Donnerstag, 1. Juli 2021

Sammlung von mündlichen Prüfungsfragen für Steuerfachangestellte

Diesen Frage-Antwort-Katalog habe ich im Rahmen der Prüfungsvorbereitung für die Schüler der "BFW Eckert-Schulen" erarbeitet. Er hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Rechtsstand: 2021.

Was versteht man unter Progressionsvorbehalt?

Das ist eine Besonderheit im ESt-Recht und die greift immer dann, wenn jemand neben steuerpflichten Einkünften auch bestimmte steuerfreie Einkommen hat, z.B. Arbeitslosengeld. Geregelt ist das in § 32b EStG. Die Regelung bewirkt, dass die ESt für die ESt-pflichtigen Einkünfte NICHT nach der ESt-Tarif-Formel des § 32a EStG berechnet wird, sondern ein so genannter "besonderer Steuersatz" angewandt wird.

Ab hier für Fortgeschrittene (also die, die sich das merken können):

Der besondere Steuersatz ist in § 32b definiert. Grob gesagt ist es der Durchschnittssteuersatz auf das fiktive Gesamteinkommen, also auf steuerpflichtiges Eink + steuerfreies Eink.

Ab hier für ganz Fortgeschrittene:

Man berechnet also erst die ESt für das fiktive Gesamteinkommen ganz normal gemäß dem ESt-Tarif in § 32a, setzt das Ergebnis in Verhältnis zum Gesamteinkommen und ermittelt so den Durchschnittsteuersatz. Der wird dann auf das steuerpflichtige Einkommen angewendet.

Was bedeutet Realsteuer?

Als Realsteuern definiert das Gesetz die beiden Steuern "Gewerbesteuer" und "Grundsteuer". Definition in § 3 AO.

Was ist der Unterschied zwischen Säumniszuschlag und Verspätungszuschlag

SZ § 240 AO für verspätete Zahlung
VZ § 152 AO für verspätete Abgabe einer Steuererklärung
(dann kann man natürlich noch Details über die beiden Zuschläge vorbringen, soweit man etwas dazu weiß)

Was wissen Sie zur Buchführungspflicht?

Es gibt neben der handelsrechtlichen BF-Pflicht die steuerrechtliche BF-Pflicht, die mit Ihrer Frage sicherlich gemeint ist, und die ist in den §§ 140 und 141 AO geregelt.

Zuerst prüft man, ob der Betreffende als Kaufmann nach HGB buchführungspflichtig ist, wenn ja, dann bewirkt § 140 AO, dass er auch steuerrechtlich BF-pflichtig ist.

Wenn nicht, dann prüft ma, ob die US oder Gewinn-Grenzen in § 141 AO überschritten wurden. Wenn entweder 60.000 Gewinn oder 600.000 US überschritten wurde, besteht Steuerpflicht. Der § 141 AO gilt aber nur für Gewerbetreibende und Land-und-Forstwirte.

(Wer jetzt ganz perfekt sein will, sagt noch): Für Landwirte gibt es noch einen weiteren Schwellenwert, nämlich das Betriebsvermögen. (Den Wert weiß man in der Regel nicht auswendig, aber das würde in einer mdl. Prüfung auch niemand erwarten).

Was ist der Unterschied zwischen Verjährung im Steuerrecht und Verjährung im BGB?

Zur Klarstellung: wenn, dann muss man hier die BGB-Verjährung mit der Zahlungsverjährung vergleichen - denn die ebenfalls existierende Festsetzungsverjährung passt hier nicht in einen Vergleich.

Der Hauptunterschied ist, dass im Steuerrecht die Zahlungspflicht erlischt, während im BGB nur eine Einrede entsteht, und auch bei Ausübung der Einrede erlischt nicht die Forderung, sondern ihre gerichtliche Geltendmachung wird unmöglich gemacht.

Für Fortgeschrittene

Es gibt weitere Unterschiede, z.B. bezüglich Hemmung und Unterbrechung, z.B. Stundung bewirkt in AO Unterbrechung im BGB nur Hemmung, ferner: einfache Mahnung unterbricht die Verjährung im Gegensatz zum BGB (wo die "Unterbrechung" mittlerweile als Neubeginn der Verjährung bezeichnet wird), nach Unterbrechung läuft neue Frist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs.

Was versteht man unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?

Wenn man unverschuldet eine Frist versäumt, kann man Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Dann kann man das versäumte nachholen und das wird als rechtzeitig behandelt. Hauptanwendung bei versäumter Einspruchsfrist, gilt aber allgemein, daher Regelung nicht bei den Einspruchsvorschriften, sondern "vorne" in § 110 AO. 

(Hinweis: entscheidend sind die Worte "unverschuldete Fristversäumnis". Es ist übrigens NICHT so, dass der § 110 nur für Einspruchsfristen gilt, sondern er gilt generell für Fristen. Nicht ganz richtig wäre also die Antwort "wenn man eine Einspruchsfrist versäumt")