Absprache - ein von ihm bereits unterschriebenes Vertragsformular mit der Bitte um Unterzeichnung übersendet. Auch in diesen Fällen macht der Arbeitgeber hinreichend deutlich, dass der Vertrag nur bei Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 14 Abs. 4 TzBfG zustande kommen soll. Der Arbeitnehmer kann in diesen und anderen Fällen, in denen der Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags nach den Vertragsumständen von der Einhaltung des Schriftformerfordernisses abhängen soll, ein ihm vorliegendes schriftliches Vertragsangebot des Arbeitgebers nicht durch die Arbeitsaufnahme konkludent, sondern nur durch die Unterzeichnung der Vertragsurkunde annehmen. Nimmt der Arbeitnehmer vor diesem Zeitpunkt die Arbeit auf, besteht zwischen den Parteien nur ein faktisches Arbeitsverhältnis, weil es an der Abgabe der zum Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen fehlt. Dabei kann dahinstehen, ob die Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers als ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags zu den zuvor vereinbarten Bedingungen angesehen werden kann. Hat der Arbeitgeber durch sein vor der Arbeitsaufnahme liegendes Verhalten verdeutlicht, dass er den Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags von der Einhaltung des Schriftformgebots des § 14 Abs. 4 TzBfG abhängig machen will, liegt in der bloßen Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers regelmäßig keine Annahme eines vermeintlichen Vertragsangebots des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann das schriftliche Angebot des Arbeitgebers dann noch nach der Arbeitsaufnahme durch die Unterzeichnung des Arbeitsvertrags annehmen.

3. Nach diesen Grundsätzen ist das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG im Streitfall gewahrt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag eine von beiden Parteien unterzeichnete und damit den Anforderungen des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB genügende Urkunde über die Befristung des Arbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 vor. Es kann dahinstehen, zu welchem Zeitpunkt der Kläger den bereits von der Beklagten unterzeichneten Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Selbst wenn dies erst nach der Arbeitsaufnahme am 4. Januar 2005 erfolgt sein sollte, wäre die Befristung nicht nach § 14 Abs. 4 TzBfG, § 125 Satz 1 BGB unwirksam. Die Parteien haben in dem schriftlichen Arbeitsvertrag nicht nur eine zuvor mündlich und damit formnichtig vereinbart Befristung schriftlich niedergelegt, sondern eine eigenständige Befristungsabrede getroffen. Nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen haben die Parteien vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags am 4. Januar 2005 keine mündliche Befristungsabrede zum 30. Juni 2005 vereinbart.

Siehe auch:
Allgemein zur Befristung im Arbeitsrecht: