Vor kurzem kam eine Anfrage eines Fernlehr-Kursteilnehmers über die mündliche Nachprüfung zum Wirtschaftsfachwirt IHK.
Die Frage betrifft eine Ergänzungsprüfung zur WQ-Prüfung, nicht die normale mündliche Prüfung zum HQ-Abschluss, die auch Fachgespräch genannt wird
Können Sie mir vielleicht bei folgenden Fragen weiterhelfen:
Auf was muss man sich vorbereiten bzw. wie bereitet man sich auf so eine mündliche Ergänzungsprüfung vor?
Wie lang dauert die Ergänzungsprüfung?
Darf man Gesetze mitnehmen?
Wie viel Punkte muss man erreichen, wenn man 46 Punkte in der schriftlichen Prüfung erreicht hat?
Welche Themen sollte man sich genauer anschauen?
Ist die mündliche Prüfung in Recht und Steuern zu schaffen?
Nach vorsorglicher Rücksprache mit der Kammer haben wir dann eine Antwort verfasst.
Ich habe mir überlegt, dass das Thema immer wieder auftaucht, und möchte hier nochmals vertieft auf die Fragen eingehen:
Auf was muss man sich vorbereiten bzw. wie bereitet man sich auf so eine mündliche Prüfung vor?
Sie bereiten sich in Art und im Umfang genauso wie auf die schriftliche Prüfung vor Die Fragen orientieren sich am Rahmenstoffplan. Aus dem geht hervor, was man beherrschen muss und was man nur in Grundzügen kennen muss.
Wie lang dauert die Prüfung?
Die mündliche Ergänzungsprüfung dauert bei der IHK Regensburg ca. 20 Minuten (betrifft Raum Regensburg; in diversen Foren liest man von nur 15 Minuten). Egal ob 20 oder 15 Minuten - die sind gefühlt seeehr lang.
Darf man Gesetze mitnehmen?
Für Raum Regensburg und die aktuelle Lage (2016) gilt: nein. Es sind keine Hilfsmittel erlaubt (!). Laut Forenbeiträgen soll es aber von der IHK abhängig sein; man müsse auf die Einladung sehen, ob dort Hilfsmittel angegeben sind. Solange die Einladung nicht da ist, müssen Sie vorsorglich davon ausgehen, dass Sie ohne Hilfsmittel arbeiten und entsprechend lernen.
Wie viel Punkte muss man erreichen, wenn man 46 Punkte in der schriftlichen Prüfung erreicht hat?
Sie müssen im Endergebnis mindestens 50 Punkte erreicht haben. Wenn Sie bei der schriftlichen bereits 46 Punkte erzielt haben, benötigen Sie bei zweifacher Gewichtung der schriftlichen und einfachen der mündlichen noch mindestens 58 Punkte in der Ergänzungsprüfung, um den Prüfungsbereich RST bestanden zu haben.
Welche Themen sollte man sich genauer anschauen?
Anders als bei der schriftlichen Prüfung gibt es hier keine Erfahrungswerte. Die Prüfer haben bei der Auswahl Ihrer Fragen (im Rahmen des Lehrplans) völlig freie Hand.
Der ausbildende Dozent hat keinerlei Einfluss auf die mündliche Prüfung.
Ob der mündliche Prüfer die schriftliche Prüfung des Prüflings vor sich hat oder vorher angesehen hat, weiß man nicht. Es kann aber sicher nicht schaden, sich klarzumachen, wo man in der schriftlichen Prüfung geschwächelt hat, um sich hier nachträglich fit zu machen. Das würde ich persönlich als Minimum ansehen. Allerdings können Sie in die schriftliche Prüfung erst einsehen, wenn Sie die mündlichen Prüfungen abgeschlossen haben.
Dass Sie sich auf die vermuteten Schwachpunkte nicht beschränken können, ist klar. Der Prüfer wird mit Sicherheit mehr abklopfen, als Ihre bisherigen Schwachpunkte. Das heißt dann: auch die anderen Gebiete, die in der Prüfung nicht dran waren, müssen sitzen.
Wie immer gilt: mündliche Prüfungen gehen meist viel mehr in die Breite und viel weniger in die Tiefe.
Es kann sein, dass der Prüfer mit einem kleinen (im Gegensatz zur schriftlichen Prüfung wirklich nur KLEINEN) Fall anfängt, etwa: Sie sehen im Schaufenster eine Prada-Handtasche für 22,95 ausgeschildert, im Laden erklärt man, das sei ein Versehen und müsse 229,95 heißen. Wie ist die Rechtslage (hier können auch konkretere Fragen gestellt werden). Ist die Frage beantwortet, kann man den Fall noch ausschmücken oder variieren. Oder zu ganz anderen Gebieten hüpfen - welche Rechte haben Sie als Unternehmer, wenn Ihr Konkurrent unzulässige Werbung betreibt? Was versteht man unter Kündigungsschutz? Um was geht es beim Kartellrecht und in welchem Gesetz ist es geregelt?
Natürlich kann der Prüfer auch ohne Fallbeispiel arbeiten und von vornherein nur einfache Theorie-Fragen stellen. Welche Handlungen sind einen Kaufvertrag erforderlich, Unterschied zwischen Werk- und Dienstvertrag, Unterschied Eigentum und Besitz, wie werden AGB einbezogen und was sind überhaupt AGB?
Sie müssen auf mündliche Wiedergabe lernen, also sich vorstellen, wie formuliere ich das aus, wenn ich gefragt werde?
Wichtige Schwerpunkte beim Rahmenstoffplan sind z.B. Schuldnerverzug, Sachmangelrecht = Gewährleistung, Rücktritt, Vertretung und Vollmacht, Arbeitsrecht; wo ist das Kaufmannsrecht geregelt, Kaufmannsbegriff, Prokura, Gesellschaftsformen. Im Bereich Steuern sollte man verschiedene Steuerarten kennen und sagen können, welche Steuer wofür anfällt. Im ESt-Recht wären nicht nur Beispiele für Werbungskosten denkbar, sondern auch Erklärungen über Begriffe wie Progression, Tarifzonen, Eingangs- und Spitzensteuersatz.
Verhältnis Recht und Steuern: wie bei schriftlichen Prüfungen auch, also klarer Schwerpunkt bei Recht (aktuell etwa 80:20). Manche Forenbeiträge weisen darauf hin, dass, falls ein Jurist als Prüfer auftritt, diese Juristen wenig Ahnung von Steuern haben und daher nur Recht prüfen - aber was soll das als Vorbereitungshinweis? Sie können sich nicht darauf verlassen! Solche Taktiererei finde ich gefährlich. Ich z.B. bin Jurist, unterrichte aber auch Steuern, und ich würde als Prüfer auch Steuern mit dran nehmen.Ist die mündliche Prüfung in Recht und Steuern zu schaffen?
Ja. sicherlich. Die mündlichen IHK-Prüfungen sind entspannt und wohlwollend, man sieht auch über Verhaspler hinweg und hilft.
Aber - das beste Wohlwollen der Prüfer hat keinen Sinn, wenn Ihnen vor Aufregung nichts einfällt.
Und hier zeigt sich, wie Sie bisher gelernt haben: Die mündliche Prüfung ist schwer zu schaffen, wenn Sie bisher nur die von der früheren Schule her vertraute Kurzzeitgedächtnis-Methode angewandt (in den Wochen vor der Prüfung fleißig lernen, das müsste dann schon reichen). Das Fach "Recht" ist aber kein reiner Lernstoff, den man auswendig lernen kann. Das ist eher ein wenig wie Mathematik oder Englisch. Man lernt Regeln, aber man muss üben, sie anzuwenden. Viele Regeln versteht man dann erst richtig. Und dann kann man sich auch besser merken, und in der Aufregung einer mündlichen Prüfung wiedergeben - eben weil man den Stoff verstanden und nicht nur auswendig gelernt hat.
Natürlich gibt es viel Erfahrungsaustausch zum Thema mündliche Ergänzungsprüfung WFW im Internet, hauptsächlich in den Foren. Die bestätigen im Wesentlichen, was ich hier zusammengefasst habe, bringen aber auch Einzelbeispiele.
Z.B.
- https://www.fachwirt-forum.de/Thread/7738-M%C3%BCndliche-Erg%C3%A4nzungspr%C3%BCfung-Recht/
- https://www.bwl24.net/forum/topic-4385.html
- https://www.fachwirt-forum.de/Thread/9575-M%C3%BCndliche-Nachpr%C3%BCfung-Recht-Steuern/