Eine Anfrage einer Fernlehrteilnehmerin bezog sich darauf, ob sie die Zusammenhänge von Verzug, Schadenersatz und Rücktrittsmöglichkeit richtig verstanden hat. Die Zusammenhänge sind nicht einfach, ich möchte sie hier nochmals verdeutlichen:
Zu 1. Bei Verzug (liegt vor bei Verzögerung + Mahnung/Mahnungssurrogate + Vertretenmüssen) kann einfacher Schadenersatz verlangt werden. Es kann also der Verzögerungsschaden abgewälzt werden.
Zu 2. Bei Verzug + Fristsetzung (es reicht eigentlich auch Verzögerung + Fristsetzung, aber natürlich gilt das erst recht bei Verzug + Fristsetzung) kann außerdem Rücktritt/SchE statt der Leistung gewählt werden (wobei man wissen muss, dass der "Schadenersatz statt der Leistung" etwas anderes als bloßer Schadenersatz ist).
Zu 3. Bei "nur Verzögerung" ohne Mahnung/Mahnungssurrogat kann kein Schadenersatz verlangt werden.
Das ist eben die Bremse, die der Gesetzgeber in § 280 BGB eingebaut hat. Beispiel: Der Eisverkäufer hat eine neue Eismaschine bestellt, die sofort kommen sollte und die er dringend braucht. Der Lieferant liefert nicht sofort und hat das auch zu vertreten. Solange es jetzt noch an der Mahnung (oder Mahnungssurrogat) fehlt, liegt kein Verzug vor, der Eisverkäufer kann den täglichen Umsatzausfall nicht geltend machen.
Eigentlich wäre ja die Verzögerung alleine eine Schlechterfüllung des Vertrages, die gemäß § 280 BGB (bei unterstelltem Vertretenmüssen) zu Schadenersatz führt. Aber § 280 Absatz 2 verlangt, dass hier die zusätzlichen Voraussetzungen des § 286 erfüllt sein müssen, also dass "Verzug" vorliegt. Das erfordert eben auch Mahnung oder Mahnungssurrogat (das Vertretenmüssen, das § 286 verlangt, wäre schon bei § 280 dabei gewesen, ist also nichts Neues, Zusätzliches).
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Nun zur Sicht aus der Praxis, etwa eines Einkäufers, der dringend benötigte Ware (oder Anlagevermögen) bestellt hat. Nehmen wir an, ein Termin wurde nicht vereinbart. Die verzögerte Lieferung führt zu täglichem Schaden (Umsatzausfall; Band steht still; ein Ersatzgerät wird angemietet).
Die Lage ist also nun so:
a) Da kein Termin vereinbart wurde, wird eine Mahnung nötig sein, damit der Einkäufer den eventuellen Verzögerungsschaden abwälzen kann. Wenn nämlich nach der Mahnung immer noch nicht geliefert wird, kann der (von da an) täglich eintretende Verzögerungsschaden später geltend gemacht werden (er wird natürlich bis zur Lieferung abwarten, um dann den Gesamtschaden beziffern zu können). Dass der Lieferer die Verzögerung zu vertreten hat, wird gesetzlich vermutet, und kann unterstellt werden, solange der Lieferer nicht nachweist, dass er die Verzögerung nicht zu vertreten hat.
b) Der Einkäufer kann in der Mahnung gleich auch einen festen Termin nennen, bis wann er die Lieferung erwartet. Dann hat er auch die Voraussetzungen für einen späteren Rücktritt geschaffen und er könnte aus dem Vertrag ausbrechen und die Ware bei einem anderen Lieferer kaufen. Eine Fristsetzung wird übrigens immer auch als Mahnung betrachtet, er muss also das Wort "Mahnung" nicht verwenden.
c) Er kann die Fristsetzung auch nachholen: also erst mahnen (und den Verzug herbeiführen, also die Möglichkeit Schadenersatz zu verlangen) und in einer späteren Nachricht eine Frist setzen, und somit die Voraussetzungen für den Rücktritt einleiten.
Für einen Rücktritt über die Varianten b) und c) ist es nicht unbedingt nötig, dass der Lieferant die Verzögerung vertreten muss (anders vor der BGB-Reform 2002). Das Gesetz geht davon aus, dass es dem Käufer nicht zuzumuten ist, ewig abzuwarten - er muss aus dem Vertrag ausbrechen können und die Ware anderweitig kaufen können (letzteres könnte er natürlich sowieso, aber er will nicht Gefahr laufen, dass er am Ende auf zwei Lieferungen sitzt). Der Lieferer muss das Risiko akzeptieren, dass er dieses Geschäft verliert.
Lediglich wenn er "Schadenersatz statt der Leistung" (über die Varianten b und c) verlangen will, was einem Rücktritt in Kombination mit Schadenersatz ähnelt, ist das Vertretenmüssen wichtig. Ohne Vertretenmüssen kein Schadenersatz.