Dienstag, 31. Januar 2012

Ausbildung zum Steuerfachangestellten: neuer PrüfungstandardKlausurenverbund

Vor allem im Raum der Steuerberaterkammer Nürnberg warten Steuerfachdozenten und   Steuerfach-AzuBis fieberhaft auf Informationen über den neuen Prüfungsstandard bei Abschlussprüfungen. Da die Steuerberaterkammer Nürnberg einem bundesweit agierenden Klausurenverbund beigetreten ist, tauchten viele Fragen auf. Vor allem: sind in Gesetzen noch Kommentierungen notwendig? Und für die Nürnberger: was ist mit den Paragraphen-Angaben bei Buchungssätzen im Rechnungswesen?



Das war nämlich eine Besonderhet der "Nürnberger": es reichte nicht, den Buchungssatz zu wissen, man musste auch die verwendeten Paragaphen nennen können. Das liest sich dann selbst bei einem läppischen Privatentnahmefall so:

Fall: Privatentnahme von Gegenständen


































Soll


EUR





Haben


EUR


2100 Privatentnahme








4620 Entn. d. UN priv. Zwecke














3800 USt





§ 4 (1), § 6 (1) Nr. 4 EStG,  § 1 (1) Nr. 1, § 3 (1b) S 1 Nr.1, § 10 (4) Nr. 1,  § 13 (1) Nr. 1a UStG

Und selbst diese Darstellung ist verkürzt.



Aber was gilt nun künftig? Eine offizielle Information über die neuen Standards habe ich bis jetzt im Internet nicht gefunden. Aber intern wurden die Prüfer bei einem Meeting darüber informiert, was jetzt im einzelnen gilt. Und das ist sowohl für anstehenden Prüfungen als auch für die laufende Ausbildung wichtig. Gemäß meinen Informationen gilt künftig:


  • Künftig sind ALLE Gesetze, DVOs und Richtlinien zulässig (Verlage: Beck, Stollfuß, NWB)
     

  • Die Gesetze dürfen NICHT (MEHR) KOMMENTIERT werden. Also: keine Querverweise, nur Unterstreichungen, Markierungen, auch farbig, oder Reiter. Keine  Nummerierungen, Zahlen/Ziffern und wie gesagt keine Querverweise.
     

  • Bei Buchungssätzen sind KEINE PARAGRAPHEN (mehr) notwendig! Allerdings sollen  die Paragraphen im Unterricht weterhin verwendet werden (ob das nur für den im Bereich Nürnberg gilt, weiß ich nicht)
     

  • Der Schüler kann wählen zwischen SKR 03 und SKR 04. Die Kontenpläne liegen der Prüfung bei. Der Schüler legt sich zu Beginn der Prüfung fest: "Ich verwenden den Kontenrahmen SKR 04)
     

  • Künftig werden am ersten Prüfungstag die Fächer Rechnungswesen und Wiso geprüft und erst am zweiten Prüfungstag das Fach Steuerlehre.
     

  • Der Fachbrief entfällt in der Abschlussprüfung, soll aber noch im Unterricht behandelt werden.

Fragt sich jetzt nur, was wir Dozenten im Raum Nürnberg  mit unseren mühsam erarbeiten RW-Skripten machen. Denn die Angabe der Paragraphen ist eine Kunst - man muss anhand der Musterlösungen der letzten Jahre wissen, welche Paragraphen genannt werden sollen und in der Regel macht man sich eine eigene Liste von Buchungssätzen mit §§-Angaben.

Nun - umsonst ist es nicht. Man braucht sie künftig noch im Unterricht, man braucht sie aber indirekt auch bei der Prüfung. Denn bei Geschäften innerhalb der EU muss der Prüfling entscheiden, ob deutsche USt anfällt oder nicht, und dazu muss er die Fundstellen kennen.

Außerdem benötigt der Auszubildende das Wissen im Fach Umsatzsteuer.

Ich habe das Thema "Paragraphen und Buchungssätze"  mit Umschülern an der Erwachsenenbildungseinrichtung ECKERT erörtert und zu meiner Überraschung waren sich alle einig, dass sie auch in Zukunft das Arbeiten mit den Paragraphen für sinnvoll halten, und zwar aus verschiedenen Gründen.

Das Skurrile daran ist, dass auszubildende Steuerfachangestellte zu Beginn des zweiten Semesters regelmäßig darüber  jammern, dass sie künftig die Paragraphen mit dazu lernen müssen. Hier hat sich in den letzten Monaten einiges geändert.

Schlimm trifft es aber diejenigen, die demnächst in die Prüfung gehen, und die letzten Jahre mit Gesetzeskommentierungen gearbeitet haben. So waren die Querverweise  jedenfalls in unserem Raum erlaubt, und man verließ sich auch darauf. Diese Schüler müssen gewaltig nachholen. Es ist allerdings weniger schlimm, als es scheint. Abgesehen von dem Wirrwarr beim Ort derLeistung im UStG hat man im Laufe der Ausbildung die Verbindungen zwischen den Vorschriften bald "intus", und die Querverweise, die man zu Beginn noch als lebensnotwendig sah, eigentlich nicht mehr notwendig. Auch das war das Ergebnis einer Erörterung mit Schülern im zweiten und dritten Semester - wir sind dazu probeweise die Kommentierungen und den Lehrstoff durchgegangen.

Übrigens ist dies bei anderen Steuerfachausbildungen oder Studiengängen, bei denen Gesetze zu den Prüfungshilfsmittel gehören, schon lange üblich, dass diese nicht kommentiert werden dürfen. Bei Juristen allerdings war das in Bayern erlaubt, jedenfalls zu "meiner" Zeit vor 25 Jahren. Wer da in den Monaten vor der Staatsprüfung seinen über die Jahre hinweg persönlich kommentierten "Schönefelder" (Sammlung Deutscher Gesetze) oder andere Gesetzessammlungen verloren hat, weinte bitterlich. Viele hängten Zettel aus, wo sie hohen Finderlohn versprachen, selbst dann, wenn sie genau wussten, dass die Sammlung nicht "verlorengegangen" ist sondern gestohlen wurde und sie letztendlich dem Dieb die Sammlung wieder abkauften. Aber kommen wir zurück auf die Steuerfachausbildung.

Natürlich machen sich viele Auszubildende Sorgen, ob sich nicht die Schwerpunkte oder die Art der Fragestellung ändert. Schließlich orientierte man sich bisher an den Prüfungen der letzten Jahre der betreffenden Steuerkammer, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Und jeder Dozent war stolz auf seine Sammlung herausgefilterter Prüfungsfragen zu einem Themengebiet, möglichst mit Kenntnis der misslungenen oder fehlerhaften Aufgabenformulierungen, mit denen man als Prüflilng ebenfalls klarkommen musste.

Aber viele Kammern haben die Prüfungen der letzten Jahre in das Internet gestellt und Schüler der o.g. Einrichtung haben diese in den letzten Tagen gesammelt und durchgesehen. Sie sind der Ansicht, dass die Fragen im Grunde alle ähnlich sind und keine großen Überraschungen erwartet werden. Dies entspricht auch meiner persönlichen Einschätzung, allerdings muss ich dazu sagen, dass es sich um sehr gute Schüler handelt. Vielleicht sehen das nicht alle so.

Wer nach Prüfungen sucht, findet sie im Internet jedenfalls bei folgenden Steuerberaterkammern: Westfalen, Schleswig Holstein, Sachsen-anhalt, Rheinland-Pfalz, Köln, Hessen, Düsseldorf, Berlin, Nürnberg. Ich weiß allerdings nicht, ob alle diese Kammern künftig dem bundesweiten Klausurenverbund angehören. Angeblich sollen sich einige Kammern nicht angeschlossen haben.

Dienstag, 24. Januar 2012

Dauerthema Überstundenvergütung

Seit dem BAG-Urteil  vom 17. August 2011 -(siehe , Az 5 AZR 406/10)  ist das Thema Überstunden und Mehrarbeit sehr aktuell.

Immer mehr Urteile werden zu dem Thema bkeannt.  Nicht nur, dass sich die Personalfachleute über darüber  Gedanken machen muss, auch in der Ausbildung wird das Thema wichtig. BWL-Studenten, WiWi-Stundenten und Jura-Studenten sollten sich meines Erachtens gründlich mit dem komplexen Bereich "Mehrarbeit und Überarbei"t auseinander setzen. Und es lohnt sich, denn das Thema ist nicht nur prüfungsrelevant, sondern auch in der Praxis wichtig.

Für die Arbeitnehmer ist es natürlich auch interessant, aber schwer vermittelbar. Arbeitnehmerklagen auf Zahlung von Überstunden gehen oft verloren, weil die Kläger nicht über die Beweisprobleme informiert sind. Umbekehrt verschenken viele Arbeitnehmer Überstundenvergütungen, weil sie sich an unwirksamen Abgeltungsklauseln in Arbeitsverträgen gebunden fühlen.

Mit welchen Details müssen sich Lernende oder klagewillige Arbeitnehmer auseinandersetzen?

Zunächst muss der Arbeitnehmer jede einzelne Überstunde belegen, für die er eine Vergütung haben möchte. Das können Excel-Erfassungen sein, Stempeluhren oder anderes. Ferner muss die Überstunde auf Anweisung des Arbeitgebers erfolgen. Hierzu muss man wissen, dass eine duldende Kenntnis der Arbeitgeber von den Überstunden reichen kann. Dies hat die Rechtsprechung erarbeitet - es reiche das "Wissen und Wollen" des Arbeitgebers. Weiter ist die Frage zu klären, ob der Arbeitnehmer eine Überstundenvergütung "erwarten kann", oder ob umgekehrt seine Überstunden bei gleichen Gehalt erwartet werden dürfen. Wenn der Vertrag nämlich keine ausdrückliche Regelung über Überstundenvergütung enthält, ist die entscheidende Rechtsgrundlage der § 612 BGB, wonach es darauf ankommt, ob bei Ausführung einer Arbeit im Auftrag eines anderen üblicherweise eine Vergütung zu erwarten ist. Der Paragraph spielt nicht nur bei Handwerkern oder Architekten eine Rolle, wenn sie Kostenvoranschläge oder Entwürfe machen und vergessen haben, die Vergütungsfrage zu regeln, sondern auch bei fest angestellten Arbeitnehmern.

Für den Studenten ist es wichtig, den § 612 BGB zu kennen, und hierzu gibt es Fallgruppen aus der Rechtsprechung. Grob vereinfacht: Bei höheren Diensten, z.B. die eines angestellten Rechtsanwalts, ist eine Überstundenvergütung nicht selbstverständlich, bei einer normalen Büroarbeit dagegen kann eine Vergütung erwartet werden.

Auch muss der Lernende die Unterscheidung zwischen Mehrarbeit und Überarbeit verstehen und die Rechtsprechung über die AGB-Kontrolle von Arbeitsvertragsklauseln kennen, bei denen es um die Abgeltung von solchen Merarbeiten oder Überstunden geht (siehe eingangs genanntes  BAG-Urteil)

Lesenswert ist ein neueres Urteil des LAG Berlin-Brandenburg, weniger wegen der Besonderheit dort, sondern weil es ein schöner Beispielfall ist. Das LAG erleichtert etwas die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers bei Überstunden-Zahlungsklagen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.12.2011, 6 Sa 1941/11). Dabei geht es dort speziell um die Frage, ob es reicht, wenn Vorgesetze (nicht der Arbeitgeber selbst) von den Überstunden wissen. Aber auch andere der oben angesprochenen Aspekte werden erörtert. Eine sehr schöne Aufbereitung des Urtels gibt es von RA Hensche auf seinem Info-Portal hensche.de

Weitere Links:




Hier der entscheidende Abschnitt aus dem Urteil des LAG Berlin vom 23. Dezember 2011 (Auszug aus Randnummer 13 ff der Urteilsgründe):




13


1.1 Die Klägerin hat gemäß § 612 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung restlichen Gehalts in Höhe von 4.369,57 € brutto.



14


1.1.1 Es war davon auszugehen, dass sich die Klägerin unter Ausklammerung der Pausen von Juli 2009 bis April 2010 insgesamt 301,67 Stunden und von Mai bis September 2010 insgesamt 70 Stunden über ihre reguläre Arbeitszeit hinaus im Betrieb der Beklagten aufgehalten hat. Diese Zeiten ergaben sich bei richtiger Addition der in den ausgedruckten Anwesenheitslisten für die einzelnen Monate ausgewiesenen Stunden.



15


1.1.1.1 Dass die monatlichen Anwesenheitslisten nicht etwa von der Klägerin selbst gefertigt worden sind, sondern auf Weisung ihres Vorgesetzten von allen Mitarbeitern durch kontinuierliche Eingabe von Arbeitsbeginn und –ende zustande gekommen sind, ist von dem als Zeugen gehörten Auszubildenden bestätigt worden. Mit seiner Weisung hatte der Vorgesetzte gerade der Verpflichtung der Beklagten aus § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG entsprochen, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden nach § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer aufzuzeichnen.



16


1.1.1.2 Der Zeuge hat auch bestätigt, dass alle Mitarbeiter Überstunden geleistet hätten und dass die Klägerin gelegentlich schon vor ihm im Büro gewesen und erst nach ihm gegangen sei, womit die gegenteilige Behauptung der Beklagten widerlegt war. Soweit der Zeuge geschildert hat, man habe bisweilen nach Ende der Arbeit noch zehn Minuten oder länger bei Kaffee, Cola und Keksen zusammen gesessen, hat er schon nicht anzugeben vermocht, ob sich die Klägerin erst danach ausgetragen hat, wie er dies zum Teil gemacht haben will. Zudem wäre dies dadurch kompensiert worden, dass nach glaubhafter Darstellung der Klägerin im Verhandlungstermin an manchen Tagen nicht einmal Zeit für eine halbe Stunde Pause gewesen war. Eine sich daraus bisweilen ergebende Arbeitszeit von fast 13 Stunden liegt keinesfalls außerhalb der Realität des Arbeitslebens (vgl. BAG, Urteil vom 17.04.2002 – 5 AZR 644/00 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 zu II 2 b aa der Gründe).



17


1.1.1.3 Soweit es nach Schilderung des Zeugen möglich gewesen sein soll, stundenweise der Arbeit fernzubleiben, um private Dinge zu erledigen oder Überstunden abzubummeln, wie dies bei der Klägerin vielleicht vier oder fünf Mal in den letzten vier bis fünf Wochen vorgekommen sein soll, ließ dies in dieser Allgemeinheit keine für die Beklagte günstigen Rückschlüsse zu. Zudem hat der Vorgesetzte der Klägerin gegen die Richtigkeit ihrer Eintragungen offenbar keine Einwände erhoben oder eine Korrektur verlangt. Dazu hätte jedoch Anlass bestanden, um nachhalten zu können, wie viele Überstunden der Klägerin noch zum Abbummeln verblieben.



18


1.1.1.4 Dass die Klägerin etwa nachträglich ihre Eintragungen zu ihren Gunsten geändert hat, war mit Rücksicht darauf, dass die vom Vorgesetzten geschaffene Excel-Tabelle nicht schreibgeschützt war, zwar theoretisch möglich. Dies war jedoch nicht anzunehmen, weil damit ein erhebliches Überführungsrisiko mit strafrechtlichen Konsequenzen verbunden gewesen wäre, wenn der Vorgesetzte sich etwa die Listen monatlich ausgedruckt hätte oder davon eine Sicherheitskopie existierte.



19


1.1.1.5 Schließlich war es unschädlich, dass die Angaben auf den Anwesenheitslisten offenbar programmgemäß durchweg auf glatte fünf Minuten lauteten. Bei mehreren hundert Anfangs- und Endterminen ist es höchst wahrscheinlich, dass sich damit verbundene Rundungseffekte ausgleichen, was gemäß § 287 Abs. 2 ZPO eine entsprechende Schätzung erlaubt.



20


1.1.1.6 An der Glaubwürdigkeit des auch von der Beklagten benannten Zeugen bestanden keine Zweifel, obwohl dieser weiterhin im Ausbildungsverhältnis zur Beklagten steht und erkennbar bemüht war, die Arbeitsbedingungen in einem besonders guten Licht erscheinen zu lassen. Gleichwohl hat er in entscheidenden Punkten die Darstellung der Klägerin bestätigt. Auch erschien seine Aussage nicht einstudiert oder unnatürlich abstrakt, sondern spontan und farbig und als Ausdruck eigenen Erlebens.



21


1.1.1.7 Den von der Klägerin bereits erstinstanzlich benannten Zeugen vorsorglich zu laden, war mit Rücksicht auf das substantiierte Bestreiten der Richtigkeit ihrer Angaben auf den Anwesenheitslisten durch die Beklagte gemäß §§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 64 Abs. 7 ArbGG veranlasst gewesen. Dem stand nicht entgegen, dass dieses Bestreiten als neues Verteidigungsmittel gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG bereits mit der Berufungsbegründung hätte vorgebracht werden müssen und die Beklagte ihre Verspätung nicht entschuldigt hat. Zurückzuweisen ist verspätetes Vorbringen erst dann, wenn es zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führte, was nicht der Fall ist, wenn die Verspätung durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen des Gerichts ausgeglichen werden kann (BGH, Urteil vom 12.07.1979 – VII ZR 284/78 – BGHZ 75, 138 zu 3 d der Gründe).



22


1.1.2 Es konnte auch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin während ihrer Anwesenheit im Büro mit Ausnahme ihrer Pausenzeit Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat.



23


1.1.2.1 Die Anwesenheit eines Arbeitnehmers im Betrieb an seinem Arbeitsplatz begründet bereits eine Vermutung dafür, dass diese zur Erledigung seiner Arbeit jeweils notwendig war (LAG Berlin, Urteil vom 06.04.1983 – 12 Sa 3/83 – zu 5 a. E. der Gründe). Dafür sprach vorliegend auch, dass die Klägerin einen Bestand von durchweg mehr als 600 Einheiten zu bearbeiteten hatte, zu denen auch rd. 200 neue Objekte gehörten, die mit entsprechend größerem Aufwand eingepflegt werden mussten. Dass die Arbeitsbelastung groß war, ergab sich auch daraus, dass der Vorgesetzte der Klägerin und ihre Kollegin deswegen gelegentlich eines Meetings beim Prokuristen in Halle vorstellig geworden sind, wie die Beklagte eingeräumt hat.



24


1.1.2.2 Soweit die Beklagte behauptet hat, die Klägerin habe nicht in angemessenem Tempo gearbeitet, längere private Telefonate geführt und Arbeiten im Schreibtisch liegen gelassen, entbehrte dies jeglicher Substantiierung nach § 138 Abs. 2 ZPO, hätte sich teilweise bloß als Schlechtleistung dargestellt und stand jedenfalls in Widerspruch zu der zehnprozentigen Gehaltserhöhung, die im Schreiben der Beklagten vom 3. Mai 2010 gerade mit guten Leistungen der Klägerin begründet worden war.



25


1.1.3 Die von der Klägerin geleisteten Überstunden sind von der Beklagten auch geduldet worden. Abgesehen davon, dass beide Geschäftsführer mitbekommen haben müssen, dass ihre Mitarbeiter über die reguläre Arbeitszeit hinaus anwesend waren, wie der Zeuge ausgesagt hat, musste sich die Beklagte das Verhalten des Vorgesetzten der Klägerin zurechnen lassen. Mag dieser vom Zeugen als „Juniorchef“ bezeichnete Mitarbeiter auch bloß Fachvorgesetzter der Klägerin gewesen sein, wie die Beklagte eingewandt hat, gehörte es doch damit gerade zu seinen Aufgaben bei der arbeitstechnischen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zur Klägerin, darauf zu achten, dass diese ihr Pensum möglichst innerhalb der regulären Arbeitszeit erledigte. Wenn er es gleichwohl hinnahm, dass sie deutlich länger anwesend war und dies auch in der von ihm entworfenen Excel-Tabelle dokumentierte, konnte dies aus Sicht der Klägerin nur als Billigung verstanden werden. Es verhielt sich insoweit nicht anders als im Fall der Abmahnung einer Pflichtwidrigkeit durch den Fachvorgesetzten, der damit aufgrund seiner Direktionsbefugnisse trotz fehlender Kündigungsvollmacht über das Kündigungsrecht des Arbeitgebers verfügt (dazu BAG, Urteil vom 18.01.1980 – 7 AZR 75/78 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 3 zu 2 a der Gründe).



26


1.1.4 Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive – Vergütungserwartung, die in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben ist, bestand auch hier. Während es bei Diensten höherer Art einen allgemeinen Rechtsgrundsatz nicht gibt, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist (BAG, Urteil vom 17.08.2011 – 5 AZR 406/10 – DB 2011, 2550 R 20), verhält es sich bei Leistung schlichter Büroarbeit gerade anders.



27


1.1.5 Bei einem Monatsgehalt von 2.000,00 € belief sich in der 40 Stundenwoche der Stundensatz der Klägerin auf (2.000,00 x 3/13 : 40 =) 11,54 €. Dieser erhöhte sich ab Mai 2010 auf (2.200,00 x 3/13 : 40 =) 12,69 €. Für Juli 2009 bis April 2010 errechnete sich daraus ein Betrag von (301,67 x 11,54 =) 3.481,27 € und für Mai bis September 2010 ein solcher von (70 x 12,69 =) 888,30 €, insgesamt mithin 4.369,57 €.



28


1.2 Verzugszinsen stehen der Klägerin aufgrund Mahnung gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB zu.



29


2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Montag, 23. Januar 2012

BAG erlaubt Weihnachtsgeldklausel, die den Anspruch im gekündigtenArbeitsverhältnis auch für betriebsbedingte Kündigung ausschließt

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgreichts vom 18.01.2012:

Der Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation kann vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden. Es kommt nicht darauf an, wer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat.

Eine entsprechende Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Voraussetzung ist, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist.

Die Klägerin macht die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation geltend, die mit der Vergütung für den Monat November zur Auszahlung kommen soll. Nach dem Arbeitsvertrag ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. November 2009 zum 31. Dezember 2009 gekündigt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Ob die Zahlung einer Sonderzuwendung unter die Bedingung des ungekündigten Bestehens des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt gestellt werden kann, ist abhängig von dem mit der Zuwendung verfolgten Zweck. Knüpft die Zahlung - wie vorliegend - nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, ist eine entsprechende Klausel mit der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB zu vereinbaren und hält einer Inhaltskontrolle stand.

Das Landesarbeitsgericht wird aufzuklären haben, ob der Eintritt der Bedingung treuwidrig herbeigeführt wurde und deshalb nach § 162 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt gilt. Die Klägerin hat behauptet, ihr sei gekündigt worden, weil sie nicht freiwillig auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation verzichtet habe.

  Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16. September 2010 - 15 Sa 812/10 -



Ende der Pressemitteilung


Anmerkung:


Dass ein gewinnabhängiger oder ein leistungsabhängiger Bonus in Kündigungsfällen nicht generell ausgeschlossen werden kann, hat das BAG bereits mehrfach als Verstoß gegen das AGB-Recht (unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB ) bewertet (BAG, Urteil vom 24.10.2007, 10 AZR 825/06; vgl. auch Urteil vom 06.05.2009, 10 AZR 443/08).



Diese Entscheidungen sind allerdings zu Lohnbestandteilen ergangen und nicht zu Gratifikationen, mit denen  Betriebstreue honoriert werden soll. Das LAG Hamm wollte diese Entscheidungen auf das klassische Weihnachtsgeld übertragen und hatte der Klägerin zunächst Recht gegeben. Das BAG ist dem nicht gefolgt und hat die Entscheidung des LAG aufgenommen.



Siehe auch:

Freitag, 20. Januar 2012

Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgesetzbuchs

Die Bundesregierung hatte während des Jahres 2011 einen Gesetzentwurf zur Änderung diverser sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften vorgelegt. Betroffen sind neben dem SGB IV insbesondere das SGB III, das SGB VI und das Sozialgerichtsgesetz. Der Bundesrat hatte am 8.07.2011 seine Stellungnahme beschlossen,  Bundestag und Bundesrat hatten den Gesetzentwurf am 01.12.2011 bzw. am 16.11.2011 in der Beschlussfassung des Ausschusses beschlossen.

Das Gesetz wurde am 29.12.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt im Grundsatz (vgl. Art. 23) zum 01.01.2012 in Kraft.



Inhalte

Das Gesetz hat kein Generalthema, sondern ändert verschiedene Vorschriften.



  • Regelung der Versicherungspflicht für Studenten dualer Studiengänge: Gleichstellung zu Auszubildenden nach dem BBiG für die gesamte Dauer des Studiums (der Gesetzgeber reagierte damit auf die Entscheidung BSG v. 1.12.2009 - B 12 R 4/08 R)



  • Vereinfachungen im Beitrags- und Meldeverfahren zur Sozialversicherung



  • Anpassungen an die Richtlinie 2009/52/EG (Sanktionsrichtlinie): Beschäftigungsfiktion von drei Monaten (§ 7 Abs. 4 SGB IV)



  • Hinzuverdienstmöglichkeiten für Ehrenbeamte (§§ 302, 313 SGB VI)



  • Datenübermittlung zwischen Meldebehörden und der gesetzlichen Rentenversicherung: Insbesondere durch die Übermittlung von Daten über Wiederverheiratungen sollen künftig Überzahlungen von Hinterbliebenenrenten verhindert werden (§ 78a Abs. 1a SGB VI)



  • Erstattungspflicht des Bundes bei sog. Behindertenwerkstätten (§§ 176, 179 SGB VI)



  • Datenübermittlung bei der Alterssicherung für Landwirte. Diese soll künftig auch die in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen, für die Zuschussgewährung relevanten Einkünfte, erfassen.



  • Verfahrensbeschleunigung im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit, insbesondere Zuständigkeitsfragen beim "Vertragsarztrecht" (§ 10 SGG)und Rücknahme im Berufungsverfahren (§ 156 SGG)



Zum Text im Bundesgesetzblatt:


BGBl I 2011, 3057 - Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011

Mittwoch, 18. Januar 2012

Gerichte bauen Klagemöglichkeit von Geschäftsführern vor denArbeitsgerichten weiter aus

Der  Herausgeber des Arbeitsrechtshandbuchs, Rechtsanwalt Hensche, hat sich in einer neueren Urteilsbesprechung mit dem Thema   Geschäftsführer-Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht befasst. Sowohl Studenten als auch GmbH-Geschäftsführern lege ich eine Lektüre des Artikels nahe.


Normalerweile ist dem Geschäftsführer der Zugang zu einem (kostengünstigen) Arbeitsgerichtsprozess  verwehrt, weil er nicht als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG ist (§ 5 Abs.1 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz). Danach „gelten“ Geschäftsführer nicht als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG. Das gilt auch dann, beachten, wenn ein Geschäftsführer Geschäftsführertätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages ausübt (Geschäftsführerstellung und Arbeitsverhältnis sind zwei verschiedene Dinge) .

Es gibt aber Ausnahmen. Manchmal gibt es ein Nebeneinander von Verträgen, wenn der GF vorher normaler Angestellter war und sozusagen zum GF befördert wurde. Bei Entzug der Geschäftsführerstellung lebt u.U. dieser alte Vertrag wieder auf. Für solche Fälle hat das BAG im letzten Jahr mehrfach entschieden, dass der Ex-Geschäftsführer vor das Arbeitsgericht ziehen kann (vgl- Urteilsabdruck bei Hensche: BAG, Beschluss vom 15.03.2011, 10 AZB 32/10, und BAG, Beschluss vom 23.08.2011, 10 AZB 51/10).

Damit hat das Bundesarbeitsgericht die früher  verschlossenen Türen zur Arbeitsgerichtsbarkeit ein wenig geöffnet.  Das bestätigt das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einer aktuellen Entscheidung (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.12.2011, 11 Ta 230/11). Die Problematik gehört zum Grundwissen des Arbeitsrechts und enthält viele Details aus dem Wissensgebiet. Die schöne Aufbereitung des Themas in der Urteilsbesprechung von Rechtanwalt Hensche ist mein Lesetipp für Studenten oder sonst Lernende:

Donnerstag, 5. Januar 2012

Das Elend mit ELENA - elendiglich, äh, endlich eingestellt

Endgültige Einstellung von ELENA: Seit dem 3.12.2011 müssen Arbeitgeber keine Daten mehr übermitteln.

Vor einem Jahr noch hieß es noch in diesem Blog: dass es mit Elena weitergeht, davon geht man aus, nur verzögert sich der eigentliche Start. Jetzt ist das Thema weg vom Tisch.


Am 2.12.2011 wurde das Gesetz zur Aufhebung von Vorschriften zum Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises (ELENA) im Bundesgesetzblatt verkündet. Die Aufhebung von ELENA ist damit am 3.12.2011 in Kraft getreten.

Ab diesem Zeitpunkt ist für Arbeitgeber die Pflicht entfallen, monatliche Meldungen zu Entgeltdaten im ELENA-Verfahren an die Zentrale Speicherstelle zu erstatten. Gleichzeitig werden keine Arbeitnehmerdaten mehr angenommen und alle bisher gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht.




Weitere Informationen zur Einstellung und Abwicklung des ELENA-Verfahrens finden Sie unter www.das-elena-verfahren.de.

Aus der ELENA-Webseite:



Mit dem ELENA-Gesetz wurde 2009 ein Verfahren beschlossen, das Anträge auf Sozialleistungen vereinfachen und beschleunigen sollte. Durch ein neues Gesetz, das am 03.12.2011 in Kraft getreten ist, werden nun das ELENA-Verfahren eingestellt und die gespeicherten Daten gelöscht.





Aus diesem Anlass haben wir die Website umgestellt:



Bisher wurde auf dieser Seite das ELENA-Verfahren beschrieben und erläutert. Diese (alten) Inhalte finden Sie nun im Archiv. Schwerpunkt der Website sind nun die Einstellung des ELENA-Verfahrens und die Löschung der Daten. Klicken Sie hierfür auf Einstellung und Löschung.



Außerdem haben wir aktuell besonders interessante Fragen der Arbeitgeber (sowie Softwareersteller) und Fragen der Teilnehmer in eigenen Übersichten zusammengestellt und beantwortet.



Links zu Unterseiten von ELENA: