Sind ebay-Verkäufe C2C eigentlich zu versteuern? Angenommen, das Ganze wird ohne Gewinnerzielungsabsicht gemacht, oder die Sachen sind schon längere Zeit im Privatbesitz - da denkt der Laie doch nicht an eine Steuerpflicht. Schon gar nicht an eine USt-Pflicht.
Eine andere Antwort gibt das Finanzgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil Urteil vom 22. September 2010 –
1 K 3016/08 . Es hat entschieden, dass eine private Auktion auf der Internet-Plattform “e-bay” unter bestimmten Voraussetzungen den Verkäufer zur Zahlung von Umsatzsteuer verpflichtet.
Aus der Pressemitteilung des Gerichts: "Die verheirateten Kläger versteigerten über einen Zeitraum von etwa dreieinhalb Jahren auf “e-bay” mehr als 1.200 Gebrauchsgegenstände (im Wesentlichen Spielzeugpuppen, Füllfederhalter, Porzellan und ähnliche Dinge) und erzielten hieraus zwischen 20.000 € und 30.000 € jährlich. Damit lagen sie erheblich über dem Grenzbetrag, bis zu dem bei Anwendung der sog. Kleinunternehmerregelung (§
19 Umsatzsteuergesetz) im Regelfall keine Umsatzsteuer anfällt (jetzt: 17.500 Euro im Kalenderjahr). Die Kläger waren davon ausgegangen, dass die als “privat” deklarierten Verkäufe umsatzsteuerfrei seien, da sie lediglich Gegenstände veräußert hätten, die sie zuvor aus einer Sammlerleidenschaft heraus – und ohne die Absicht des späteren Wiederverkaufs – über einen langen Zeitraum hinweg erworben hätten. Das Fi-nanzamt hatte die Auktionen demgegenüber als umsatzsteuerpflichtig behandelt und aus dem Verkaufserlös den darin seiner Auffassung nach enthaltenen Umsatzsteueranteil herausgerechnet.
Der 1. Senat des Finanzgerichts hat die Besteuerung der Verkäufe als zutreffend angesehen und die Klage abgewiesen. Die Kläger sind als Unternehmer im Sinne des §
1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz anzusehen. Dies setzt voraus, dass es sich um eine nachhaltige Betätigung handelt. Hiervon ist nach Ansicht des Gerichts bei einer derart intensiven und auf Langfristigkeit angelegten Verkaufstätigkeit auszugehen. Diese sei mit erheblicher Intensität betrieben worden und habe einen nicht unerheblichen Organisationsaufwand erfordert. Darauf, dass das Auftreten nicht dem eines klassischen Händlers entsprochen habe, weil die Ware nicht schlicht “durchgehandelt” wurde, komme es nicht entscheidend an. Die Revision ist zugelassen worden und unter dem Az. V R 2/11 beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig.”
Anmerkungen:
Diese Fallgruppe enthält alle möglichen Aspekte, die unser Steuerrecht derzeit so skurril und unberechenbar macht. Ich unterrichte nun schon seit 20 Jahren, aber in den letzten Jahren ist das so extrem geworden, dass ich die Zusammenhänge kaum mehr vermitteln kann, ohne einen kleinen Lehrgang draus zu machen. Ich gehe deshalb nur auf folgendes Detail der USt-Pflicht ein:
Das, was das Finanzgericht anspricht, ist das Problem der Unternehmereigenschaft nach UStG. Danach ist jemand auch dann Unternehmer i.S.d. UStG, wenn er NICHT mit Gewinnerzielungsabsicht handelt, sondern einfach nur systematisch agiert, also mit so genannter Einnahmeerzielungsabsicht.
Ich z.B. habe über einige Jahre hinweg Ausstellungen gemacht und Bilder verkauft. Das musste (und konnte) ich nicht als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ansetzen, weil ich das Ganze ohne Gewinnerzielungsabsicht mache; ich hätte im Endeffekt für die meisten Jahre geringe Verluste ansetzen müssen/können. Auch wenn ursprünglich Gewinnerzielungsabsicht da war - ich habe die Tätigkeit aufrechterhalten, nachdem ich gemerkt hatte, dass meine Lehrtätigkeit ein gewinnbringendes Malen nicht zulässt. Auch hier spricht die Rechtsprechung (zu Recht) von so genannter "Liebhaberei". Den Namen darf man nicht so wörtlich nehmen, das ist nur die Umschreibung für diese Fälle der fehlenden Gewinnerzielungsabsicht.
Aber wegen des systematischen Vorgehens habe ich "Einnahmeerzielungsabsicht". Ich sei also USt-pflichtig, stellte sich überraschend bei einem Abstimmungsgespräch mit der Finanzbeamtin heraus. Denn für die USt reicht eben die Einnahmeerzielungsabsicht, so zumindest die bis jetzt herrschende Meinung und Rechtsprechung. Etwas, das man bald dringendst gesetzgeberisch angehen müsste.
Das nächste Skurrile ist, dass ich nicht unter die Kleinunternehmerregelung falle, obwohl ich weit unter der Umsatzgrenze liegen würde. Denn im USt-Recht gilt der "Einheitsunternehmer". Es werden die einzelnen Zweige nicht getrennt, sondern alle Umsätze aus Anwaltstätigkeit, aus Lehrtätigkeit (soweit ustpflichtig), aus künstlerischer Tätigkeit und aus gewerblicher Tätigkeit (gelegentliche IT-Geschäfte) werden zusammen genommen und dann erst geprüft, ob die Kleinunternehmergrenze überschritten ist. Damit entsteht natürlich auch eine Wettbewerbsverzerrung zu einem Angestellten, der nebenher malt.
Wenn der Verkäufer aus dem Fall des Finanzgerichts auf irgend einem anderen Gebiet selbständig ist, liegt er wahrscheinlich über der US-Grenze (17.500 Euro), im Gegensatz zu einem Angestellten, der nebenher handelt. Versuchen Sie mal, hier jemand rechtssicher zu beraten - da stöhnen auch die Steuerberaterkollegen.
Mir persönlich ist das mit der USt-Pflicht egal, soweit es meine Malerei betrifft. Allerdings sind diese seltsamen Regelungen (und/oder Auslegungen) eine Zumutung für den Bürger und eine Bremse für die Wirtschaft.
Dass nun auch noch bei privaten ebay-Verkäufern an die Umsatzbesteuerung gedacht wird, ist für mich der Hammer. Die Möglichkeit einer Differenzbesteuerung, die ich in der PDF-Datei von steuerberaten.de gefunden habe, habe ich allerdings noch nicht durchgeprüft. Auch so eine skurrile Erfindung aus den letzten Jahrzehnten, die nur Probleme aufwirft.
Und, wenn Sie noch nicht verwirrt genug sind: was das einkommensteuerliche betrifft, wird es erst richtig bunt.
Da gibt es die Möglichkeit
- der Einstufung als Gewerbe (systematisches Verkaufen + Gewinnerzielungsabsicht) und somit Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit (§ 16 EStG),
- falls nicht gewerblich, weil nur gelegentliche Tätigkeit, dann evtl. Einstufung als Spekulationsgeschäft und damit Einkünfte aus sonstiger Tätigkeit (§ 22 Nr. 2 iVm § 23 EStG), soweit die einzelnen Gegenstände innerhalb eines Jahres gekauft und verkauft wurden und dabei ein Gewinn entstanden ist. Hier gibt es Freigrenzen zu beachten (600 Euro). Diese Besteuerung wird oft fälschlicherweise als "Spekulationssteuer" bezeichnet.
Wann schafft man diese Spekulationsbesteuerung beweglicher Gegenstände endlich ab. . Eigentlich war da mal der Hauptgedanke an den Aktienhandel bzw. Wertpapierhandel. Das fiel stets mit unter diese Regelung. Wer privat binnen einer bestimmten Frist Wertpapiere kaufte und verkaufte und nach Abzug der Kosten Gewinn machte, musste den Gewinn bei der Einkommensteuer mit angeben. Der Gewinn wird nicht gesondert besteuert, sondern wird Teil des gesamten "zu versteuernden Einkommens"; je nach dem, wie weit der betreffende in der Progression ist, musste er hierauf bis zu 45 % Steuern zahlen. Diese Spekulationsfrist betrug sehr lange Zeit 6 Monate, vor einigen Jahren aber wurde sie auf 1 Jahr angehoben. Offenbar brauchte der Staat wieder mal Geld (wahrscheinlich um Wahljahr-Steuersenkungen zu finanzieren) und da schraubt man an vielen Rädchen, hier und dort, blickt ja eh keiner mehr durch.
Aber mit der Abgeltungssteuer-Reform wurde der private Handel mit Aktien - unbemerkt von den meisten - in die Einkunftsart "Einkünfte aus Kapitalvermögen" verschoben, so dass dort jetzt Aktiengewinne (bei An und Verkauf binnen eines Jahres natürlich) in denselben Topf wie Zinsen und Dividenden geworfen wird. Dort geht es dann kompliziert weiter - je nachdem kommt es zu einer Besteuerung über die Abgeltungssteuer (25 %) oder es fällt wieder in den gesamten Topf der zu versteuernden Einkommen". Aber das will ich hier nicht weiter erörtern. Jedenfalls: dass der Staat am privaten Aktienhandel mit verdienen will, ist gerade noch so vertretbar.
Aber was bleibt im § 23 EStG übrig: der An- und Verkauf von beweglichen Sachen binnen Jahresfrist und der An- und Verkauf von Grundstücken binnen 10-Jahres-Frist. Über die Grundstücke ließe sich streiten, aber das mit den beweglichen Sachen hätte man doch wirklich abschaffen können.
Nein, man hat ihn nur abgemildert. Man hat eine Einschränkung hinzugefügt, die in Satz 2 steckt, also: § 23 (1) Nr. 2 Satz 2 :
"Ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs."
Damit tauchen wieder tausend Fragen auf, und damit Rechtsunsicherheit am laufenden Band. Steuerfachleute haben damals den Kopf geschüttelt, aber da gleichzeitig soviele anderen Änderungen (Kapitalertragsteuer, Abgeltungssteuer, Bilanzmodernisierung, GWG-Regelung usw. usw.) kamen, bei denen nicht nur ein paar Details, sondern ganze Systeme umgeworfen wurden, waren alle damit beschäftigt, die vielen anderen Neuregelungen zu begreifen. Anders ausgedrückt: die sind sowieso den ganzen Tag nicht aus dem Kopfschütteln heraus gekommen. Die schütteln die Köpfe sogar im Schlaf.
Ach ja, was die immobilien betrifft: Die "Spekulationsbesteuerung" des § 23 griff früher mal nur bei An- und Verkauf binnen 2 Jahren (nochmals: 6 Monate bei beweglichen Sachen und Wertpapieren und 2 Jahre bei Immobilien). Das galt sehr lange, bis man die Frist auf 10 Jahre anhob. Ob das noch sachgerecht ist?
Warum greift niemand den § 23 generell an - er ist für mich nicht mehr nachvollziehbar, jetzt, da der Aktienhandel in eine andere Einkunftsart verschoben wurde. Aber wie soll das gehen, wenn kaum mehr jemand durchblickt und man einem Journalisten oder Redakteur wegen der Kompliziertheit nicht klar machen kann, was hier schief läuft. Und der Redakteur das wiederum den Leuten nicht klar machen kann, weshalb er auch nichts schreibt. Und die Fachleute haben keine Zeit zu protestieren, weil sie immer noch an den Änderungen der letzten Jahre kauen, und kaum zum Alltagsgeschäft kommen. Das ist keine Stammtischpolemik, sondern wirklich so - ich kenne genug Steuerberater, Dozenten und Finanzbeamte. Sie sagen es nur nicht laut. Oder nur unter Kollegen. "Es macht langsam keinen Spaß mehr" stöhnte eine Dozentenkollegin, und meinte damit das Stakkato an Gesetzesänderungen und immer komplizierteren Regelungen, die wir den Schülern oder Studenten beibringen müssen.
Jedenfalls - wegen der vielen Parameter kann man heute die Frage, ob ebay-Geschäfte steuerlich relevant sind, nur mit hundert Wenn-Dann-Varianten beantworten. Und es bleiben Abgrenzungsfragen wie die mit den Gegenständen des täglichen Lebens. Die sind wirklich nicht geklärt, da müsste man erst jahrelange Rechtsprechung abwarten, bis sich ein Bild ergibt.
Zur Besteuerung beim ebay-Handel, auf die Schnelle, ein paar Links:
OFD Koblenz:
http://www.fin-rlp.de/start/presse/pressemeldungen/detail/artikel/1363/350/index.html?tx_ttnews%5BpS%5D=1267403124&tx_ttnews%5Bpointer%5D=37&cHash=8bb1c033c5&tx_queofontresizer_pi1%5Bfontresize%5D=-1OFD Niedersachsen:
http://www.ofd.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=17534&article_id=68035&_psmand=110#faq_130