Mittwoch, 18. Mai 2016

Schema Verzug und Verzögerung - ganz schön verzwickt.

Seit der Schuldrechtsreform 2002 ist das Thema "Verzug" ganz schön verzwickt, jedenfalls wenn man es lehren will.


In meinem Skript befindet sich ein Schema - eines von vielen, das ich seit der Reform in Vorträgen verwendet habe. Ein Schüler fragte an, ob da nicht ein Fehler sei, und das Kästchen mit dem Vertretenmüssen nicht nach rechts müsse.





Aber das Schema stimmt schon.

Links muss eine Voraussetzung das  Vertretenmüssen stehen (hier an erster Stelle, aber das ist nicht notwendig). Denn für "Schadenersatz" ist das immer eine Grundvoraussetzung (auch bei anderen Fällen als Verzögerung, z.B. bei Mängel, oder bei § 280)

Rechts dagegen nicht unbedingt. Das war eine Neuerung bei der Schuldrechtsreform 2002. Man hat sich gesagt: auch wenn der Lieferer NICHTS für die Verzögerung kann, ist es dem Kunden nicht zumutbar, ewig zu warten. Er muss durch Rücktritt vom Vertrag ausbrechen können, damit er sich die Ware wo anders besorgen kann.

Darum ist der Rücktritt nicht mehr an die Verzugsregelung angehängt, wie früher, sondern eine eigenständige Paragraphen-Schiene.

Andererseits hat natürlich der "Ausbruch" strengere Voraussetzungen  als der Verzug. Darum reicht nicht eine einfache "Mahnung" sondern es erfordert eine klare "Fristsetzung" (übrigens nicht mehr mit Rücktrittsandrohung, wie vor 2002, einfache Fristsetzung reicht). Auch die Ausnahmen, also wann die Fristsetzungsnotwendigkeit entfällt, sind z.T. strenger als beim Verzug, z.B. bei : Fixgeschäft statt Termingeschäft

Man kann also sagen: der Ausbruch aus den Vertrag durch RÜCKTRITT  ist strenger als die Regelung, wann VERZUG eintritt - aber in einem Punkt leichter: es ist  kein Vertretenmüssen notwendig.



Mein Problem bei dieser schematischen Darstellung war natürlich: ich musste schon auch darauf hinweisen, dass auch beim Ausbruch aus dem Vertrag (rechte Spalte) die Alternative "Schadenersatz statt Leistung" neben einfachem "Rücktritt" möglich ist (so sieht es auch die Gesetzessystematik vor), aber nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass (auch) hier ein Vertretenmüssen vorliegt (steht in Klammern am Ende).

Leider gibt es nicht DAS Schema. Jeder Autor schreibt was anderes. Man kann das Thema von verschiedenen Blickwinkeln sehen und daher verschieden darstellen. Ich habe seit meinen Vorträgen bei der Schuldrechtsreform auch verschiedene Schemata verwendet, aber alle haben ihre Tücken, was die Verständlichkeit betrifft. Das Thema ist seit 2002 unangenehm  kompliziert geworden, obwohl man es vereinfachen wollte.

Eine mögliche Darstellungsweise wäre noch ein Schema, wo das Vertretenmüssen jeweils am Ende (also unten) steht. Oder man macht drei Stränge, verzweigt also den rechten Strang nochmals.