Freitag, 4. Januar 2013

Bildungsflanke: Was jedermann über den Kündigungsschutz wissen sollte

Thema ist der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz. Es gibt auch den mietrechtlichen. Der Aufsatz richtet sich nicht an Studenten oder Auszubildende, sondern an den Normalbürger und verzichtet auf Details.

Allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen Arbeitnehmer nur, wenn sie in einem Betrieb beschäftigt sind, in dem regelmäßig mehr als zehn (in Übergangsfällen mehr als fünf) Arbeitnehmer - ohne die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten - beschäftigt werden (§ 23 Abs. 1 KSchG).

Es entspricht bislang nahezu einhelliger Auffassung, dass dabei nur solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen sind, die in einem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen. Leiharbeitnehmer sind daher im Entleiherbetrieb nicht zu berücksichtigen. Sie zählen nur im Betrieb des Verleihers. Dies gelte unabhängig von der Dauer ihrer Überlassung, so die herkömmliche Auffassung.

Diese Auffassung stellt die Revision im Verfahren 2 AZR 140/12 vor dem Bundesarbeitsgericht zur Überprüfung. Der Verhandlungstermin ist am 24.01.2013. Die Fachleute warten gespannt.

Aber ich nehme die Meldung als Anlass, um generelle Missverständnisse über den KSchG aufzudecken.

Der Grenzwert

Aus Vorlesungen und Ausbildungsunterricht weiß ich, dass falsche Vorstellungen über die Zahl der Arbeitnehmer herrschen, die die Grenze für den Kündigungsschutz bilden. Fünf sagen einige, zehn andere, zwanzig wieder andere.

Im Gesetz steht scheinbar Fünf als Grenze, § 23 KSchG; das ist aber unglücklich formuliert. In Wirklichkeit sind es zehn. Merke also:

Mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb -> Kündigungsschutz nach KSchG
(für manche Arbeitnehmer gilt eine Grenze von mehr als 5 Arbeitnehmer)

Es gab eine Zeit, da hat man experimentiert und die Grenze auf Fünf vermindert. Etwas, was man nicht tun sollte, aber so geschehen ist.  Nach ein paar Jahren hat man die Grenze wieder auf 10 angehoben.

Für die Altfälle musste eine Ausnahmeregelung geschaffen werden, als man die Grenze wieder auf 10 anhob.



Dummerweise steht die Ausnahme jetzt als erstes im Gesetz. Im nächsten Satz des § 23 KSchG kommt dann die eigentlich gültige Regelung mit der Grenze von 10 Arbeitnehmern. Das Ganze ist so formuliert, dass es ein Normalleser nicht versteht.

Grob gesagt, denn in diesem Beitrag will ich nicht zu tief gehen: wer in einer  Zeit eingestellt wurde, als eine Grenze von "fünf Arbeitnehmern" galt, darf nicht einfach aus dem Schutzbereich fallen, nachdem die Grenze wieder auf 10 gestellt wurde. Darum die etwas verwirrende Gesamtregelung in § 23 KSchG.

Die zweite Voraussetzung

Die zweite und zusätzliche Voraussetzung für den Kündigungsschutz hängt vom einzelnen Arbeitnehmer ab. Er muss seit mindestens 6 Monaten im Betrieb beschäftigt sein. Das steht nicht am Ende des Gesetzes, so wie die o.g. Grenze von 10 Arbeitnehmern, sondern steckt ganz am Anfang in § 1 des KSchG. Verwirrend, nicht wahr?


Was ist überhaupt Kündigungsschutz?

Aus Vorlesungen und Seminaren weiß ich auch, dass eigentlich kaum jemand eine richtige Vorstellung hat, was Kündigungsschutz bedeutet - außer er ist Fachmann oder in der Gewerkschaft, natürlich. Irgendwas mit Fristen, meinen viele, oder was in Bezug auf Schwangere und Schwerbehinderte. Und wenn ich weiter bohre, stellt sich heraus, dass der eigentliche Kern völlig unbekannt ist.

Kündigungsschutz hat nichts mit Fristen zu tun

Fristen sind fast immer einzuhalten, egal ob Kündigungsschutz gilt oder nicht. Die Fristen stehen in § 622 BGB und beginnen bei 4 Wochen zur Monatsmitte oder zum Monatsende. Sie verlängern sich unter Umständen gemäß der in § 622 genannten Liste. Wenn der Arbeitnehmer kündigt, muss er diese Fristen einhalten (ausnahme: außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund, in der Praxis auch fristlose Kündigung genannt).

Aber: das BGB erlaubt eine Kündigung ohne besonderen Grund. Arbeitet der Arbeitnehmer nicht so, wie es sich der Arbeitgeber vorstellt, könnte er ohne besonderen Grund kündigen.


Hier greift das Kündigungsschutzgesetz ein, das aber nicht immer gilt. Wenn es gilt, bewirkt es, dass nur noch aus  bestimmten Gründen gekündigt werden kann, ähnlich wie im Wohnraummietrecht. Die Gründe sind im KSchG genannt.

Das KSchG gilt aber nur, wenn der Betrieb größer ist, also mehr als 10 Arbeitnehmer hat. Und ferner nur, wenn der Arbeitnehmer schon 6 Monate dabei ist.

In einem kleineren Betrieb hat der Arbeitnehmer keinen Kündigungsschutz. Er kann ohne weiteres gekündigt werden und hat nur die Fristen als "Schutz". Es gibt also sehr viele Arbeitnehmer, für der allgemeine Kündigungsschutz gar nicht gilt.

Der Gedanke bei der 10-Arbeitnehmer-Zahl  ist, dass es einem Arbeitgeber erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße zugemutet wird, dass er Arbeitnehmer mitschleppt, die er eigentlich nicht will. Sofern er nicht Fehler macht oder sonst  bestimmte Gründe vorliegen, die im KSchG genannt werden.

Was ist dann besonderer Kündigungsschutz?

Der oben besprochene Kündigungsschutz ist im KSchG geregelt und wird allgemeiner Kündigungsschutz genannt - obwohl er eben nicht allgemein ist.

Daneben gibt es den besonderen Kündigungsschutz, zum Beispiel für Schwangere und Mütter.

Der besondere Kündigungsschutz ist nicht im KSchG geregelt, sondern findet sich verstreut in Sondergesetzen.

Beispiele:

Schwangere und bestimmte Mütter - > Mutterschutzgesetz
Betriebsratsmitglieder -> Betriebsverfassungsgesetz


Fortsetzung folgt