Mittwoch, 26. Januar 2011

AGB im Arbeitsrecht – BAG zur unwirksamenÜberstundenpauschalierungsabrede

Der Beitrag richtet sich an Studenten der Betriebswirtschaft, aber auch an alle Praktiker, die mit Arbeitsrecht zu tun haben.

Ein Urteil des BAG vom September 2010 dürfte und müsste eigentlich alle Personalabteilungen in Aufregung versetzen. Es floss aber nicht in die Pressemitteilungen ein und ist deshalb zwischen anderen aufsehenerregenden BAG-Urteilen untergegangen.


Das Urteil vom 1.9.2010, 5 AZR 517/09, betrifft  vorformulierte Überstundenpauschalierungsvereinbarungen. Diese können gegen das AGB-Recht (Recht der   Allgemeinen Geschäftsbedingungen, § 305 ff BGB, seit 2002 auch auf Arbeitsverträge anwendbar) verstoßen.

Der Leitsatz lautet:

Die AGB-Klausel "erforderliche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgegolten" genügt nicht dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt.


Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt folgende Bedingungen































































        








„§ 2   

        






Die Beschäftigung erfolgt entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen im 1- oder im 2- oder im 3-Schicht-System.

        






Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, seine Arbeitsleistung bei entsprechendem Bedarf und auf ausdrückliche Weisung hin auch an Samstagen zu erbringen.

        






…       

        






Die Arbeitszeit wird im 1- oder 2- oder im 3-Schicht-System zunächst wie folgt geregelt:

        






...     

        






Der Arbeitnehmer erklärt sich zudem ausdrücklich bereit, seine Tätigkeiten in Fällen betrieblicher Notwendigkeit auch außerhalb der oben festgelegten Arbeitszeiten, in den Nachtzeiten, an den Wochenenden und an Feiertagen zu erbringen.

        






Überstunden sind zu leisten, sofern diese zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten Leistung gemäß der anliegenden Tätigkeitsbeschreibung erforderlich sind.

        






§ 3     

        






Für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Bruttogehalt iHv. Euro 3.000,00.

        






Das Bruttogehalt bezieht sich auf 45 Arbeitsstunden wöchentlich. Davon sind 38 Normalstunden und 7 Mehrarbeitsstunden. Die Mehrarbeitsstunden können im Falle betrieblicher Erfordernisse jederzeit ganz oder teilweise abgebaut und verrechnet werden.

        






Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten.

        






…“    


Das AGB-Recht ist auch auf vorformulierte Vertragsbedingungen in Arbeitsverträgen anwendbar. Nach Ansicht des BAG verstößt die Abgeltungsregelung in § 3 des Vertrages gegen das Transparenzgebot, § 307 BGB, und ist somit unwirksam.

Das Urteil muss aber mit Vorsicht genossen werden - es kommt auf die Feinheiten an. Diese haben letztlich mit dem ewig problematischen Unterschied von Überstunden und Mehrarbeit zu tun, was erst herauskommt, wenn man die vom BAG zitierte weiteren Urteile liest.

Zur Erinnerung:


  • Überstunden = Überschreiten der vertraglich vereinbarten (normalen, regelmäßigen) Arbeitszeit

  • Mehrarbeit = Überschreiten der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit nach ArbZG (oder einer abweichend geregelten Tarifarbeitszeit)


Mehrarbeit kann in bestimmten Fällen durchaus zulässig sein. Fraglich ist, genauso wie bei Überstunden, die Frage der Entlohnung. Für die Vergütung von Überstunden und Mehrarbeit bestehen keine besonderen gesetzlichen Regelungen, weshalb Abgeltungen in Einzelverträgen grundsätzlich denkbar sind.

Die oben genannte Klausel ist nach Ansicht des BAG intransparent, weil nicht klar hervorgeht, ob neben den normalen Überstunden auch Mehrarbeitstunden abgegolten sind, was aus Sicht des Arbeitnehmers nicht selbstverständlich ist.

Weitere Feinheten werden aus folgendem Ausschnitt aus der Urteilsbegründung deutlich, wobei die Nummern links vom Text die zitierfähigen Randnummern des Urteils sind.




























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b) Die in § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam.










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aa) Wird davon ausgegangen, dass eine Regelung wie die streitbefangene die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft (zum Meinungsstand vgl. ErfK/Preis 10. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 91 f.; HWK/Gotthardt 4. Aufl. Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 39), unterliegt sie gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB gleichwohl der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bedingung nicht klar und verständlich ist. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, BAGE 124, 259; 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 45, BAGE 115, 372). Eine Klausel muss im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreiben. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält.










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bb) Eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel ist nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst werden sollen (vgl. ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 91; HWK/Gotthardt Anh. §§ 305 - 310 BGB Rn. 39; Hromadka/Schmitt-Rolfes NJW 2007, 1777, 1780; Bauer/Chwalisz ZfA 2007, 339, 354). Andernfalls ließe sich nicht erkennen, ab wann ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung besteht. Der Umfang der Leistungspflicht muss so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen kann, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. BAG 5. August 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 14, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 10; 11. Oktober 2006 - 5 AZR 721/05 - Rn. 28, AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6). Aufgrund einer unklar abgefassten Pauschalierungsklausel besteht die Gefahr, dass der Arbeitnehmer in der Annahme, er habe keinen Rechtsanspruch auf eine gesonderte Überstundenvergütung, seinen Anspruch nicht geltend macht.










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cc) § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrags ist nicht klar und verständlich. Diese Klausel soll alle Arbeitsstunden erfassen, die die vereinbarten 45 Wochenstunden überschreiten. Deren Umfang ist im Arbeitsvertrag nicht bestimmt. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit (vgl. zu dieser Auslegungsmöglichkeit BAG 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) entnehmen. Aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 („erforderliche Überstunden“) ergibt sich eine solche Beschränkung jedenfalls nicht. Nach § 2 letzter Absatz des Arbeitsvertrags sind Überstunden zu leisten, sofern diese zur Erfüllung der geschuldeten Leistung gemäß der anliegenden Tätigkeitsbeschreibung erforderlich sind. Das Vertragswerk bietet vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass es zu Überschreitungen der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeiten kommen könnte. Die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Schichtpläne gehen von durchschnittlich 45 Wochenarbeitsstunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche aus. Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit sollte sich danach auf neun Stunden belaufen. Samstagsarbeit war nach Bedarf zu leisten. Die Tätigkeitsbeschreibung verpflichtete den Kläger, seine Mitarbeiter im Rahmen der Sicherstellung der technischen Verfügbarkeit sämtlicher Anlagen im 24-Stunden-Betrieb auch außerhalb seiner Arbeitszeiten telefonisch, nötigenfalls auch durch seine persönliche Anwesenheit bei der Störungsbeseitigung zu unterstützen. Danach lag die Überschreitung der öffentlich-rechtlich geregelten Arbeitszeit nicht fern. Hinzu kommt das unklare Verhältnis der in Abs. 3 des § 3 getroffenen Regelung zu der in Abs. 2.




Übrigens: der Unterschied von Mehrarbeit und Überarbeit ist in Wikipedia nicht hinreichend verdeutlicht. Allerdings wird der Begriff nirgends einheitlich definiert, selbst die Gesetze benutzen den Begriff unterschiedlich. Einen schönen Beitrag finden Sie in diesem Beitrag von Tobias Michel, verdi, auf: http://www.die-welt-ist-keine-ware.de/schichtplanfibel/mehrarbeit.htm

Der BAG meint laut  BAG-Entscheidung (vom 3.12.2002 - 9 AZR 462/01 ) die  Mehrarbeit  die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Zeit. Damit wird Arbeit über acht Stunden hinaus zur Mehrabeit. Denn das BAG blickte auf § 3 ArbZG und § 37 Abs. 3 BetrVG.

Das Urteil bietet Studierenden eine schöne Gelegenheit, sowohl die Regeln des Arbeitsrecht als auch die Regeln des AGB-Rechts zu vertiefen.

Dienstag, 25. Januar 2011

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Ein Beitrag für die Steuerfachausbildung (Dozenten und Schüler) und Steuerberater zur Änderung der AEAO vom 21.12.2010.

Das BMF hatte am 21.12.2010 die Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) beschlossen, die sofort in Kraft getreten sind. Die AEAO ist ein verwaltungsinterne Anweisung über die Interpretation einzelner AO-Bestimmungen, und damit so eine Art Richtlinienwerk. Änderungen der AEAO sind nur ausnahmsweise für die Ausbildung interessant, eher noch für die Praxis


Eine Auswertung der Änderung ergibt nichts Spektakuläres, was im Unterricht zu beachten wäre. Praktiker können sich vielleicht für das eine oder andere interessieren.

Folgende Regelungen sind von den Änderungen betroffen:


  • Änderung in Punkt 8  zu § 30 AO – Steuergeheimnis. Punkt 8 zu § 30 AO befasst sich mit der Frage, wann ein zwingendes öffentliches Interesse an einer Offenbarung von Informationen besteht und welche Rechtsfolgen damit verbunden sind.

  • Nummer 4 zu § 31 b AO (Mitteilung zur Bekämpfung der Geldwäsche), nach der die Finanzverwaltung bislang die Ansicht vertrat, dass § 31 b AO es nicht erlaube, Gewerbebehörden zum Zwecke der Durchführung eine Bußgeldverfahrens nach § 17 GewG zu informieren, wurde ersatzlos gestrichen.

  • Mit der neu eingefügten Nr. 3 Abs. 3 zu § 107 AO, der das Entschädigungsrecht von Auskunftspflichtigen und Sachverständigen regelt

  • Nr. 3.1.5.1 der Regelung § 122 AO (Bekanntgabe von Verwaltungsakten) befasst sich mit der schwierigen Frage, wann die Finanzverwaltung von der Möglichkeit der öffentlichen Zustellung Gebrauch machen darf. Die Voraussetzungen wurden verschärft - die Finanzbehörden dürfen nicht schon bei den ersten Zustellungsschwierigketen von einem unbekannten Aufenthaltsort ausgehen und die öffentliche Bekanntmachung anordnen.

  • Änderungen der AEAO zu § 171 AO (Ablaufhemmung) in Zusammenhang mit Betriebsprüfungen.

  • Klarstellungen zu § 361 AO (Aussetzung der Vollziehung) darüber, wann man von vollziehbaren Verwaltungsakten ausgehen darf.

Link zum entsprechenden BMF-Schreiben:

BMF, Schreiben v. 16.12.2010, IV A 3 – S 0062/08/10007-09



Samstag, 22. Januar 2011

Wie geht es weiter mit ELENA?

Auch wenn die Bundesregierung noch über das weitere Vorgehen zu ELENA berät, läuft das Meldeverfahren weiter. Allerdings sind aktuell einige Änderungen zu beachten.

Viele Medien verkündeten bereits, das Projekt sei gestorben. In Wirklichkeit läuft das Projekt ELENA  weiter - aber seit Jahresbeginn 2011 in einigen meldetechnischen Punkten ein wenig anders als bisher.



Änderungen seit 1.1.2011 bei der Rückmeldung an Arbeitgeber

DasBundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte bei der Genehmigung  von ELENA  zur Auflage gemacht, dass künftig nur noch elektronische Rückmeldungen zum Einsatz kommen. Beim Datenversand muss der Arbeitgeber im Datensatz „Kommunikation“ daher auswählen, wie er die Rückmeldungen der zentralen Speichersteller erhalten möchte. Aktuell gilt:

Für  Meldedateien, die ab 1.1.2011 erstellt werden, stehen nur noch die Optionen "J" (Rückmeldung per E-Mail) und "K" (Rückmeldung über den Kommunikationsserver) zur Verfügung.

Nicht mehr auswählbar ist die Option "N" (Papiermeldung).

Die beiden Optionen "J" und "K" sind auch weiterhin unabhängig vom gewählten Übermittlungsweg der Meldedateien an die ZSS nutzbar.

Die Zentrale Speicherstelle empfiehlt generell auch heute schon die Nutzung des Kommunikationsservers (Merkmal "K"). Wird bei Datensendungen ab 2011 versehentlich noch die Option "N" für Papiermeldung gewählt, bietet die ZSS die Rückmeldung daher auch folgerichtig über den Kommunikationsserver zur Abholung an.

Alle Rückmeldungen werden auf dem Kommunikationsserver zur Abholung bereitgestellt. Holt der Arbeitgeber die Rückmeldungen innerhalb bestimmter Fristen nicht ab, wird er durch E-Mails darauf hingewiesen und erinnert. Künftig gilt: erfolgt die Abholung  nicht innerhalb von 40 Tagen, werden die Rückmeldungen  gelöscht und stehen nicht mehr zur Abholung bereit.

Datenbaustein DBKE nun in Version 2 ohne Freitextfelder

Der Datenbaustein DBKE wird im ELENA-Verfahren bei Kündigungen, Aufhebungsverträgen und dem Ende der Beschäftigung durch Fristablauf verwendet. Bis 31.12.2010 waren die in der Version 1 des Datensatzes enthaltenen Freitextfelder nicht auszufüllen. Der Verzicht auf die Nutzung dieser ursprünglich geforderten Angaben war eine kurzfristige Reaktion auf die  Kritik der Datenschützer. Dies sorgte für  Ärger, denn wenn die Felder trotzdem befüllt wurden, löste dies eine Fehlermeldung aus.

Seit 1.1.2011 kommt  die Version 2 des Datenbausatzes DBKE zum Einsatz. Hier sind die umstrittenen Freitextfelder gar nicht mehr enthalten. Versehentliche Angaben sind daher an dieser Stelle gar nicht mehr möglich.

Sendungsverfolgung bei ELENA bald online


Ab Mitte Februar 2011 bietet die ZSS eine "Sendungsverfolgung" über das Internet an. Dieser Service wendet sich an alle Stellen, die Datensendungen absetzen, also  Arbeitgeber, Lohnbüros, Steuerberater. Zur Nutzung ist eine Registrierung erforderlich. Danach können sich die Anwender über die Arbeitgeber-Betriebsnummer und das persönliche Passwort anmelden.Die ZSS hofft, damit viele zeit- und kostenintensiven Beratungen der ELENA-Hotline zu vermeiden.

Wie geht es weiter mit ELENA?


Dass es in irgendeiner Form mit ELENA weiter geht, das ist  anzunehmen, auch wenn der Normenkontrollrat über die Einzelheiten berät. Die Meldungen müsse jetzt schon und auch weiterhin erfolgen, der  Datenabruf durch die Sozialleistungsträger wird sich verschieben - wahrscheinlich von 2012 auf 2014.

Freitag, 21. Januar 2011

Was ist jetzt nun mit der Anpassung der Arbeitnehmerpauschale 2011?

Die Meldung ging am 19. Januar durch die Medien. Union und FDP haben ihren Streit zum Steuervereinfachungsgesetz ausgeräumt: Die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages von 920 EUR auf 1.000 EUR soll bereits in diesem Jahr, also 2011 voll umgesetzt werden.

Nanu, fragt sich der Beobachter, das war doch schon beschlossen, oder? Jedenfalls gab bis Ende Dezember unzählige Meldungen im Internet, was sich 2011 ändert, worin auch die Erhöhung der Werbungskostenpauschale aufgeführt wurde. Und wie soll das ablaufen - ist die WK-Pauschale schon in der Lohnsteuertabelle berücksichtigt? Oder was bedeutet die Nachricht "der Steuervorteil von bis zu 36 EUR im Jahr soll mit der Lohnabrechnung im Dezember an die Arbeitnehmer weitergereicht werden".


Bringen wir Licht in die Sache. Es gibt ein Jahressteuergesetz 2010, ein Steuervereinfachungsgesetz 2011, und diverse kleinere Gesetze, in denen Änderungen des Einkommensteuerrechts für 2011 angeordnet wurden.

Das Jahressteuergesetz 2010 (zur Gesetzgebungsgeschichte siehe diese Tabelle) enthält zahlreiche Änderungen des ESt-Rechts, die zum großen Teil ab 1. Januar 2011 gelten. Es wurde, wie mitlerweile schon üblich, erst im letzten Moment, nämlich im Dezember verkündet. Entsprechend gab es Aufsätze im Internet über den Beschluss und eine Auflistung von Änderungen für das Jahr 2011. Dabei erschien aber auchdie Meldung von der Erhöhung der AN-Pauschale. Diese ist aber im Jahressteuergesetz nicht enthalten, sondern im Steuervereinfachungsgesetz 2011, das erst als Entwurf gilt und im Laufe des Jahres 2011 veröffentlicht wird. Das Vorhaben, den Arbeitnehmerpauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a EStG) anzupassen, ist in diesem Gesetz enthalten und war eine der Kernstücke der Reform, die mit dem Gesetz beabsichtigt wurde. Die Änderung war nur eine Absicht, die Frage, ob beschlossen ist oder nicht, keine Frage des Gesetzesbeschlusses, sondern ein politisch interner Beschluss, ob man die Regelung im Gesetzesentwurf aufnehmen soll. Typischerweise werden solche "Beschlüsse" in den Nachrichtenmeldungen mit echten Gesetzesbeschlüssen vermischt. Darüber habe ich schon öfters berichtet.

Die Änderung hätte somit rückwirkend erfolgen müssen. Das ist technisch schwer machbar, wie es überhaupt einige Punkte im 41-Punkte-Maßnahmekatalog gibt, die man nicht rückwirkend für Anfang 2011 umsetzen kann. Zudem intervenierte Schäuble, dass er den Haushalt 2011 nicht weiter belasten werden wolle. Deshalb kam es noch im Dezember 2010 - entgegen den Nachrichtenmeldungen - zu einem relativ unbemerktem Streit darüber, ob ab Anfang 2011 die WK-Pauschale  angepasst werden soll. Auch bei vielen weteren Punkten gab es ein Umschwenken, was den Zeitpunkt der Änderungen betriff - wollte Schäuble ursprünglich, dass "alles, was geht" schon 2011 rechtswirksam ist, wollte die Regierung den Großteil erst 2012 wirksam werden lassen. „Die Steuervereinfachung wird zu einer Posse“, sagte Reiner Holznagel, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler und die Welt meldete "aus der großen Steuerreform wird eine Minireform".

Mitte Januar dann die politische Einigung (noch lange nicht Gesetz!) zwischen Union und FDP im Bundestag und  Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die Lösung entspricht einem Kompromissvorschlag, den Schäuble am Montag noch abgelehnt hatte. Er wollte die Anhebung erst 2012 umsetzen, damit der Haushalt im laufenden Jahr nicht belastet wird.

Nach der jetzigen Lösung müssten die Arbeitgeber nur die Dezember-Gehaltsabrechnung ändern. Die Arbeitnehmer haben damit zu Weihnachten mehr Geld in der Tasche. Zudem müsste niemand dafür eine zusätzliche Steuererklärung abgeben. Der Witz dabei ist, dass die Lohnsteuerabführung an den Fiskus für Dezember 2011 erst im Januar 2012 erfolgt, weshalb der Staatshaushalt in 2011 nicht belastet werde.

Der Vorteil beträgt durchschnittlich 36 EUR im Jahr, heißt es; natürlich hängt das wegen der Progression vom Einzelfall ab. 1000 Euro - 920 Euro ergibt 80 Euro erhöhte Pauschale, somit 80 Euro weniger zu versteuern. Je nach individuellem Steuersatz ergibt sich damit eine Steuerersparnis von ein paar Cent für Geringverdiener bis 45 Euro für Großverdiener.

Damit ich nicht denselben Fehler mache, der den Medien passiert, weise ich nochmals darauf hin: das ist nur ein Vorhaben, das politisch intern beschlossen ist. Die Änderung ist Teil des Referentenentwurfs, der noch durch viele Lesungen gehen muss und irgendwann in 2011 zum Gesetz wird. Bis dahin kann sich noch vieles ändern.





Donnerstag, 20. Januar 2011

Was gibt es Neues in Sachen Buchführung?

Zwei Steuerrechtsänderungen sind für die Steuerfachausbildung und für Buchführungslehrer interessant: Wegfall der degressiven AfA und die Bewertung von Einlagen.

1. Wegfall der degressiven AfA im Jahre 2011 (§ 7 Abs. 2 EStG)

Die degressive AfA ist endgültig weggefallen. Gerade Buchführungslehrer im kaufmännischen Bereich fragen gern nach, ob das jetzt wirklich sicher ist. Aber es ist so, und zwar ohne ausdrückliche Gesetzesänderung. Denn die degressive AfA wurde von vornherein nur für zwei Jahre, 2009 und 2010, bestimmt, und läuft somit nach Gesetzeswortlaut aus. Für Neuanschaffungen gibt es keine degressive Abschreibung. Für früher angeschafftes Anlagevermögen, für das damals degressive AfA gewählt wurde und werden durfte, bleibt es natürlich bei der degressiven Abschreibungsmethode. Darum gibt es die degressive AfA in der Praxis weiterhin.


Ob bei künftigen IHK-Prüfungen die degressive AfA noch geprüft wird (vor allem für fortgeschrittene Schüler mit Rechtsstand 2010), kann ich nicht sagen - hier bleibt abzuwarten, was die IHK hierzu veröffentlicht.

Aufgrund der positiven Konjunkturaussichten hat sich der Gesetzgeber nicht veranlasst gesehen, eine Verlängerung zu schaffen.

Die Geschichte der Änderungen ist grotesk. In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber die degressive AfA wie folgt verändert:
































Anschaffung/ Herstellung Höhe der degressiven AfA (höchstens)
vor 2001 3-facher linearer AfA-Satz, max. 30 %
2001 - 2005 2-facher linearer AfA-Satz, max. 20 %
2006 - 2007 3-facher linearer AfA-Satz, max. 30 %
2008 entfallen
2009 - 2010 2,5-facher linearer AfA-Satz, max. 25 %
2011 entfallen

Für den Gesetzgeber waren das nur kleine Korrekturen, um den Haushalt richtig zu finanzieren. Er hat aber nicht bedacht, welche Umstellung dies jeweils für die gesamte Ausbildung, für die Fachliteratur, für die Steuer-Software und für die Unternehmer und Buchhalter in der Praxis dies bedeutet. Schließlich müssen diese auch noch tausend andere Änderungen mit verfolgen und verstehen.

2. Einlage von Wirtschaftsgütern, die zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzt wurden (fortgeführte Anschaffungskosten; § 6  Nr. 5, § 7 EStG)

Hier hat sich schon im Oktober 2010 etwas geändert. Ein BMF-Schreiben vom 27.10.2010 hat dies klargestellt.

Die Änderung betrifft die buchhalterinsche Bewertung von Sach-Einlagen, und zwar speziell für den Fall, dass der Gegenstand vorher für eine der so genannten Überschusseinkunftsarten verwendet wurde (vierte bis siebte Einkunftsart, also Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Einkünfte aus Kapitalvermögen und  "Sonstige Einkünfte"). In der Praxis sind dies meistens Gebäude, die für private  Vermietung und Verpachtung verwendet wurden und dabei natürlich auch die AfA als Aufwand angesetzt wurde.

Die Änderung ist etwas kompliziert, und ist deshalb für die Buchführung in kaufmännischen Berufen nicht relevant sein. Denn dort wird weiterhin der Wert vorgegeben, so dass die Kaufleute die komplizierten Bewertungsregeln nicht kennen müssen. Für die Steuergehilfen allerdings ist es relevant, und natürlich für Steuerberater und die gesamte Buchhaltungspraxis.

Die Bewertung oben genannter Güter ist seit langem umstritten. Im Jahre 2009 gab es zwei richtungsweisende BFH-Urteile, worin sich der BFH einer der beiden Streitmeinungen anschloss. Dies führt dazu, dass die Bewertung anders erfolgt, als es der Gesetzeswortlaut in § 6 EStG vermuten lässt Des BFH in den genannten Urteilen entschieden, dass nach § 7 Absatz 1 Satz 5 (neu) EStG für Wirtschaftsgüter, die nach Nutzung zur Einkunftserzielung im Privatvermögen in das Betriebsvermögen eingelegt werden, sich die  AfA-Bemessungsgrundlage „nach Einlage” aus der Differenz zwischen dem Einlagewert und der vor der Einlage bei den Überschusseinkünften bereits in Anspruch genommenen planmäßigen und außerplanmäßigen AfA ermittle. Mit dem Schreiben wird diese Entscheidung umgesetzt.Die Formulierung versteht kein Mensch so schnell, sofern man sich nicht intensiv mit der Geschichte auseinandersetzt. Daher sind letztlich die drei resultierenden Fallgruppen auswendig zu lernen.

Faktisch ist die Frage relevant, wenn ein solcher Gegenstand eingelegt wird.

Nach Gesetzeswortlaut müsste bei Einlage von abnutzbaren Gegenständen und  Anschaffung innerhalb der letzten drei Jahren die "fortgeführten Anschaffungskosten" angesetzt werden, also Anschaffungskosten abzüglich bisherige hypotehtische  Abschreibungen, angesetzt werden, maximal der Teilwert. Dies gilt aber so nur für vorher rein privat verwendete Gegenstände. Wurden Sie zur Erzielung von Überschusseinkünften verwendet (z..B. Vermietung) gelten abweichende Regeln, die sich aus Rechtsprechung und oben genanntem Schreiben ergeben. Letztlich kann dies dazu führen, dass die Formel nicht lautet: Anschaffungskosten abzgl. bisherige AfA, sondern höherer Teilwert abzüglich bisher tatsächlich angesetzte AfA.

Das Schreiben bildet drei Fallgruppen und listet entsprechende Beispiele auf. Das Ganze ist immer noch undeutlich formuliert und müsste durch Aufsätze aufbereitet werden. Bis dahin verweise ich auf das BMF-Schreiben selbst:

Download: BMF-Schreiben (PDF) Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung nach Einlage von zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzten Wirtschaftsgütern [PDF, 48 KB]

Mittwoch, 19. Januar 2011

BFH erleichtert den Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnlicheBelastungen

Der "BFH erleichtert den Nachweis von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen", heißt es in einer Pressemittielung vom 19. Januar zu zwei Urteilen des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 11.11.10   VI R 17/09 und Urteil vom 11.11.10   VI R 16/0).

Aber eigentlich reicht die Bedeutung viel weiter: der Krankheitsbegriff wird meines Erachtens fast schon erweitert. Es können jedenfalls Ausgaben eingebracht werden, bei denen man bisher keine Chance auf Anerkennung als Krankheitskosten sah. Damit ist diese Sache nicht nur für die Steuerfachausbildung (außergewöhnliche Belastungen, § 33 EStG) und Steuerberater, sondern auch für alle Bürger interessant. Denn  diese müssen erst  wissen, was man als steuermindernd absetzen können, bevor sie es überhaupt erst angeben.


Zu den Urteilen:

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass zur Geltendmachung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss. Der Nachweis kann vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu gehören insbesondere Krankheitskosten und zwar auch dann, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des Steuerpflichtigen leidet.

Im Verfahren VI R 17/09 stand die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche in Streit. Der Sohn der Kläger besuchte auf ärztliches Anraten ein Internat mit integriertem Legastheniezentrum. Die Kläger hatten auf die Übernahme der Schulkosten durch den Landkreis verzichtet. Statt dessen machten sie den Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außergewöhnliche Belastungen erfolglos beim Finanzamt geltend. Auch die daraufhin erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Denn Aufwendungen für eine Legasthenietherapie (im Streitfall mit Unterbringung in einem entsprechenden Internat) seien nur dann als Krankheitskosten gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert zukomme und die Aufwendungen zum Zwecke ihrer Heilung oder Linderung getätigt würden. Dies sei nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attestes oder eines Attestes des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Krankenversicherung nachzuweisen.

In der Sache VI R 16/09 war streitig, ob die Anschaffungskosten für neue Möbel als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn sich die Kläger wegen Asthmabeschwerden ihres Kindes zum Erwerb veranlasst sehen. Auch hier blieb die Klage vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg, da die konkrete Gesundheitsgefährdung durch die alten Möbel nicht durch ein amtsärztlichen Attest nachgewiesen worden sei.

Auf die Revision der Kläger hat der BFH beide Vorentscheidungen aufgehoben und unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Krankheit und medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung nicht länger vom Steuerpflichtigen nur durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachgewiesen werden können. Ein solch formalisiertes Nachweisverlangen ergebe sich nicht aus dem Gesetz und widerspreche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Diese obliege dem FG. Das FG und nicht der Amtsarzt oder eine vergleichbare Institution habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Zwar verfüge das FG nicht über eine medizinische Sachkunde und müsse deshalb regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Indikation der streitigen Maßnahme einholen. Es sei aber nicht ersichtlich warum nur ein Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung, nicht aber ein anderer Mediziner die erforderliche Sachkunde und Neutralität besitzen soll, die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützliche Maßnahmen objektiv und sachverständig beurteilen zu können. Die Befürchtung der Finanzbehörden und des dem Verfahren beigetretenen Bundesministeriums der Finanzen, es könnten Gefälligkeitsgutachten erstattet werden, teilte der BFH nicht. Auch sei das Verlangen nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem Beteiligten vorgelegtes Privatgutachten, beispielsweise des behandelnden Arztes könne der Nachweis der Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme ohnehin nicht geführt werden. Ein solches sei lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen.

Darüber hinaus hat der BFH in dem Verfahren VI R 17/09 entschieden, dass der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen dem Abzug von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht entgegensteht.

Zu den Urteilen:  Urteil des VI.  Senats vom 11.11.2010 - VI R 16/09 -, Urteil des VI.  Senats vom 11.11.2010 - VI R 17/09 

Donnerstag, 13. Januar 2011

Steueränderungen 2011 für die Ausbildung

Dieser Artikel richtet sich an Dozenten und Studenten bzw. Auszubildende im Bereich Steuerrecht und enthält eine Liste der für Steuerfachausbildung relevanten Änderungen.

Sonstige Einkünfte - Rentenbesteuerung: Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der privaten kapitalgedeckten Altersversorgung werden für neu hinzu kommende Rentnerjahrgänge mit 62 statt 60 % besteuert.


§ 10 EStG Sonderausgabenabzug: Alle Beitragszahler können ihre Vorsorgebeiträge (Rentenversicherung, Rürup-Vertrag) mit 72 statt 70 % absetzen. Dies ergibt sich automatisch aus der flexiblen Anpassungsklausel in § 10 EStG.  Hinzu kommt: die abzugsfähige Höchstgrenze steigt um 400 auf 14.400 EUR pro Person.

§ 19 Abs. 2 EStG: Der Versorgungsfreibetrag für Neupensionäre sinkt von 32,0 auf 30,4 % der Versorgungsbezüge und von maximal 2.400 auf 2.280 EUR. Gleichzeitig sinkt der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag von 720 auf 684 EUR.

Der Altersentlastungsbetrag  sinkt für Personen, die 2011 das 65. Lebensjahr vollenden, von 1.520 auf maximal 1.444 EUR und von 32,0 auf 30,4 % des Arbeitslohns und der positiven Summe der Einkünfte.


Wegfall der degressiven AfA § 7 Abs. 2 EStG

Die degressive AfA entfällt jetzt endgültig für Anschaffungs- und Herstellungsvorgänge nach dem 31.12.2010. Eine Gesetzesänderung war dazu nicht nötig; § 7 Abs. 2 EStG hatte nur für die Jahre 2009 und 2010 eine Fortsetzung der degressiven AfA angeordnet. Diese Möglichkeit wurde nicht nochmal verlängert. Möglich ist für Neuanschaffungen nur noch die lineare AfA über die Nutzungsdauer, die Sofort-AfA als GwG oder die Poolabschreibung über fünf Jahre. Die Sonder-AfA nach § 7g EStG ist weiterhin möglich.

Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG (fortgeführte AfA:

Für die AfA bei eingelegten Wirtschaftsgütern, die zuvor der Erzielung von Überschusseinkünften im Privatvermögen gedient haben, werden die bisherigen AfA-Beträge vom Einlagewert und nicht mehr von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abgesetzt. Unterschreitet der Einlagewert die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird dieser Betrag als weitere AfA-Bemessungsgrundlage herangezogen. Dies gilt für Einlagen ab dem 1.1.2011. Grundlage ist das  Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010,  Bundesgesetzblatt Teil I Seite 1768

Häusliches Arbeitszimmer ( §§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 2 und 3 , 52 Abs. 12 Satz 9 EStG)

Eher für die Praxis als für die Ausbildung interessant, trotzdem:
Die seit 2007 geltende Neuregelung beim häuslichen Arbeitszimmer verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG, soweit die Aufwendungen von der steuerlichen Berücksichtigung ausgeschlossen sind, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Daher wird in solchen Fällen ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten bis zur Höhe von 1.250 EUR jährlich für ein häusliches Arbeitszimmer wieder zugelassen. Dies gilt rückwirkend ab dem VZ 2007; die Regelung ist im Jahressteuergesetz 2010 enthalten.

Dauerfristverlängerung, § 48 UStDV, Abschnitt 18.4 Abs. 2 UStAE

Der Antrag auf Dauerfristverlängerung für die Umsatzsteuer-Voranmeldungen ist ab 2011 durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Dieser Datensatz ist auch für die Anmeldung der Sondervorauszahlung zu verwenden. Auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Das basiert noch auf Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz) vom 20.12.2008.

Diverse Änderungen beim Elterngeld (BEEG, geändert durch Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9.12.2010, BGBL I 1885)

Handwerkerleistungen und Anrechung über § 35a Abs. 3 EStG

Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen gilt nicht für Maßnahmen, die mit öffentlichen Mitteln, zinsverbilligten Darlehen oder steuerfreien Zuschüssen gefördert werden. Der Ausschluss der steuerlichen Ermäßigung greift nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme der Fördermaßnahme. Dies gilt für 2011 erbrachte Leistungen. Grundlage für die Änderung: Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010

Schwellenwerte beim § 7g EStG

Für die Inanspruchnahme ab dem VZ 2011 sinken die relevanten Schwellen, beim

    * Betriebsvermögen von 335.000 auf 235.000 EUR,
    * Wirtschaftswert bei LuF von 175.000 auf 125.000 EUR und
    * Gewinn für EÜR-Rechner von 200.000 auf 100.000 EUR.

"Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ vom 21.12.2008, verkündet am 29.12.2008 im Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2896

Umsatzsteuer und neuer Leistungsort §§ 3a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 UStG

Die Regelungen bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen hatten sich bereits Anfang 2010 grundsätzlich ändern geändert. Eine weitere Änderung kommt hinzu: Der Leistungsort bei kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Leistungen richtet sich nach dem

    * Ort der tatsächlichen Leistungserbringung, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist.
    * Sitz oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers bei Leistungen an Unternehmer.
    * Ort, an dem die Veranstaltung stattfinden, beim Verkauf von Eintrittskarten an einen Unternehmer.

Gilt ab 2011; Grundlage: Jahressteuergesetz 2010

Spekulationsgewinne, § 23 EStG

Als gegenläufige Reaktion auf Urteile hat der Gesetzgeber hat die Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus der Spekulationsbesteuerung herausgenommen, so dass hier auch keine Verluste angesetzt werden können.

Die Veräußerung von Gegenständen des täglichen Gebrauchs innerhalb eines Jahres - und damit insbesondere der Verlust - ist nicht mehr steuerbar, weil diese Gebrauchsgegenstände nicht mit dem Ziel der zeitnahen gewinnbringenden Veräußerung angeschafft werden. Gilt für Anschaffungen ab dem 14.12.2010

Außerdem gilt: Verluste aus Grundstücksverkäufen und anderen Wirtschaftsgütern stellen keine Altverluste dar und sind somit nicht mit Gewinnen verrechenbar, die der Abgeltungsteuer unterliegen. Dies gilt für  Verkäufe ab 2009.

Elektronische Steuererklärungen

Der ahnungslose Gesetzgeber, der glaubt, Selbständige haben einen PC und internet und können damit umgehen, und nicht weiß, wie es wirklich im Unternehmeralltag aussieht, will mittlerweile fast überall nur noch elektronische Steuererklärungen:

Gewinnermittlung und Steuererklärungen von Unternehmen (Körperschaftsteuererklärung inkl. der gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos, Erklärung zur Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags und der Zerlegung, einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung bei Personengesellschaften). Elektronische Übermittlung gilt auch für die Einkommensteuererklärung  sofern Gewinneinkünfte (Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende, Selbständige und Freiberufler) erzielt werden. Ausnahme: bei geringfügigen Gewinneinkünften im Rahmen einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG. Weiter: Anträge auf Dauerfristverlängerung für Umsatzsteuer-Voranmeldungen  (Anwendungserlass: BMF, Schreiben vom 17.12.2010, IV D 3 - S 7348/0 :003; Abschnitt 18.4 UStAE); Umsatzsteuererklärungen sowieso.

§§-Wust zur elektronischen Übermittlung: §§ 25 Abs. 4 EStG, 14a GewStG, 31 Abs. 1a KStG, 181 Abs. 1b und 2a AO, 50 Abs. 1a EStDV, § 18 Abs. 3, 27 Abs. 17 UStG.


USt und VSt bei gemischt genutzten Unternehmensgebäuden - Abschaffung der Seeling-Rechtsprechung.

Soweit ein dem Unternehmen zugeordnetes Grundstück vom Unternehmer sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf oder  für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, darf bei Ausgaben nur noch der entsprechende Teil der Vorsteuer abgezogen werden (ändert sich der Verwendungsanteil eines Grundstücks, so werden diese nach § 15a UStG berücksichtigt). Im Gegenzug ist für den Privatanteil keine umsatzsteuerliche Privatentnahmebuchung (unentgeltliche Wertabgabe) mehr nötig 

Damit werden die Auswirkungen der Seeling-Rechtsprechung des EuGH eingeschränkt, wonach ein teilweise unternehmerisch und privat genutztes Gebäude insgesamt dem Unternehmen zuzuordnen und die auf das Gebäude insgesamt entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehbar ist, der Privatnutzungsanteil dann über Entnahmebuchung zu USt führt. Damit ist eine EG-Richtlinie umgesetzt, die Anfang 2010 beschlossen wurde, und die auf die Abschaffung der Effekte der Seeling-Rechtsprechung zielt. Für die Praxis ergibt sich, dass der Unternehmer keinen Verzinsunsvorteil mehr hat, die dadurch entstand, dass er die Vorsteuer zunächst vollständig kassierte, und erst später die Entnahmebuchung erfolgte.

Erstattungszinsen sind jetzt doch wieder zu versteuern (§ 20 I Nr. 7 S. 3)

Als Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung wird klargestellt, dass Erstattungszinsen nach § 233a AO Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen sind und damit der Abgeltungsteuer unterliegen.



Kirchensteuer: Wegfall des Sonderausgabenabzugs für Kirchensteuer, die im Rahmen der Abgeltungssteuer erhoben wurde. § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG

Wegfall der Lohnsteuerkarte und Zuständigkeit des Finanzamtes

Die Lohnsteuerkarte 2010 gilt auch für das Jahr 2011. Ab dem Jahre 2012 entfällt die Lohnsteuerkarte. Für Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte 2010 ist ab 01.01.2011 das Wohnsitzfinanzamt zuständig. Grundsätzlich behalten auch die bisher eingetragenen Freibeträge ihre Gültigkeit. Änderungen sind vom Finanzamt auf Antrag vorzunehmen. Bei Wegfall von Steuervergünstigungen (Kinder, Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, Freibeträge etc.) besteht für den Arbeitnehmer eine Änderungspflicht.  Soweit keine Lohnsteuerkarte vorhanden ist, oder diese verloren wurde, erteilt das Wohnsitzfinanzamt eine Bescheinigung nach amtlichem Vordruck. Bei ledigen Auszubildenden, kann der Arbeitgeber auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte verzichten und die Steuerklasse I anwenden. Ab 2012 werden dem Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsdaten elektronisch zur Verfügung gestellt (ELStAM- Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale).


Arbeitnehmerpauschale.

Was ist mit der versprochenen Anpassung der Arbeitnehmerpauschale? Ist das noch niemand aufgefallen? Im Dezember gab es noch jede Menge Meldungen darüber, dass mit dem Jahressteuergesetz auch die Pauschale von 920 auf 1000 angepasst werden soll. Im Jahressteuergesetz ist aber diese Änderung des § 9b EStG nicht aufgeführt. Ich finde auch keine öffentliche Stellungnahme, ja, überhaupt keinen einzigen Hinweis in Google.

Mittwoch, 12. Januar 2011

BMF-Schreiben vom 21.12.2010: Änderung des Anwendungserlass zurAbgabenordnung (AEAO)

Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO, eine Art Richtliniensammlung für die AO) wird mit sofortiger Wirkung geändert. Betroffen sind die folgenden Punkte:


  1. Regelung zu § 30 (betrifft das Steuergeheimnis)

  2. Nr. 4 der Regelung zu § 31b (Mitteilungen zur Bekämpfung der Geldwäsche) wird aufgehoben.

  3. Nr. 3 Abs. 3 der Regelung zu § 107 (Entschädigung der Auskunftspflichtigen und Sachverständigen)

  4. Nr. 3.1.5.1 der Regelung zu § 122 (Bekanntgabe des Verwaltungsaktes)

  5. Regelung zu § 171 (Ablaufhemmung)

  6. In Nr. 5.2 der Regelung zu § 235 (Verzinsung von hinterzogenen Steuern) wird die Angabe „§ 7 InvZulG 1999“ durch die Angabe „§ 12 InvZulG 2010“ ersetzt.

  7. Nr. 2.3.2 der Regelung zu § 361 (Aussetzung der Vollziehung)

  8. Nr. 6.3 der Regelung zu § 367 (Entscheidung über den Einspruch)

Link: BMF, Schreiben v. 16.12.2010, IV A 3 - S 0062/08/10007-09 über die Änderung des AO-Anwendungserlasses


Link zum kompletten AO -Anwendungserlass (AEAO) und den einzelnen Änderungen



Für die Ausbildung im Bereich Steuerrecht bzw. Abgabenordnung ergeben sich keine nennenswerten Auswirkungen; geändert werden nur Detailfragen. Trotzdem habe ich den kompletten Text des BMF-Schreibens nachfolgend abgedruckt.

Text des BMF-Schreibens:

Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO);
TOP 5.1. - 5.8 der Sitzung AO IV/2010
GZ IV A 3 - S 0062/08/10007-09

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 2. Januar 2008 (BStBl I S. 26), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 28. Juli 2010 (BStBl I S. 630) geändert worden ist, mit sofortiger Wirkung wie folgt geändert:
1. Die Regelung zu § 30 wird wie folgt geändert:
a) Die Nummern 8 und 8.1 werden wie folgt gefasst:
„8. Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse (§ 30 Abs. 4 Nr. 5)
Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 enthält eine bei-spielhafte Aufzählung von Fällen, in denen ein zwingendes öffentliches Inte-resse zu bejahen ist. Bei anderen Sachverhalten ist ein zwingendes öffent-liches Interesse nur gegeben, wenn sie in ihrer Bedeutung einem der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 erwähnten Fälle vergleichbar sind. Liegt ein zwingendes öffent-liches Interesse vor, macht es für die Zulässigkeit der Offenbarung keinen Unterschied, ob die Finanzbehörde aufgrund eigener Erkenntnisse von Amts wegen die zuständige Behörde informiert oder ob die zuständige Behörde unter Schilderung der Umstände, die das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses begründen, die Finanzbehörde um Auskunft ersucht.

Die Gewerbebehörden können bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses für Zwecke eines Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verlet-zung steuerlicher Pflichten unterrichtet werden, die mit der Ausübung des Gewerbes, das untersagt werden soll, im Zusammenhang stehen (vgl. im Einzelnen BMF-Schreiben vom 14.12.2010, BStBl I S. …).
Zur Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Parlamenten bzw. einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vgl. BMF-Schreiben vom 13.5.1987.“
b) Die Nummer 8.4 wird wie folgt gefasst:
„8.4 § 6 des Subventionsgesetzes, wonach Behörden von Bund und Ländern Tat-sachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht eines Subventions-betrugs (§ 264 StGB) begründen, den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen haben, stellt keine Ermächtigungsvorschrift i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 dar. Anzeigen an Strafverfolgungsbehörden wegen des Verdachts eines Subven-tionsbetrugs sind daher nur zulässig, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse an der Offenbarung besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchstabe b) oder die Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 vorliegen (vgl. Nr. 9). Betrifft der Sub-ventionsbetrug allerdings Investitionszulagen, so sind entsprechende Tat-sachen wie bei Steuerstraftaten den Bußgeld- und Strafsachenstellen zu melden (vgl. § 14 InvZulG 2010 i.V.m. § 30 Abs. 4 Nr. 1). Nach § 31a besteht daneben eine Offenbarungsbefugnis gegenüber den für die Bewil-ligung, Gewährung, Rückforderung, Erstattung, Weitergewährung oder für das Belassen einer Subvention zuständigen Behörden und Gerichten; vgl. im Einzelnen Nr. 4.3 zu § 31a.“
2. Die Nummer 4 der Regelung zu § 31b wird aufgehoben.
3. Nummer 3 Absatz 3 der Regelung zu § 107 wird wie folgt gefasst:
„Ein Vorlageverlangen i. S. d. § 97 gegenüber Dritten ist im Regelfall nur zulässig, wenn
-
der Dritte eine von ihm zuvor geforderte Auskunft nicht erteilt hat,
-
die Auskunft des Dritten unzureichend ist,
-
Bedenken gegen die Richtigkeit der Auskunft bestehen oder
-
das Vorliegen steuerrelevanter Tatsachen nur durch die Vorlage eines Schriftstückes beweisbar bzw. eine Auskunft zur Wahrheitsfindung untauglich ist
(vgl. BFH-Urteil vom 24.2.2010 - II R 57/08 - BStBl 2011 II, S. ….).“

4. Die Nummer 3.1.5.1 der Regelung zu § 122 wird wie folgt gefasst:
„3.1.5.1 Eine öffentliche Zustellung wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes des Empfängers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG) ist nicht bereits dann zulässig, wenn die Finanzbehörde die Anschrift nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift des Empfängers muss vielmehr allgemein unbe-kannt sein. Dies ist durch eine Erklärung der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Feststellung, dass sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, ist nicht ausreichend. Die Finanzbe-hörde muss daher, bevor sie durch öffentliche Bekanntmachung zustellt, die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen anstellen. Dazu gehö-ren insbesondere Nachforschungen bei der Meldebehörde, u. U. auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters des Empfängers. Auch Hinweisen auf den mutmaßlichen neuen Aufenthaltsort des Empfängers muss durch Rückfrage bei der dortigen Meldebehörde nachgegangen werden. Ist zu vermuten, dass sich der Steuerpflichtige in einem bestimmten anderen Land aufhält, sind die Ermittlungsmöglichkeiten des zwischenstaatlichen Auskunftsaustauschs nach dem BMF-Schreiben vom 25.1.2006, BStBl I, S. 26 auszuschöpfen (BFH-Urteil vom 9.12.2009 - X R 54/06 - BStBl 2010 II, S. 732).
Nicht zulässig ist es beispielsweise, eine öffentliche Zustellung bereits dann anzuordnen, wenn eine versuchte Bekanntgabe unter einer Adresse, die der Empfänger angegeben hat, einmalig fehlgeschlagen ist oder wenn lediglich die Vermutung besteht, dass eine Adresse, an die sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist (BFH-Urteil vom 6.6.2000 - VII R 55/99 - BStBl II, S. 560, und BFH-Beschluss vom 13.3.2003 - VII B 196/02 - BStBl II, S. 609). Eine öffentliche Zustellung ist aber wirk-sam, wenn die Finanzbehörde durch unrichtige Auskünfte Dritter zu der un-richtigen Annahme verleitet wurde, der Empfänger sei unbekannten Aufent-haltsortes, sofern die Finanzbehörde auf die Richtigkeit der ihr erteilten Aus-kunft vertrauen konnte (BFH-Beschluss vom 13.3.2003 - VII B 196/02 - BStBl II, S. 609).“

5. Die Regelung zu § 171 wird wie folgt geändert:
a) In die Nummer 2a wird vor dem bisherigen Wortlaut folgender neuer Absatz 1 eingefügt:
„Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a tritt auch dann ein, wenn nach Ablauf der Festsetzungsfrist ein zulässiger Rechtsbehelf eingelegt wird (§ 171 Abs. 3a Satz 1 2. Halbsatz). Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsbehelf nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als fristgerecht zu behandeln ist; die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.1.2008, a. a. O. (vgl. Nr.2) sind auf diesen Fall nicht übertragbar.“
b) Der bisherige Wortlaut der Nummer 2a wird dessen neuer Absatz 2.
c) Die Nummer 3 wird wie folgt gefasst:
„Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird durch den Beginn einer Außenprüfung (vgl. zu § 198, Nrn. 1 und 2) hinausgeschoben (§ 171 Abs. 4). Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn eine zugrunde liegende Prüfungsanordnung unwirksam ist (BFH-Urteile vom 10.4.1987 - III R 202/83 - BStBl 1988 II, S. 165, und vom 17.9.1992 - V R 17/86- BFH/NV 1993 S. 279). Eine Außenprüfung hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist nur für Steuern, auf die sich die Prüfungsanordnung erstreckt (BFH-Urteile vom 18.7.1991 - V R 54/87 - BStBl II, S. 824, und vom 25.1.1996 - V R 42/95 - BStBl II, S. 338). Wird die Außenprüfung später auf bisher nicht einbezogene Steuern ausgedehnt, ist die Ablaufhemmung nur wirksam, soweit vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Prüfungsanordnung erlassen (vgl. zu § 196, Nr. 5) und mit der Außenprüfung auch insoweit ernsthaft begonnen wird (BFH-Urteil vom 2.2.1994 - I R 57/93 - BStBl II, S. 377).

Bei einem Antrag des Steuerpflichtigen auf Verschiebung des Prüfungsbeginns (§ 197 Absatz 2) wird der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative nur gehemmt, wenn dieser Antrag für die Verschiebung ursächlich war. Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund eines Antrags des Steuerpflichtigen, sondern aufgrund eigener Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, läuft die Festset-zungsfrist ungeachtet des Antrags ab. Bei einem vom Steuerpflichtigen gestellten Antrag auf zeitlich befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Absatz 4 Satz 1 2. Alternative rückwirkend, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach

Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (vgl. BFH-Urteil vom 17.3.2010 - IV R 54/07- BStBl 2011 II, S. …). Die Ablaufhemmung entfällt dagegen nicht, wenn der Steuerpflichtige einen unbefristeten bzw. zeitlich unbestimmten Antrag gestellt hat, also bspw. beantragt hat wegen einer noch andauernden Vor-Betriebsprüfung zunächst deren Abschluss abzuwarten.
Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird auch gehemmt, wenn der Steuerpflichtige die Prüfungsanordnung angefochten hat und deren Vollziehung ausgesetzt wurde (vgl. BFH-Urteile vom 25.1.1989 - X R 158/87 - BStBl II, S. 483, und vom 17.6.1998 - IX R 65/95 - BStBl 1999 II, S. 4). Dies gilt unabhängig von der Dauer der Aus-setzung der Vollziehung.
Ermittlungen i.S.d. § 171 Abs. 4 Satz 3 sind nur diejenigen Maßnahmen eines Betriebsprüfers, die auf eine Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen gerichtet sind. Die Zusammenstellung des Prüfungsergebnisses im Prüfungsbericht stellt keine den Ablauf der Festsetzungsfrist hinausschiebende Ermittlungshandlung dar (BFH-Urteil vom 8.7.2009 - XI R 64/07 - BStBl 2010 II, S. 4).“
6. In der Nummer 5.2 der Regelung zu § 235 wird die Angabe „§ 7 InvZulG 1999“ durch die Angabe „§ 12 InvZulG 2010“ ersetzt.
7. In der Nummer 2.3.2 der Regelung zu § 361 wird der Punkt nach dem letzten Spiegel-strich durch ein Komma ersetzt und folgender Spiegelstrich angefügt:
„- Verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2; § 2 StAuskV), verbindliche Zusagen (§§ 204 bis 207) und Lohnsteueranrufungsauskünfte (§ 42e EStG), unabhängig davon, ob sie der Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen entsprechen oder nicht, sowie die Ablehnung, eine verbindliche Auskunft, eine verbindliche Zusage oder eine Lohnsteueranrufungs-auskunft zu erteilen.“

8. Die Nummer 6.3 der Regelung zu § 367 wird wie folgt gefasst:
„6.3 In der Teil-Einspruchsentscheidung ist genau zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile des Verwaltungsakts Bestandskraft nicht eintreten soll, um die Reichweite der Teil-Einspruchsentscheidung zu definieren. Diese Bestimmung ist Teil des Tenors der Teil-Einspruchsentscheidung und weder Nebenbestimmung noch Grundlagenbescheid. Sie kann daher nur durch Klage gegen die Teil-Einspruchs-entscheidung angegriffen werden. Soweit anhängige Verfahren vor dem BFH, BVerfG oder EuGH Anlass für eine Teil-Einspruchsentscheidung / Verfahrensruhe sind, sind diese nicht im Tenor, sondern in der Begründung der Teil-Einspruchs-entscheidung zu benennen.“

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.