Wer für eine Ausbildung zum Fachwirt oder Industriemeister oder Technischen Betriebswirt macht, wird zum ersten Mal mit Gesetzen konfrontiert. Er soll in Ausbildung - und auch in der Prüfung - mit Gesetzestexten arbeiten, er soll sie verstehen können und er soll sie richtig zitieren können.
Dieser Aufsatz ist eine Kurzeinführung und dazu gedacht, noch VOR dem Start der Kurse oder zumindest zu BEGINN der Ausbildung gelesen zu werden:
Über das Zitieren von Rechtsvorschriften in Prüfungen
Gesetze
Jedes Gesetz hat eine Langform und eine offizielle Abkürzung
Bürgerliches Gesetzbuch = BGB,
Teilzeit- und Befristungsgesetz = TzBfG
Paragraphen
Paragraphen haben oft Absätze, Sätze, und manchmal auch Nummern und Buchstaben. Es gibt mehrere mögliche Zitierweisen. Beispiele:
§ 622 Absatz 1 BGB oder § 622 Abs. 1 BGB oder § 622 (1) BGB
§ 622 Absatz 5 Satz 2 BGB oder § 622 Abs. 5 S. 2 BGB oder § 622 (5) 2 BGB
§ 622 Absatz 2 Nummer 3 BGB oder § 622 Abs 2 Nr. 3 BGB oder § 622 (2) Nr. 3 BGB
Manchmal wirken mehrere Paragraphen zusammen, um eine Rechtsfolge zu bewirken. Die Paragraphen werden dann entweder mit einem Komma verkettet, oder mit dem Kürzel „iVm“ (= in Verbindung mit)
Beispiel: In der Stellenausschreibung wurden nur "Bäcker" gesucht, das ist eine Geschlechterdiskriminierung und ein Verstoß gegen § 11 iVm § 7 iVm § 1 AGG
alternativ: ... ein Verstoß gegen §§ 11,7,1 AGG
Bedeutung der Gesetze in der IHK-Prüfung
Paragraphen müssen nur zitiert werden, wenn dies die Aufgabe ausdrücklich verlangt.
Wenn das verlangt wird, erhalten Sie die volle Punktzahl nur, wenn Sie auch die Paragraphen nennen. Den Paragraphen alleine zu nennen, reicht aber umgekehrt auch nicht, Sie müssen eine Antwort formulieren und zusätzlich den Paragraphen nennen, aus dem sich das Ergebnis ergibt.
Beispiel für eine Prüfungsaufgabe:
Der Arbeitnehmer Anton Ahrensen arbeitet seit neun Jahren im Betrieb. Der Arbeitgeber will ihn kündigen. Erklären Sie - unter Angabe der einschlägigen Rechtsvorschrift - innerhalb welcher Kündigungsfrist der Angestellte Meier kündigen kann.
Antwort: drei Monate zum Ende eines Kalendermonats; § 622 Abs. 2 Nr. 3 BGB
Die IHK verlangt ausdrücklich, dass man in solchen Fällen neben der Paragraphennummer auch das Gesetz nennt (BGB), und bei größeren Paragraphen (wie hier) auch Absatz und Satz oder Nummer. Nur dann erhält man die volle Punktzahl.
Hier ein Hinweis auf dem Deckblatt der IHK-Prüfung für Fachwirte 2024:
Typische Fehler beim Zitieren sind also:
Das Gesetz wird vergessen anzugeben, weil es dem Prüfling als selbstverständlich erscheint, dass er dieses Gesetz meint. Das führt zu Punktabzug (bzw. nicht voller Punktzahl). Dies ist den Kammern wirklich wichtig, egal ob IHK, Steuerberaterkammer oder Rechtsanwaltskammer!
Falsch: § 622 Absatz 2Richtig: § 622 Absatz 2 BGB
Der Paragraph wird nicht genau genug mit Absatz und Satz zitiert, obwohl es notwendig erscheint, da der Paragraph in seinen Absätzen und Sätzen mehrere Dinge regelt. Auch das kann zu Punktverkürzungen führen
Falsch: Die Kündigungsfrist für den Angestellten Meier, der sechs Jahre im Betrieb arbeitet, beträgt zwei Monate zum Monatsende, § 622 BGB
Richtig: Die Kündigungsfrist für den Angestellten Meier, der sechs Jahre im Betrieb arbeitet, beträgt zwei Monate zum Monatsende, § 622 Abs. 2 Nr 2 BGB
Rechtsstand der Gesetze
Es ist Ihr eigenes Risiko, wenn Sie ältere Gesetze mitnehmen. Wer in 2023 mit einer zwei Jahre alten Sammlung "Arbeitsgesetze" (Stand 2021) arbeitete, fand beim Betriebsverfassungsgesetz noch ein Wahlalter von 18 Jahren bei der Betriebsratswahl, mittlerweile waren es aber 16 Jahre. Das hatte sich ab März 2022 geändert.
Es hilft Ihnen nicht, wenn Sie bei der Prüfung auf das Deckblatt schreiben, welche Auflagen Sie verwendet haben. Das lese ich häufig beim Korrigieren, aber das muss der Korrektor ignorieren. Denn die IHK gibt klare Anweisungen zum Rechtsstand, und zwar in der Liste über "zugelassene Hilfsmittel", die Sie im Internet unter ständig wechselnder URL finden. (siehe: https://www.dihk-bildungs-gmbh.de/resource/blob/39802/c8383c92ce0dcac54c28c4db88840353/zugelassene-hilfsmittel-data.pdf)
Bei Fachwirten, Technischen Betriebswirten und Industriemeistern gilt seit Jahren folgende Regelung
für die Frühjahrsprüfung gilt der Rechtsstand vom 31.12. des Vorjahres
für die Herbstprüfung jeweils der Rechtsstand vom 1. Januar des laufenden Jahres