Seit der Schuldrechtsreform 2002 ist das Thema "Verzug" ganz schön verzwickt, jedenfalls wenn man es lehren will.
In meinem Skript befindet sich ein Schema - eines von vielen, das ich seit der Reform in Vorträgen verwendet habe. Ein Schüler fragte an, ob da nicht ein Fehler sei, und das Kästchen mit dem Vertretenmüssen nicht nach rechts müsse.
Aber das Schema stimmt schon.
Links
muss eine Voraussetzung das
Vertretenmüssen stehen (hier an erster Stelle, aber das ist nicht notwendig). Denn für "Schadenersatz" ist das immer eine
Grundvoraussetzung (auch bei anderen Fällen als Verzögerung, z.B. bei
Mängel, oder bei § 280)
Rechts dagegen nicht unbedingt. Das war
eine Neuerung bei der Schuldrechtsreform 2002. Man hat sich gesagt: auch
wenn der Lieferer NICHTS für die Verzögerung kann, ist es dem Kunden
nicht zumutbar, ewig zu warten. Er muss durch Rücktritt vom Vertrag
ausbrechen können, damit er sich die Ware wo anders besorgen kann.
Darum ist der Rücktritt nicht mehr an die
Verzugsregelung angehängt, wie früher, sondern eine eigenständige
Paragraphen-Schiene.
Andererseits hat natürlich der "Ausbruch"
strengere Voraussetzungen als der Verzug. Darum reicht nicht eine
einfache "Mahnung" sondern es erfordert eine klare "Fristsetzung" (übrigens nicht mehr mit Rücktrittsandrohung, wie vor 2002, einfache Fristsetzung reicht). Auch
die Ausnahmen, also wann die Fristsetzungsnotwendigkeit entfällt, sind
z.T. strenger als beim Verzug, z.B. bei : Fixgeschäft statt Termingeschäft
Man
kann also sagen: der Ausbruch aus den Vertrag durch RÜCKTRITT ist
strenger als die Regelung, wann VERZUG eintritt - aber in einem Punkt leichter: es ist kein Vertretenmüssen notwendig.
Mein Problem
bei dieser schematischen Darstellung war natürlich: ich musste schon auch
darauf hinweisen, dass auch beim Ausbruch aus dem Vertrag (rechte Spalte) die
Alternative "Schadenersatz statt Leistung" neben einfachem "Rücktritt"
möglich ist (so sieht es auch die Gesetzessystematik vor), aber nur
unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass (auch) hier ein
Vertretenmüssen vorliegt (steht in Klammern am Ende).
Leider
gibt es nicht DAS Schema. Jeder Autor schreibt was anderes. Man
kann das Thema von verschiedenen Blickwinkeln sehen und daher
verschieden darstellen. Ich habe seit meinen Vorträgen bei der
Schuldrechtsreform auch verschiedene Schemata verwendet, aber alle haben
ihre Tücken, was die Verständlichkeit betrifft. Das Thema ist seit 2002 unangenehm kompliziert geworden, obwohl man es vereinfachen wollte.
Eine
mögliche Darstellungsweise wäre noch ein Schema, wo das Vertretenmüssen
jeweils am Ende (also unten) steht. Oder man macht drei Stränge,
verzweigt also den rechten Strang nochmals.