Freitag, 20. Mai 2016

Die alte Logikfalle bei den Altersangaben

Frage: was ist daran falsch?


leider falsch - Altersstufen und Geschäftsfähigkeit

Geschäftsunfähig von 0-7, beschränkt geschäftsfähig von 7-18, geschäftsfähig ab 18. Das ist eine typische Antwort, die ich vielleicht früher selbst so abgegeben hätte. Auch nach dem Studium. Gemeint ist schon das Richtige, aber es ist völlig falsch formuliert. Richtig wäre:

  • Geschäftsunfähig 0-6
  • beschränkt geschäftsfähig von 7-17
  • geschäftsfähig ab 18.

Alles andere zwickt sich. Man kann nicht sagen "beschränkt geschäftsfähig von 7-18" und gleichzeitig behaupten "ab 18 voll geschäftsfähig". Dann würde für das Alter 18 beides gelten.


Das Problem sind die gesetzlichen Formulierungen. Da heißt es immer ab  Vollendung eines Lebensjahres (was problemlos ist) oder aber "bis zur Vollendung" irgendeines Lebensjahres (was tückisch ist. Im BGB steht es noch altmodisch formuliert "wer das siebte Lebensjahr nicht vollendet hat"

Und damit sollte man sich auseinandersetzen.



Nun wird der Leser sagen: najaaa, aber jedenfalls ist das Richtige gemeint; wenn es um die Anwendung der Geschäftsfähigkeitsregeln geht, wird die Regelung schon richtig angewandt. Das war ja nur schlampig wiedergegeben.

Tja  nein. Bei obigen Altersstufen der Geschäftsfähigkeit wird es vielleicht so sein. Jedenfalls was die Grenze 17-18 betrifft, bei den Siebenjährigen wird der eine oder andere schon einen Fehler machen, wenn er sagen soll, wie es mit der Geschäftsfähigkeit eine Siebenjährigen aussieht. Je nachdem, welche Teilregel ihm gerade durch den Kopf geht wird er entweder geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig behaupten.

Aber so richtig missverständlich wird es bei anderen Altersangaben im Gesetz.

"Ich bin 25, also bekommst Du Kindergeld für mich, also wärst Du unterhaltspflichtig." hat mal ein Abiturient zu seinem Vater gesagt. Falsch.

Warum? Weil im Gesetz was von 25. Lebensjahr stand, soweit es um Kinderfreibetrag und Kindergeld geht. Wirklich?

§ 32 Absatz 4 sagt sinngemäß für Schüler, Studenten und Auszubildende:
 Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird (auch dann) berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird (etc).
Noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet. Das Kind darf also noch nicht den 25. Geburtstag gefeiert haben, denn dann hat es 25 Lebensjahre hinter sich. Die Regel lautet also:

18-24 (für Schüler, Studenten, Azubis)
Viele haben übrigens beim Kindergeld noch die 27er Grenze im Kopf. Tatsächlich sah das Gespräch so aus: "Ich bin noch nicht 27, also ..." Da hatte der Schüler etwas aufgeschnappt, was Jahre zuvor im Gesetz stand und überholt war. Aber selbst nach der früheren Rechtslage hätte er sich geirrt: Denn es hieß: "noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat". Damals galt also 18-26 für Schüler, Studenten und Azubis.

Wenn ich den Kinderfreibetrag bei den Umschülern zum Steuerfachangestellten (oder Wirtschaftsfachwirten) bespreche, teste ich immer wieder mal, ob die Schüler den Gesetzeswortlaut richtig verstehen. Haben sie sich bereits einmal mit diesen verzwickten Altersangaben auseinandergesetzt, kapieren sie sofort, was los ist. War das noch von keinem Dozenten besprochen, laufen die meisten in die Falle.

Es gibt weitere Altersangaben im Gesetz. zum Beispiel wann es Kindergeld/Kinderfreibetrag für Kinder gibt, die NICHT in Ausbildung sind, aber arbeitslos und arbeitssuchen gemeldet sind. Für die gilt die Stufe

18-20 (für arbeitssuchende Arbeitslose)
Und was steht im Gesetz? "wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat"

Weitere verzwickte Altersangaben im EStG und BGB

§ 32 Abs. 4 Nr. 3  EStG

"... wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist."

§ 3 Nr. 34a Buchstabe b EStG

zur kurzfristigen Betreuung von Kindern im Sinne des § 32 Absatz 1, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (also bis zum Alter von 13) oder die wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres (also vor dem 25. Geburtstag, praktisch 0-14) eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten oder pflegebedürftigen Angehörigen des Arbeitnehmers, wenn die Betreuung aus zwingenden und beruflich veranlassten Gründen notwendig ist, auch wenn sie im privaten Haushalt des Arbeitnehmers stattfindet, soweit die Leistungen 600 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen;

§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG(Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben, prüfungsrelevant für Steuerfachangestellte)

zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens 4 000 Euro je Kind, für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Absatz 1, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

§ 24a EStGAltersentlastungsbetrag
dort linke Spalte (Das auf die Vollendung des 64. Lebensjahres folgende Kalenderjahr). Hier werden gerne mal Prüfungsaufgaben gestellt, bei denen jemand am 1.1. eines Jahres geboren wurde, und im Veranlagungsjahr am 1.1. 64 Jahre alt geworden ist. Ein Thema für sich.
Es gibt noch viele andere Beispiele aus dem EStG, die weniger prüfungsrelevant sind. Aber hier kann es passieren, dass man im Alltag die Regelung liest und richtig anwenden muss. Beispiele:

 § 84 Abs. 2 EStG

Für Zulageberechtigte nach § 79 Satz 1, die zu Beginn des Beitragsjahres (§ 88) das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhöht sich


Beispiele aus dem BGB:

Geschäftsunfähig ist:

§ 104 BGB  Geschäftsunfähig ist ...
Nr. 1 wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat,
§ 106 BGB (beschränkte Geschäftsfähigkeit)

Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.
Wo steckt hier die Falle? Die Formulierung "der das siebente Lebensjahr vollendet hat" ist ausnahmsweise unproblematisch, mangels Verneinung. Also wirklich "ab Sieben". Aber Achtung: Ein Minderjähriger, also jemand, der noch nicht 18 ist, also bis 17.

§ 828 Absatz 1 BGB, Haftung von Kindern, erste Stufe:
Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.
 Also: die Regelung gilt für Altersstufe 0-6
§ 828 Absatz 2 BGB, Haftung von Kindern, zweite Stufe
Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat,...
Also: Altersstufe 7 - 9

§ 1303 BGB Ehemündigkeit

(2) Das Familiengericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist.

Das ist positiv formuliert und insofern KEINE Falle. Es gilt wirklich: ab 16

§ 1617b BGB: so erhält das Kind auf seinen Antrag oder, wenn das Kind das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat

§ 1741 BGB: oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

§ 207 BGB: bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, (also bei Kindern bis 20)

§ 622 Absatz 2 letzter Satz BGB (Arbeitsrecht, Kündigungsfrist):

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt. 
(Achtung - diese Regelung ist wegen eines BVerfG-Urteils derzeit nicht anwendbar, obwohl sie immer noch im Gesetz steht.