Samstag, 30. Dezember 2023

Arbeitsrecht: Minijobs und Mindestlohn

(Vorab eine Anmerkung: wer IHK-Prüfungen bis Frühjahr 2024 absolviert, für den gilt die Rechtslage 2023; wer IHK-Prüfungen ab Herbst 2024 absolviert, für den gilt die Rechtslage 2024).

Ab 2024 wird der gesetzliche Mindestlohn für alle Beschäftigten auf 12,41 Euro pro Stunde angehoben.

Mit der Mindestlohnerhöhung hat man auch die Grenze für Mini-Jobs angehoben, und zwar von bisher Euro 520 auf 538 Euro monatlich. Als Minijob bezeichnet man die sozialversicherungsbegünstigte Beschäftigung (auch "geringfügige Beschäftigung" bezeichnet), Rechtsgrundlage für Minijobs ist das Vierte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). In diesem Gesetz ist die Sozialversicherung geregelt.

 Mini-Jobber wird man künftig auch 538-Euro-Kräfte nennen (aktuell noch: 520,- Euro Kraft)

Zugegeben, ein großes Thema waren Mini-Job-Grenzen oder Mindestlohn bisher nicht in Prüfungen, insbesondere nicht in Industriemeisterprüfungen oder in Fachwirtprüfungen. Das Thema könnte aber durchaus mal gestreift werden. Und man sollte zumindest für die Praxis eine Ahnung davon haben. Wer Fortbildungen für Fachwirt, Industriemeister oder (technischer) Betriebswirt absolviert, muss als künftiger Arbeitgeber oder Vorgesetzter Ahnung vom Arbeitsrecht haben.

Allgemeines zum Minijob (bisherige Rechtslage 2023).

Gemäß Lexikon in der Arbeitsagentur für Arbeit ist die Definition: Minijobs sind geringfügige Beschäftigungen mit höchstens 520 Euro (ab 2024: 538 Euro) monatlichem Arbeitsentgelt oder einem Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr. Durch fehlende Beiträge zu den Sozialversicherungen sichern Minijobs sozial nicht ab.

Alternative Bezeichnungen:  520-Euro-Job, geringfügige Beschäftigung, kurzfristige Beschäftigung

Es gibt 2 Arten von Minijobs: 

  • Beim 520-Euro-Minijob darf das Arbeitsentgelt monatlich 520 Euro nicht übersteigen. Die Anzahl der Stunden, die Minijobberinnen und Minijobber im Monat arbeiten dürfen, ergibt sich aus dem Stundenlohn (auch für Minijobs gilt der gesetzliche Mindestlohn!)

  • Beim kurzfristigen Minijob darf der Arbeitseinsatz im Laufe eines Kalenderjahres 3 Monate oder insgesamt 70 Tage nicht überschreiten. Das monatliche Entgelt kann schwanken. Mehr zur kurzfristigen Beschäftigung erfahren Sie auf der Internetseite der Minijob-Zentrale: Die kurzfristige Beschäftigung.

Nachteile gegenüber sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

Wer einen Minijob ausübt, muss keine Beiträge an die Arbeitslosenversicherung abführen. Darin besteht ein grundlegender Nachteil des Minijobs: Minijobberinnen und Minijobber erwerben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Weitere Nachteiler ergeben sich bei den Sozialversicherungen und oft auch im Arbeitsrecht.

Geringer Rentenanspruch

In der Rentenversicherung sind Minijobberinnen und Minijobber pflichtversichert. Wer einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung stellt, kann sich von dieser Pflichtversicherung befreien lassen.

Wer langfristig als einzige Erwerbstätigkeit einen Minijob ausübt, hat im Alter nur einen sehr geringen Rentenanspruch, da der Pflichtbeitrag entsprechend der geringen Arbeitszeit sehr niedrig ist. Wer ausschließlich in Minijobs gearbeitet hat und dabei von der Rentenversicherung befreit war, hat am Ende seines Erwerbslebens keinerlei Rentenansprüche. In vielen Fällen heißt das: Minijobberinnen und Minijobber haben ein hohes Risiko für Altersarmut.

Kranken- und Pflegeversicherung

Der Arbeitgeber führt bei Minijobs zwar pauschal Beiträge zur Sozialversicherung ab, dennoch sind Minijobberinnen und Minijobber damit nicht automatisch kranken- und pflegeversichert. Erst ab einem Verdienst über 520 Euro (ab 2024: 538 Euro) zahlen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Kranken- und Pflegeversicherung ein und erwerben damit den Versicherungsschutz.

Bis 520 Euro Monatsverdienst (ab 2024: 538 Euro) müssen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer also anderweitig krankenversichern. Folgende Möglichkeiten gibt es hierfür:Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung


Arbeitsrecht im Minijob

Minijobberinnen und Minijobber gelten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz als Teilzeitbeschäftigte. Sie haben damit im Arbeitsrecht grundsätzlich die gleichen Rechte wie Vollzeitbeschäftigte. Dazu gehören
  • Kündigungsschutz,
  • Entgeltfortzahlung bei Krankheit des Kindes,
  • Urlaubsansprüche gemäß BUrlG
  • Vergütung an Sonn- und Feiertagen gem. BUrlG
  • Mutterschaftsgeld,
  • gesetzliche Unfallversicherung bei einem Arbeits- oder Wegeunfall (SGB VII)
  • besonderer Schutz für schwerbehinderte Menschen (SGB IX)
  • schriftliche Informationen über die wesentlichen Vertragsbedingungen (NachwG)
  • Arbeitszeugnis (§ 109 GewO, früher 630 BGB)

Die Praxis zeigt jedoch, dass vielen Angestellten mit Minijob diese Rechte verwehrt werden. Sie werden nur selten genauso behandelt wie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Entsprechend höft man oft von Kursteilnehmern: "Aber ich kenn das ganz anders")


Urlaubsanspruch

Minijobberinnen und Minijobber haben – wie andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch – einen Urlaubsanspruch. Wie viele Urlaubstage ihnen jährlich zustehen, hängt davon ab, wie viele Tage sie in der Woche arbeiten. Der in der Firma übliche Urlaubsanspruch (notfalls der gesetzliche Urlaubsanpruch nach § 3 BUrlG) muss mit einem Dreisatz umgerechnet werden.

Beispiel: Minijobber arbeitet an 3 Tagen die Woche. Im Unternehmen beträgt der Urlaubsanspruch 30 Tage bei einer 5-Tage-Woche.

30 : 5 x 3 = 18 Tage

2. Beispiel: Minijobber arbeitet wieder 3 Tage die Woche. Im Unternehmen gibt es keine besondere Regelung, also wird nach BUrlG abrechnet. Dort gibt es 24 Arbeitstage bei einer 6-Tage-Woche (Ihnen ist als Lernender hoffentlich bekannt, dass das Gesetz die 6-Tage-Woche nicht erwähnt, aber voraussetzt).

24 : 6 x 3 = 12 Tage


Minijob als Nebenbeschäftigung

Wer zusätzlich zum sozialversicherungspflichtigen Hauptjob einen Minijob ausüben will, braucht dafür das Einverständnis seines Hauptarbeitgebers.

Bleibt es bei einem Minijob, ist dieser nicht versicherungspflichtig. Kommen weitere Minijobs hinzu, müssen dafür Beiträge an die Sozialversicherung abgeführt werden. Wer keinen  sozialversicherungspflichtigen Hauptjob, dafür aber mehrere Minijobs bei verschiedenen Arbeitgebern hat, muss den Überblick über seine Einkünfte behalten: Es gilt die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro (ab 2024: 538 Euro). Überschreitet das monatliches Arbeitsentgelt diesen Betrag, werden Beiträge für die Sozialversicherung fällig.

Dienstag, 12. September 2023

Gedanken zur Frühjahrsprüfung der Fachwirte

Die Prüfung der Fachwirte habe ich als Korrektor intensiver erlebt, als wenn ich sie nur "gelesen" hätte. Und ein paar Gedanken hierzu möchte ich - sowohl für Lernende als auch für Dozenten - aufgreifen.

Betriebsrat: Befreiung vs. Freigabe

Unter anderem tauchte das Thema "Tätigkeit von Betriebsratsmitgliedern" auf. Da waren eigentlich schöne, klar strukturierte Einzelfragen, die leicht zu beantworten waren, wenn man sich damit beschäftigt hatte (aus dem Stegreif weniger)

Das BR-Mitglied arbeitet bekanntlich "ehrenamtlich"(so sagt es § 37 BetrVG),  aber während der Arbeitszeit und ohne Lohnabzug. Er erhält also immerhin den normalen Lohn. Und wenn er außerhalb seiner Arbeitszeit als BR-Mitglied tätig wird, bekommt er entsprechend (bezahlte) Freizeit.

Das nennt man "Arbeitsbefreiung" und ist detailliert in § 37 BetrVG geregelt. 

Daneben gibt es die "Freistellung" im Sinne von § 38 BetrVG. Hier geht es darum, dass jemand komplett von seiner ursprünglich vereinbarten Arbeitstätigkeit befreit ist und den ganzen Tag seiner BR-Tätigkeit widmen kann. Diese Unterscheidung "Befreiung" und "Freistellung" wurde von den Prüflingen reihenweise verwechselt. Damit meine ich nicht nur die Begriffe selbst, sondern den inhaltlichen Unterschied. Dementsprechend wurden auch die falschen Paragraphen zur Lösung des Falls herangezogen. 

Für meinen Unterricht bedeutete dies, dass ich künftig auf diese Verwechslungsgefahr hinweise.

Arbeitsplatz im Sinne von §§ 90,91 BetrVG

Da gibt es eine weitere Verwechslungsgefahr, die mir nicht bewusst war. Dabei geht es um die Mitwirkungsrechte bei personellen Angelegenheiten, geregelt als § 92 BetrVG. Das umfasst die allgemeine Personalplanung (§§ 92 ff), dann die Einstellung und Versetzung konkreter Personen (§§ 99 ff) bis hin zur Kündigung konkreter Personen (§ 102).

Bei der Frage, inwieweit der BR bei der Personalplanung Mitbestimmungsrechte hat, war also nur der § 99 bzw. der entsprechende Abschnitt zu finden, und damit wäre die Aufgabe problemlos lösbar gewesen. Sehr viele Prüflinge haben aber §§ 90,91 bemüht, also den Abschnitt über den "Arbeitsplatz". Genau genommen heißt die 'Abschnittsüberschrift "Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung". Diese Vorschriften haben überhaupt nicht zur Aufgabe gepasst. Natürlich geht es bei der Personalplanung um das Interesse an Erhalt und Ausbau von "Arbeitsplätzen". Aber §§ 90,91 meinen nicht den "Arbeitsplatz" im Sinne von Arbeitsverhältnis, sondern geregelt wird dort der Arbeitsplatz im technischen Sinne: wie ist er gestaltet, wie ist der Ablauf am Fließband etc.

Eine zunächst verständliche Verwechslung (auf die ich im künftigen Unterricht hinwies/hinweise). Wer aber in der Lernphase mehr als nur die Überschriften überflogen hat, konnte einer solchen Verwechslung eigentlich nicht zum Opfer fallen. außerdem hätte man auch in einer Prüfung genug Zeit gehabt, um den Inhalt des § 90 näher zu lesen und zu erkennen, dass die Regelung nicht passt.

Montag, 31. Juli 2023

KDR-OG statt DSGVO - Beispiel für gesonderten Datenschutz für die Kirche

Bei einer Web-Recherche zum Malteserdienst "Essen auf Rädern" fiel mir auf, dass hier  bei der Datenschutzerklärung andere Rechtsbestimmungen genannt werden, als ich es gewohnt bin. Da stand hier nichts von DS-GVO, sondern es wurde die KDR-OG genannt.

Tatsächlich gilt für diese kirchliche Einrichtung ein eigenes Gesetz, die KDR-OG, die inhaltlich der DSGVO ähnelt. Das wusste ich bis dahin nicht. Ich unterrichte seit einigen Jahren auch Datenschutz, so wie es etwa bei Meisterprüfungen verlangt wird. Dazu gehört vor allem die Anwendung im Arbeitsrecht. Und als Webseitenbetreiber und -pfleger musste ich mich auch mit dem Datenschutz beschäftigen, und zwar im Rahmen der Datenschutzerklärung (die letztlich wegen Art 13 DS-GVO notwendig ist).

Alle gängigen Lehrbücher, Aufsätze und Broschüren klammern diesen kuriosen Punkt aus - die Mitarbeiter von kirchlichen Institutionen wissen es auch so. Dass es hier Sondervorschriften für die Kirche gibt, ist natürlich nicht prüfungsrelevant, sondern nur am Rande interessant. 

Art 91 DS-GVO erlaubte den  kirchlichen Einrichtungen eigene Datenschutzgesetze, unter der Voraussetzung, dass die schon vor dem Inkrafttreten des DSGVO  existierten und dass sie dem Mindeststandard des DSGVO angepasst werden. Das haben die Kirchen getan, denn hier existierten schon vorher strenge eigene Regelungen, die nur noch geändert werden musste. Meist sind die Regelungen fast identsich mit der DSGVO und haben nur einige abweichende Stellen oder Nummerierungen.

Dabei gibt es offenbar mehr als nur die oben genannte KDR-OG der Malteser. Ein Überblick:

  • Evangelische Kirche: DSG-EKD
  • Katholische Kirche: KDG
  • Es gibt eigene KDG für die Militärseelsorge
  • KDR-OG: für diejenigen Orden, die direkt dem Papst unterstehen – dazu gehören die großen bekannten Orden wie die Benediktiner und Jesuiten – gibt es außerdem die "Kirchliche Datenschutzregelung der Ordensgemeinschaften" (KDR-OG), die formal von jedem einzelnen Orden erlassen wurde, in der Praxis aber in allen Gemeinschaften identisch ist. Die KDR-OG tauscht einige Begriffe im Vergleich zum KDG aus, ist ansonsten aber identisch aufgebaut.

Mehr Einzelheiten: https://stiftungdatenschutz.org/ehrenamt/praxisratgeber/praxisratgeber-detailseite/kirchlicher-datenschutz-352

Eine Synopse speziell zur KDR-OG fand ich hier:

https://novidata.de/datenschutz-news/posts/unterschiede-zwischen-dsgvo-und-gesetz-ueber-kirchlichen-datenschutz-kdg/