1. Was Dozenten und Studenten quält
Eines der üblichen Probleme von Studenten ist die Suche nach einem Thema für eine Hausarbeit (Seminararbeit, Semesterarbeit, Bachelor-Arbeit, Master-Arbeit etc). Zusammen mit BWL-Studenten der DIPLOMA-Fachhochschulen diskutierten wir vor kurzem über mögliche Themen im Bereich Steuern und Revision (Rechnungswesen).
Dieses Thema dürfte auch viele andere Dozenten und Studenten interessieren. Ich selbst kann nur einige wenige Betreuungen übernehmen. Ich habe deshalb angekündigt, einige aktuelle Steuerrechtsfragen in meine Webseite einzustellen, die als Anregungen für die Suche nach Hausarbeitsthemen dienen.
2. Schwerpunkt Rechtsformen und Steuerrechsänderungen
Schwerpunkt in nachfolgender Liste von Fragen sind dabei Standardthemen, die für das Jahr 2010 völlig neu zu untersuchen sind.
Aus meiner Unterrichtstätigkeit stoße ich wegen der kumulierten Rechtsänderungen der letzten zwei bis dreii Jahre auf das Problem, dass sich bei den Standardthemen, über die ich seit über zwei Jahrezehnten referiere alle Aspekte so grundlegend verschoben haben, dass fast jedes Thema neu erarbeitet werden muss. Ein Beispiel ist mein Lieblingthema "Rechtsformen". Die steuerlichen Aspekte waren bis 2008 zwar etwas aufwändiger zu verfolgen als die zivilrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Aspekt, blieben aber letztlich kein Problem, wenn man auch steuerlich unterrichtet. Durch die seit 2008 erfolgten Rechtsänderungen (BilMoG, Unternehmensteuerreform, Gwerbesteuerreform, Erbschaftssteuerreform und Begünstigungen bei der Unternehmensnachfolge) und deren Wechselwirkungen untereinander lässt sich praktisch keine Aussage mehr übernehmen. Die gegenseitigen Auswirkungen sind so komplex, als wenn man bei einem Schachspiel nicht nur eine oder zwei, sondern fünf Regeln geändert.
Bei einer Vorlesung im letzten Semester zu dem Thema "Steuerliche Aspekte bei der Rechtsformwahl" (im Anschluss an die Themen "Steuerliche Aspekte bei der Finanzierung, bei Investitionen, bei der Produktion, beim Absatz und bei der Standortwahl") stellte sich heraus, dass alle bisherigen Erkenntnisse über den Haufen zu werfen und die vor- und Nachteile neu durchgespielt werden mussten.
Steuerliche Aspekte, die dabei beachtet werden müssen, sind u.a.
- Neuregelung der Anrechnung von Zinsen, Mieten und anderen Finanzierungsaufwendungen in § 8 Nr. 1 GewStG (und dort insbes. der versteckte Freibetrag von 100.000 Euro am Ende der Vorschrift)
- Neuregelung der Anrechnung der Gewerbesteuer im EStG bei der Ausschüttung (jetzt das 3,8 fache des Gewerbesteuermessbetrags, was bei bundesweit durchschnittlich 390% Hebesatz in vielen Fällen einer Neutralisierung der Gewerbesteuer gleichkommt)
- Abgeltungssteuer bzw. Kapitalertragsteuer, bei der Ausschüttung von GmbH-Dividenden bei Wahl dieser Rechtsform (25%+, aber nur bei privater Haltung und anderen Einschränkungen und Kompliziertheiten
- Körperschaftsteuer nur noch 15 %
- Thesaurierungsbegünstigung bei Personengesellschaften, §34a EStG, (die Thesaurierungsbegünstigung ist eine steuerliche Regelung, die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform in Deutschland ab 1. Januar 2008 eingeführt worden ist. Mit der Regelung war eine Angleichung an die gesunkene Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften beabsichtigt. Gleichzeitig soll ein Anreiz für eine bessere Eigenkapitalausstattung entstehen. In Deutschland gab es bereits in den Jahren 1931 und 1950 eine vergleichbare Regelung, die jedoch in beiden Fällen aufgrund mangelnder Praktikabilität zurückgenommen wurden)
- Erbschaftsteuerbegünstigung bei Firmenfortführung, § 13a ErbStG (Folge der ErbSt-Reform)
- Neues Bewertungsverfahren bei Kapitalgesellschaften, § 199 ff BewG (Folge der ErbSt-Reform)
- Wegfall der Rechtsinstituts des kapitalersetzenden Darlehen bei Kapitalgesellschaften (mit dem MoMiG wurden die §§ 32a, 32b GmbHG ersatzlos aufgehoben)
- Versteuerung von Veräußerungsgewinn und Betriebsaufgabegewinn bei Personengesellschaften und Einzelunternehmern (§ 16 Abs. 3, 34 EStG)
- Versteuerung von Veräußerungsgewinn und Betriebsaufgabegewinn bei juristischen Personen (§ 17 EStG, Beachtung des Teileinkünfteverfahren mit all seinen Varianten und Tücken)
- steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Verträgen zwischen Gesellschaftern und Kapitalgesellschaft und die neuere Rechtsentwicklung hierzu, insbesondere
- Gesellschafterdarlehen und Mietverträge, wiederum in Wechselwirkung mit Hinzurechnung nach § 8 Nr.1 GewStG, aber nur wenn Freibetrag überschritten ist
- Möglichkeit der Kombination mit dem Institut der "Betriebsaufspaltung"
- Rechtsentwicklung bei der Betriebsaufspaltung (BFH, Urteil vom 14.10.2009, Az.: X R 45/06, veröffentlicht am 27.1.2010.)
- die mit dem BilMoG entstandene Möglichkeit auf handelsrechtliche Abschreibungsmethoden zurück zugreifen, oder allgemein das Auseinanderfallen von Handelsbilanz und Steuerbilanz (Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit)
- und durchaus mehr! Ich will aber den Studenten hier nicht die Arbeit abnehmen.
Da die Arbeiten in der Regel von Betriebswirten und Wirtschaftsjuristen geschrieben werden, ist es durchaus sinnvoll, in gesamtheitlicher Betrachtungsweise auch nicht-steuerliche Aspekte mit einzubeziehen: Behandlung im Insolvenzrecht, kaufmännische und organisatorische Aspekte usf.
3. Hier nun mein Katalog an aktuellen Steuerrechtsfragen, in Stichworten
- Steuerliche Aspekte der Unternehmensnachfolge 2010
- Steuerliche und rechtliche Aspekte der Unternehmensnachfolge 2010
- Unterschiedliche Rechtsformen und steuerliche Auswirkung bei der Betriebsnachfolge 2010
- Steuerliche und andere Rechtsänderungen und Auswirkung auf Rechtsform + Betriebsnachfolge
- Steuerliche Änderungen der letzten drei Jahre und Auswirkung auf Rechtsformen
- Steuerliche und rechtliche Änderungen der letzten drei Jahre und Auswirkung auf Rechtsformen
- Limited, UG beschränkt, GmbH im Vergleich (2010)
- BilMoG und Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit (z.B. Neuaufleben handelsrechtlicher Abschreibungsmöglichkeiten wie z.B. progressive AfA, Auswirkungen auf GWG-Behandlung in der Handelsbilanz)
- GWG-Regelung und Software (2010)
- GWG in Steuerbilanz und Handelsbilanz (2010)
- GWG beim Überschussrechner (Gewinneinkunftsarten), 2010
- Software und Bagatellsoftware im Steuerrecht (2010)
- Bagatellsoftware und Abgrenzungsfragen (steuerlich, zivilrechtlich)
- Software inkl. Bagatellsoftware - Gesamtschau Steuerrecht und Zivilrecht
- Der Untergang der Einheitsbilanz nach dem BilMoG
- Einheitsbilanz, Steuerbilanz und Handelsbilanz - Auswirkung des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit im Rechungswesen.
- Über das Regierungsgutachten zur Flat-Tax aus dem Jahre 2004 (Wird es absichtlich totgeschwiegen? Wurde es überhaupt von den Experten in Bundestag und Bundesregierung ausgewertet? Welche Kritikpunkte und welche Reaktionen gab es auf das Flat-Tax-Gutachten?)
- Das Flat-Tax-Gutachten von 2004 aus heutiger Sicht (2010); oder: Rechtsänderungen der letzten Jahre und ihre Auswirkungen auf die Argumentation im Flat-Tax-Gutachten 2004
- Vor- und Nachteile der Einführung eines einheitlichen Steuersatzes (Flat-Tax)
- Bestehen bei heutiger Rechtslage und ihrer steuerlichen Auswirkungen noch kalkulierbare Vorhersagen bezüglich der Rechtsformwahl im Rahmen von Unternehmensgründungen?
- Die Besteuerung der GmbH & Co KG
- GmbH & Co KG 2010: Gesamtheitliche Betrachtung steuerlicher, gesellschaftsrechtlicher und zivilrechtlicher Aspekte
- Erleichterung der handelsrechtlichen Buchführungspflicht für Einzelunternehmer nach dem BilMoG: Wechselwirkung? Praktikabilität? Vor- und Nachteile?
- Steuerliche Aspekte bei der Rechtsformwahl 2010 (Hammerthema, müsste beschränkt werden)
- Welche steuerlichen Aspekte spielen bei der Rechtsformwahl bei Unternehmensgründungen welche Rolle?
- Die Neuregelung des Orts der sonstigen Leistung im UStG in 2010: Neuregelung in der Praxis? In der Buchhaltung? Gesamtschau mit Vergleich zur früheren Rechtslage?
- Zum Begriff der latenten Steuern nach der Bilanzmodernisierung (beschränkt auf nationales Recht, also ohne IFRS).
- Gesamtbetrachtung: USt bei Lieferungen und Leistungen innerhalb der EU nach der Änderung des Orts der sonstigen Leistung im UStG (Systematik der Steuerverlagerung im Vergleich: innergemeinschaftliche Lieferung an Unternehmer, kleiner und großer Versandhandel gegenüber Privatabnehmern, "reverse charge" bei sonstigen Leistungen). Bei diesem Thema müsste man wohl man die verbliebenen Sonderfälle der Ortsregelung (§§ 3b bis 3g UStG) ausnehmen, es sei denn, es soll eine Masterarbeit werden.
- Gesamtbetrachtung: USt beim Import/Export (ohne sonstige Leistungen): Vergleich zwischen den Lösungen zur Verlagung der USt in das EU-Ausland oder vom EU-Ausland in das Inland (Lösung über Ort der Leistung, Lösung über reverse charge Verfahren, Fahrzeugeinzelbesteuerung beim Import von Neufahrzeugen durch Private, kleiner und großer Versandhandel, Einfuhr und Ausfuhr). Unter Umständen kann man die Drittlandgeschäfte, also Einfuhr und Ausfuhr, ausklammern.
- Die beiden oben genannten Gesamtbetrachtungen der USt bei den unterschiedlichen Fallgruppen im Geschäftsverkehr mit dem EU-Ausland könnten auch aus mehr praktischer Sicht (Unternehmersicht) erfolgen, sofern der wissenschaftliche Wert nicht vollständig verloren geht.
4. Gesamtheitliche Betrachtungen
Bei all den genannten Themen sind aus meiner Sicht zwei Aspekte wichtig:
a) Die Betrachtungen sollten auf die aktuelle Rechtslage oder eine fest definierte Rechtslage beschränkt sein (z.B. Rechtslage 2010, oder Rechtslage ab November 2010). Eine Betrachtung der Rechtslage vor 2010 ist zwar nicht wertlos, aber schade um die Ressourcen.
b) Die Erörterungen sollten gesamtheitliche erfolgen, soweit das möglich und praktikabel erscheint.
Das Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten durch Studenten und Doktoranten ist ein wichtiger Teil der Wissenschaft. Zusammen mit den Veröffentlichungen von Professoren, Dozenten und anderen Fachleuten in Fachzeitschriften, Monografien, Handbüchern und Kommentaren bilden sie die notwendige Hintergrundarbeit, damit die Praxis mit den Rechtsvorschriften umgehen kann. Kein Richter, kein Anwalt, kein Verwaltungsjurist und kein Steuerberater könnte Fälle bearbeiten ohne den Rückgriff auf Fachliteratur, in der die vielen Aspekte und Fragen vorbereitet und durchgekaut sind. Auch die Wissenschaftler selbst können nur Neues erarbeiten, wenn sie auf diesen ständig gewebten Wissensteppich aufbauen können.
Derzeit ist die Wissenschaft im Rückstand. Angesichts der rasanten Änderung grundlegender Rechtsregeln in den letzten Jahren und angesichts der teils abstrusen Ausformulierung der einzelnen Regelungen, kann die Fachwelt nicht mehr genug aktuelles Material liefern. Daher sollten Dozenten und Studenten darauf achten, dass diese wichtige Ressource der "Hausarbeiten" (i.w.S.) nicht verschwendet wird. Die Themen sollten nützlich für Fachwelt und Praxis sein.
Aus der Sicht der Beratungspraxis und der Unterrichtspraxis besteht Bedarf an gesamtheitlichen Publikationen, die einem lösungsorientierten Ansatz entsprechen. Ein Aufsatz über die Auswirkung einer speziellen Steuerrechtsänderung auf die Besteuerung in der GmbH & Co KG ist sicherlich nicht wertlos. In der Praxis stellt sich aber oft die Frage: soll ich die Form der Personengesellschaft oder die der GmbH, evtl. GmbH & Co KG, wählen? Dabei kann sich der Unternehmer oder der Berater nicht auf einem einzelnen Aspekt ausruhen - er muss alle möglichen Aspekte durchgehen.
5. Einige Linktipps:
Das Wichtigste von A - Z über die GmbH & Co KG
Steuerliche Aspekte der Betriebsübergabe
Vortrag von Müller & Düe im Januar 2010
http://www.treuhandkurpfalz.de/cms/download/info/2010/SteuerlicheAspekteEinerUnternehmensnachfolge17062010.pdf
http://www.izw.info/index.php/fuseaction/download/lrn_file/eg_cokg_lexikon_09_03.pdf
Diverse Aufsätze zu steuerlichen Themen auf zingel.de bzw. der-bwl-bote.de (insbesondere in 2009 erschienene Artikel)
Das Aus für die Rechsform der Personengesellschaft durch die Unternehmensteuerreform 2008 (http://www.psp.eu)
http://www.konz-steuertipps.de/konz/lexikon/G/GmbH-Co_-KG.html
http://www.konz-steuertipps.de/konz/lexikon/D/Doppel-und-mehrstoeckige-Personengesellschaften.html
http://www.konz-steuertipps.de/konz/lexikon/S/Sonderbilanz.html
Was hätte man sonst machen können? Alternativszenarien zur rot-grünen Einkommensteuerreform Timm Bönke und Giacomo Corneo, Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin
Volkswirtschaftliche Reihe 2006/3 (betrifft u.a. Flat-Tax, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht):
http://www.wiwiss.fu-berlin.de/verwaltung-service/bibliothek/diskussionsbeitraege/diskussionsbeitraege-wiwiss/files-diskussionsbeitraege-wiwiss/discpaper03_06.pdf
6. Aufruf an Dozenten und Steuerfachleute
Ich möchte alle Dozentenkollegen und Steuerfachleute dazu aufrufen, selbst aktuelle Themen vor zu schlagen. Sie können dies auf ihren eigenen Webseiten machen oder auch hier als Kommentar hinterlassen.