Freitag, 28. Februar 2025

Wie man mit Gesetzen umgeht - Kurzeinführung für Fachwirte, Industriemeister, Betriebswirte etc.

Wer für eine Ausbildung zum Fachwirt oder Industriemeister oder Technischen Betriebswirt macht, wird zum ersten Mal mit Gesetzen konfrontiert. Er soll in Ausbildung - und auch in der Prüfung - mit Gesetzestexten arbeiten, er soll sie verstehen können und er soll sie richtig zitieren können.

Dieser Aufsatz ist eine Kurzeinführung und dazu gedacht, noch VOR dem Start der Kurse oder zumindest zu BEGINN der Ausbildung gelesen zu werden:


Über das Zitieren von Rechtsvorschriften in Prüfungen

Gesetze

Jedes Gesetz hat eine Langform und eine offizielle Abkürzung

  • Bürgerliches Gesetzbuch = BGB,

  • Teilzeit- und Befristungsgesetz = TzBfG

Paragraphen

Paragraphen haben oft Absätze, Sätze, und manchmal auch Nummern und Buchstaben. Es gibt mehrere mögliche Zitierweisen. Beispiele:

§ 622 Absatz 1 BGB oder § 622 Abs. 1 BGB oder § 622 (1) BGB

§ 622 Absatz 5 Satz 2 BGB oder § 622 Abs. 5 S. 2 BGB oder § 622 (5) 2 BGB

§ 622 Absatz 2 Nummer 3 BGB oder § 622 Abs 2 Nr. 3 BGB oder § 622 (2) Nr. 3 BGB


Manchmal wirken mehrere Paragraphen zusammen, um eine Rechtsfolge zu bewirken. Die Paragraphen werden dann entweder mit einem Komma verkettet, oder mit dem Kürzel „iVm“ (= in Verbindung mit)

Beispiel: In der Stellenausschreibung wurden nur "Bäcker" gesucht, das ist eine Geschlechterdiskriminierung und ein Verstoß gegen § 11 iVm § 7 iVm § 1 AGG 

alternativ: ... ein Verstoß gegen §§ 11,7,1 AGG



Manche Regelwerke haben statt Paragraphen "Artikel". Das Grundgesetz zum Beispiel, ebenso die für Industriemeister wichtige DS-GVO (europäische Datenschutzgrundverordnung). Da kann es dann sein, dass man innerhalb derselben Antwort sowohl einen Artikel aus der DSGVO als auch einen Paragraph aus dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zitieren muss (z.B. Notwendigkeit für Benennung eines Datenschutzbeauftragten ergibt sich aus Art 37 DSGVO und § 38 BDSG). Eine falsche Benennung wird der Korrektor verzeihen, aber man sollte es sich schon richtig angewöhnen, um sich nicht zu blamieren.

Bedeutung der Gesetze in der IHK-Prüfung

Paragraphen müssen nur zitiert werden, wenn dies die Aufgabe ausdrücklich verlangt.

Wenn das verlangt wird, erhalten Sie die volle Punktzahl nur, wenn Sie auch die Paragraphen nennen. Den Paragraphen alleine zu nennen, reicht aber umgekehrt auch nicht, Sie müssen eine Antwort formulieren und zusätzlich den Paragraphen nennen, aus dem sich das Ergebnis ergibt.

Beispiel für eine Prüfungsaufgabe:

Der Arbeitnehmer Anton Ahrensen arbeitet seit neun Jahren im Betrieb. Der Arbeitgeber will ihn kündigen. Erklären Sie - unter Angabe der einschlägigen Rechtsvorschrift - innerhalb welcher Kündigungsfrist der Angestellte Meier kündigen kann.

Antwort: drei Monate zum Ende eines Kalendermonats; § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB


Die IHK verlangt ausdrücklich, dass man in solchen Fällen neben der Paragraphennummer auch das Gesetz nennt (BGB), und bei größeren Paragraphen (wie hier) auch Absatz und Satz oder Nummer. Nur dann erhält man die volle Punktzahl. 

Hier ein Hinweis auf dem Deckblatt der IHK-Prüfung für Fachwirte 2024:



Typische Fehler beim Zitieren sind also:

  • Das Gesetz wird vergessen anzugeben, weil es dem Prüfling als selbstverständlich erscheint, dass er dieses Gesetz meint. Das führt zu Punktabzug (bzw. nicht voller Punktzahl). Dies ist den Kammern wirklich wichtig, egal ob IHK, Steuerberaterkammer oder Rechtsanwaltskammer!

    Falsch: § 622 Absatz 2

    Richtig: § 622 Absatz 2 BGB

  • Der Paragraph wird nicht genau genug mit Absatz und Satz zitiert, obwohl es notwendig erscheint, da der Paragraph in seinen Absätzen und Sätzen mehrere Dinge regelt. Auch das kann zu Punktverkürzungen führen

    Falsch: Die Kündigungsfrist für den Angestellten Meier, der sechs Jahre im Betrieb arbeitet, beträgt zwei Monate zum Monatsende, § 622 BGB

    Richtig: Die Kündigungsfrist für den Angestellten Meier, der sechs Jahre im Betrieb arbeitet, beträgt zwei Monate zum Monatsende, § 622 Abs. 2 Nr 2 BGB

Rechtsstand der Gesetze

Es ist Ihr eigenes Risiko, wenn Sie ältere Gesetze mitnehmen. Wer in 2023 mit einer zwei Jahre alten Sammlung "Arbeitsgesetze" (Stand 2021) arbeitete, fand beim Betriebsverfassungsgesetz noch ein Wahlalter von 18 Jahren bei der Betriebsratswahl, mittlerweile waren es aber 16 Jahre. Das hatte sich ab März 2022 geändert.

Es hilft Ihnen nicht, wenn Sie bei der Prüfung auf das Deckblatt schreiben, welche Auflagen Sie verwendet haben. Das lese ich häufig beim Korrigieren, aber das muss der Korrektor ignorieren. Denn die IHK gibt klare Anweisungen zum Rechtsstand, und zwar in der Liste über "zugelassene Hilfsmittel", die Sie im Internet unter ständig wechselnder URL finden. (siehe: https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/blob/39802/c8383c92ce0dcac54c28c4db88840353/zugelassene-hilfsmittel-data.pdf)

Bei Fachwirten, Technischen Betriebswirten und Industriemeistern gilt seit Jahren folgende Regelung

  • für die Frühjahrsprüfung gilt der Rechtsstand vom 31.12. des Vorjahres

  • für die Herbstprüfung jeweils der Rechtsstand vom 1. Januar des laufenden Jahres


Über den legale Aufbereitung von Gesetzen durch Markierungen, Unterstreichungen und Register habe ich einen eigene Aufsätze für die einzelnen Ausbildungsrichtungen geschrieben. Siehe in der Suchfunktion unter "Hilfsmittel".

Freitag, 10. Januar 2025

Prüfungsstatistik Fachwirte einschließlich Herbstprüfung 2024

 Hier ist meine aktualisierte Statistik von Prüfungsthemen für Fachwirte in "Recht und Steuern" unter Berücksichtigung der Herbstprüfung 2024:


Prüfungen Wirtschaftsfachwirt - Recht und Steuern

Jahr

Themen

2024/II

Rechtsfähigkeit bei Minderjährigen; Einzelheiten zum gesetzlichen Widerrufsrecht, Handelsrecht (Firma, Handelsregister), Wettbewerbsrecht (Kundenbewertungen), Umsatzsteuer (inkl. innergemeinschaftliche Lieferung), Gewinnermittlungsarten, nicht absetzbare Betriebsausgaben

2024/I

Verzug, Sachenrecht inklusive gutgläubiger Erwerb, Betriebsrat bei Kündigung, Wettbewerbsrecht (GWB), Einspruchsverfahren, Grundsteuer und Grunderwerbsteuer,

2023/II

AGB, Pfand und Sicherungsübereignung, Prokura, UWG (Telefonwerbung), GWB (marktbeherrschende Stellung); Verwaltungsakt und Bekanntgabe, Vorbehalt der Nachprüfung, Außenprüfung

2023/I

Unmöglichkeit, Sachenrecht inkl. gutgläubiger Erwerb, Betriebsrat, UWG, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer

2022/II

Vollmacht und Zustandekommen Vertrag, Gewährleistung (Sachmangel), Verjährung, Kreditsicherheiten (Pfand, Sicherungsübereignung), Handelsrecht (Kaufmannseigenschaft), Umsatzsteuer, Gewerbesteuer

2022/I

Zustandekommen Vertrag, Anfechtung; Gewährleistung bei aliud-Lieferung, Arbeitsrecht: Entgeltfortzahlung, AU-Bescheinigung, UWG: Spam, Rechte, gerichtliche Zuständigkeit. Gewerbesteuer (Berechnung, Rechtsmittel) Grundbegriffe Steuern (Gebühren, Beiträge, Auswirkungen einzelner Steuern auf Unternehmenserfolg)

2021/II

Zustandekommen Vertrag, WE-Zugang, Leistungsort, Sachenrecht: Eigentum/Besitz und Eigentumsübergang § 94; Mutterschutzgesetz, Steuern bei KG, Bewirtungsaufwendungen, UST: Kleinunternehmer, Rechnungsbestandteile

2021/I

Vertragsarten, Vorvertragliches Schuldverhältnis, Eigentum/Besitz, Gewährleistung, Arbeitsrecht (TzBfG), Insolvenzrecht, Abgabenordnung (Verspätungszuschlag, Säumniszuschlag), USt-Voranmeldung, Gewerbesteuer

2020/II

Formvorschriften, Gewährleistung, Handelsrecht (Handelsvertreter), Insolvenzrecht, Abgabenordnung (Verwaltungsakt und Bekanntgabe), KSt und ESt (Abziehbarkeit Geschenke)

2020/I

Anfechtung, Gewährleistung (Sachmangel), Handelsrecht (Prokura), Abschluss Arbeitsvertrag, ArbZG, EStG (Wesen) und unbeschr./beschr. Steuerpflicht, Umsatzsteuer (Verfahrensablauf, Steuerfreiheit)

2019/II

Begriffe (Personen, Sachen, Tiere), Verzug, Handelsregister, Arbeitsrecht (Urlaub, o.Arbeit kein Lohn), Rechtsmittel (Einspruchsverfahren 347ff AO), Vorsteuer

2019/I

Zustandekommen Vertrag, Gewährleistung und Verjährungen, Insolvenz, fristlose Kündigung, Umsatzsteuer (Rechnungen), Steuerarten im Betrieb

2018/II

Anfechtung, Kaufvertrag, Gefahrenübergang, Gerichtsstand, Begründung Arbeitsverhältnis und Formvorschriften, Urlaub, Nachweisgesetz; Kreditsicherheiten (Bürgschaft, Pfand etc); Gewerbesteuer, Umsatzsteuer

2018 /I

Anfechtung, Verzug, Handelsrecht (Handelsregister), Arbeitszeugnis, ; Steuerdefinition AO, direkte und indirekte Steuern, Grunderwerbsteuer,

2017/II

beschränkte Geschäftsfähigkeit, Gewährleistung Kaufvertrag, Sachenrecht (Eigentum - Besitz), Kaufmannseigenschaft und Firma, Abgabenordnung (Fristen und Dreitagesfiktion bei Bekanntgabe), USt-Kleinunternehmer

2017/I

Zustandekommen Vertrag - Antrag und Annahme; Sachmängel; Verbrauchsgüterkauf und 6-Monate Beweislastumkehr

Insolvenzverfahren (Eröffnungsgründe, Verfahren, Quote)

Eigentumsübertragung und gutgläubiger Erwerb; kfm. Auswirkung von Steuern (USt, LSt, GewSt, GrSt); Berechnungsschema Gewerbesteuer

2016/II

Vertragsarten; Verjährungen, Unmöglichkeit, Befristeter Arbeitsvertrag, Eigentum und Besitz; gutgläubiger Erwerb, steuerrechtliche Grundbegriffe, USt und Vorsteuer,

2016/I

Sachmangel/Gewährleistung beim Kauf; Wettbewerbsrecht (Rechtsfolgen); Prokura im Handelsrecht, Scheinvertrag und Vertragsschluss bei Grundstückskauf (für Nichtjuristen kaum lösbar); Definition Steuerverwaltungsakt; Berechnungsschema ESt

2015/II

AGB, Mietvertrag i.V.m. Sachenrecht, Gewährleistung iVm 377 HGB, Insolvenzrecht, Verwaltungsakt Bekanntgabe, KSt-Berechnung in Abhängigkeit vom EStG, Steuern im GmbH-Alltag

2015/I

Hauptpflichten verschiedener Vertragsarten, Unterschied Miete und Pacht; Unfall und Schadenersatz (Unerlaubte Handlung und Pflichtverletzung); Finanzierungssicherheiten, Kündigungsschutzgesetz, Vorsteuer bzw. USt-Rechnung, Definition Legislative etc.

2014/II

Definitionen Personen/Sachen, Gewährleistung/ Sachmängel beim Kauf, Eigentumsvorbehalt, Prokura, typische Steuern im Betrieb

2014/I

Minderjähriger, Zahlungsverzug, Tarifvertragsrecht, HGB: Kaufmannseigenschaft, Handelsregister; Grundbegriffe Steuern (Steuern Gebühren Beiträge) Umsatzsteuerabführung kombiniert mit Verspätungszuschlag und Säumniszuschlag;

2013/II

AGB, Anfechtung Mietvertrag (Lösung im juristischen Prüfungsstil, für Nichtjuristen kaum machbar); Definition Gewerbe, Definition Kaufmannseigenschaft, Insolvenzrecht, Berechnungsschema ESt

2013/I

Juristische Personen, Eigentum, Besitz, § 985, Gutgläubiger Erwerb, Grundpflichten Arbeitsvertrag, Nebenpflichten Arbeitsvertrag, Urlaub, Gewährleistung und Garantie, Grunderwerbsteuer, Verwaltungsakt

2012/II

mehrseitige Rechtsgeschäfte, Insolvenzrecht, Arbeitszeitordnung, Vertragsschluss, Steuertarif im EStG, Gewerbesteuerpflicht

2012/I

Geschäftsfähigkeit; Formvorschriften, Verzug, Fristlose Kündigung, Abmahnung, Sicherungsübereignung, Pfandrecht, Bürgschaft, Steuerrecht: Steuerverfahren bzw. Gliederung der AO; Grundsteuer und Grunderwebsteuer, Verkehrssteuern und Besitzsteuern

2011/II

Verbraucherbegriff, Sachmängel/Gewährleistung, Betriebsrat/BetrVerfG, Sicherungsübereignung und Pfandrecht, Steuerarten (Verkehrssteuer/Besitzsteuer)

2011/I

Hauptpflichten diverser Vertragsarten, Unterschied Miete und Pacht, Prokura, Insolvenzrecht, Befristete Arbeitsverträge/TzBfrG, KSt und Steuern im GmbH-Alltag, USt-Systematik

2010/II

Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, Grundpflichten Kaufvertrag, beschr. Geschäftsfähigkeit, Vorgesellschaft zur GmbH, Formvorschriften, Wesen der AO, Steuerliche Nebenleistungen, Lohnsteuerklassen

2010/I

Grundbegriffe Sachen/Personen, Gewährleistung/Sachmängel, Handelsvertreter, Annahme der Willenserklärung eines Verstorbenen (Spezialfall); UWG, Steuerdefinition, ESt-Natur, unbeschränkte Steuerpflicht


Ab 2010 wurde nach dem damals neuen (gründlich reformierten und bis heute gültigen) Stoffplan geprüft. Frühere Prüfungen sind deshalb uninteressant.