Montag, 2. September 2013

Verfassungsbeschwerde 1994 zur extra-radio-Entscheidung (Bayerisches Rundfunkrecht)

  • BVerfG-Verfassungsbeschwerde von extra radio aus dem Jahre 1994.
  • Ursprünglich erschienen auf meiner alten Kanzlei-Webseite in den neunziger Jahren.
  • Betrifft der Rundfunk-Filz in Bayern
  • Das Urteil, das das BVerfG auf diese Beschwerde hin erließ, lässt die vielen Einzelheiten nicht erkennen, bzw. wiederholt sie nicht, sondern verweist nur. Darum ist es notwendig, den Text der Verfassungsbeschwerde zu kennen.

Die Verfassungsbeschwerde (bzw. die positiven Gerichtsentscheidung dazu) waren nur ein weiterer Teilerfolg  in einer Kette von heute 25 Jahren Prozesstätigkeit (siehe eine inzwischen schon wieder überholte Liste von Gerichtsurteilen beim Verband unabhängiger Lokalradios - VulB: http://vulb.de/inhalt/archiv/gerichtsurteile.html)

Ich spreche von Teilerfolgen statt Erfolgen, weil alle paarJahre die Sendelizenzen ablaufen und dann wieder komplett von neuem durch alle Instanzen prozessiert werden muss. Bis die Kläger finanziell ausgeblutet sind. Oder in die Rente gehen. Und so wird auch heute noch extra radio von den Verantwortlichen verarscht.

Übrigens: extra radio war nicht der einzige Sender, den ich in meiner aktiven Zeit als Anwalt vertreten habe, es gab auch andere bayerische Lokalradios, und natürlich den Verband selbst, für die ich gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen musste.

Hier jedenfalls die (kürzlich auf alten Festplatten wiederentdeckte) Verfassungsbeschwerde aus 1994. Weiteres Material folgt



Anwaltskanzlei
PETER  BURKES

www.kanzlei-burkes.de
Texte / Verfassungsbeschwerde von extra radio
InhaltOriginaltext der Verfassungsbeschwerde von extra radio gegen erzwungene Medienkonzentration.
AnmerkungDie Verfassungsbeschwerde war sowohl im summarischen als im Hauptsacheverfahren erfolgreich und führte zu einer Wende in der bayerischen Rundfunkrechtsprechung. Obwohl im Kern nur gegen die künstlich geförderte Medienkonzentration gerichtet, führte sie bei der Hauptsacheentscheidung im Jahre 98, über das ursprüngliche Ziel hinaus, auch zur Feststellung, dass bayerische Privatfunksender Grundrechtsstatus haben (Grundrecht der Rundfunkfreiheit) und dass das bis dahin von der BLM ins Feld geführte angebliche eigene Grundrecht zweifelhaft ist.
Der nachfolgende Text enthält wissenschaftliche Ausführungen über die Besonderheitend es bayerischen Medienrechts, ferner eine DArstellung der Situation der bayerischen Privatfunksender im Kampf gegen die Medienkonzentration.

Gerichtsentscheidungen:

Eilentscheidung BVerfG vom 29.4.1994 (1 BvR 661/94), ZUM 1994 S. 579
Hauptsacheentscheidung BVerfG vom 20.2.1998 (1 BvR 661/94), BVerfGE 98,277 ff; ZUM 98, 306 ff, epd medien 1998 Nr. 20.

Zum Prozessualen: Nachdem extra radio bereits im summarischen Verfahren in zweiter Instanz beim BayVGH erfolgreich war und während das Hauptsacheverfahren noch anhing, legte die BLM gegen die Eilentscheidung Verfassungsbeschwerde beim Bayer. Verfassungsgerichtshof ein, die überraschend zu einem aufhebenden Beschluss durch das BayVerfGH führte. Hiergegen erhob extra radio die vorliegende Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht, die später dazu führte, dass die Bundesverfassungsrichter die Entscheidung der bayerischen Verfassungsrichter aufhoben und den status quo im laufenden "normalen" Verwaltungsprozeß wiederherstellte.
Text Verfassungsbeschwerde und Antrag auf einstweilige Anordnung

von

extra radio Rundfunkprogramm GmbH, Schloßplatz 5, 95028 Hof
Beschwerdeführerin und Antragstellerin

vertreten durch den Geschäftsführer....

wegen: Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichshofs vom 25.3.1994 (Fotokopie in Anlage 1) - Medienrecht

.......

Namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin erhebe ich

V e r f a s s u n g s b e s c h w e r d e

gegen die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichshofs vom 25.3.1994, Aktenzeichen 125-VI-92. (Anlage 1)

Gerügt wird die Verletzung von Art 3 GG, Art 5 I GG, Art 14 GG, Art 20 III und Art 103 I GG.

Ferner beantrage ich der Erlaß folgender einstweiliger Verfügung: Der Beschwerdeführerin wird gestattet, bis zur Entscheidung über diese Verfassungsbeschwerde auf der Grundlage des bisher praktizierten Sendeschemas weiterzusenden.

I. Sachverhalt:

Kurzfassung: Die Beschwerdeführerin sendet unter der Kennung "extra radio" seit 1987 als privater Lokalradio-Anbieter in Hof im Wege des sogenannten Frequenzsplittings. Die Beschwer-deführerin sendet täglich vier Stunden, die restliche Zeit sendet der Frequenzpartner "Radio Euroherz", ein Sender der sogenannten Oschmanngruppe, zu denen 2/3 der bayerischen Lo-kalsender gehören, und die zusammen mit GONG und mbt zu den drei "Medienmultis" im bayerischen Lokalrundfunk zählen. An Euroherz ist neben vielen örtlichen Gesellschaftern auch die örtliche Tageszeitung beteiligt; extra radio steht im Allein-besitz der Familie Prokscha in Hof und zählt zu den wenigen "unabhängigen" Lokalsendern Bayerns.

Die Beschwerdeführerin sollte 1991, nach Ablauf der ersten ge-nehmigten vierjährigen Sendeperiode, nach Willen der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) ihre Lizenz verlieren, nachdem sie sich geweigert hat, sich in eine Be-triebsgesellschaft mit Euroherz einzugliedern. Mit einst-weiliger Anordnung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 14.6.1992 (Anlage 2) wurde erreicht, daß die Beschwerde-führerin bis zum Abschluß des Hauptverfahrens nach dem bis-herigen Sendeschema (Splitting mit vier Stunden täglich) wei-tersenden darf. Seitdem sendet die Beschwerdeführerin auf der Grundlage dieser Anordnung. Der BayVerfGH hat diese VGH-Ent-scheidung nun aufgehoben.

Die BLM hat angekündigt, daß sie die Beschwerdeführerin zum 1.5.1994 abschalten werde (Anlage 3).

Sachverhalt im einzelnen: Beide Hofer Sender haben sich 1986 mit je einem Sendestudio eingerichtet, als Vollzeitsender be-worben und in Erwartung von zwei Vollprogrammen begonnen, auf Probe zu senden - d.h. es wurde täglich bei vollen Kosten und ohne Einnahmen Sendungen vorbereitet, obwohl noch kein Sende-betrieb möglich war. Hierzu wurde sie von der BLM immer wieder aufgefordert. Aufgrund technischer Schwierigkeiten im Raum Hof verzögerte sich diese Phase auf insgesamt ein Jahr, in der sich neben den Investitionskosten enorme zusätzliche Vorlauf-verluste ansammelten. Als dann der Sendebeginn mitgeteilt wurde, hieß es, es gäbe nur ein Vollprogramm in Hof. Es wurde dann gesplittet, das heißt, extra radio bekam vier Stunden tägliche Sendezeit, Euroherz die restliche Sendezeit. Es wur-den entsprechende Genehmigungen für die erste Sendeperiode von vier Jahren erteilt.

Im Jahre 1988/89 gab die BLM dann Untersuchungen über die Situation und die Wirtschaftlichkeit der Lokalradios in Auf-trag. Als Konsequenz aus der sog. "Rinke-Treuhand-Studie", die schlechte Zahlen für die meisten Lokalsender konstatierte, wurde bei der BLM beschlossen, Betriebsgesellschaften und -ge-meinschaften zu fördern bzw. zu erzwingen. Sinn war, die Wirt-schaftlichkeit durch Ausschaltung von Preiskampf und Dumping-preiskampf zu verbessern. Entsprechende Bestimmungen wurden in die Hörfunksatzung der BLM übernommen (mittlerweile sind sie ins Gesetz aufgenommen worden) und die neue Politik der Be-triebsgesellschaften in BLM-Mitteilungen propagiert. Die Vorschriften sahen allerdings nicht nur eine Erlaubnis dieser Fusionen vor, sondern sahen diese Organisationsformen als vor-rangig an (Gesetzestext Anlage 8), so daß Anbieter zumindest nach Ablauf der alten Lizenzen faktisch in Gesellschaften ge-zwungen werden können, wenn sie für die nächste Sendeperiode berücksichtigt werden wollten.

Als Reaktion hierauf initierte der Beschwerdeführerin zusammen mit anderen besorgten verlagsunabhängigen Anbietern den "Verband unabhängiger Lokalradios" (VuLB), der sich in politischer Arbeit und in Publikationen gegen diese Betriebs-gesellschaftspolitik wandte, soweit diese Zwang sein sollten. Auf wiederholte Anfragen der besorgten Beschwerdeführerin ver-sicherte die BLM gegenüber dem damaligen Anwalt der Be-schwerdeführerin mehrfach schriftlich, daß die Frage, ob bei der nächsten Sendeperiode Betriebsgesellschaften verlangt wer-den, an jedem Standort einzelfallweise geprüft werde (Schreiben vom 31.1.90: "Die Landeszentrale wird .... für jeden Sendestandort bezogen auf den Einzelfall die Frage des Erhalts des Frequenzsplittings ... entscheiden, soweit sich konkreter Entscheidungsbedarf stellt. Sie wird im Interesse der Fortentwicklung des lokalen Hörfunks keine schablonen-haften Entscheidungen treffen"; Schreiben vom 3.1.90 "Ich mache darauf aufmerksam, daß die Beseitigung von Frequenzsplittíng nur vorgesehen ist, soweit dieses vermeidbar ist".)

Diese Einzelfallprüfung wurde auch in BLM-Mitteilungen zum Thema Betriebsgesellschaften versichert und sind in den Pro-zeßakten dokumentiert.

Entgegen dieser Versicherungen wurde zum Ende der Sendeperiode hin verlangt, daß sich die beiden Anbieter in Hof in eine Be-triebsgemeinschaft integrieren und nur noch ein Programm aus einem Studio gemacht werde, ansonsten werde es keine Ver-längerung der Lizenzen für die nächste Sendeperiode, sondern eine Neuausschreibung geben, die nur noch einen Anbieter oder Anbietergemeinschaft zulasse. Begründung waren angeblich schlechte Erfahrungen in Bayern mit Splittingsendern, weshalb man Splitting möglichst abschaffen wolle. Später hieß es auch gelegentlich, man wolle zumindest in Einfrequenzstandorten (Orte mit nur einem Programm) kein Splitting mehr. Splitting sei "programmlich schlecht und wirtschaftlich schlecht".

Es wurde dann die Beschwerdeführerin durch die örtliche Kabelgesellschaft und den konkurrierenden Mitanbieter in Gesprächen aufgefordert, sich in eine Betriebsgesellschaft (Anteil ca 20 %) mit dem Mitanbieter Euroherz einzugliedern. Damit war die Beschwerdeführerin nicht einverstanden. Sie wollte ihr Sende-studio und ihre Eigenständigkeit bewahren, war ansonsten zu sonstiger Zusammenarbeit bereit (gemeinsame Vermarktung etc; diesbezüglich hat sie auch mehrfach aber vergeblich Vorschläge gemacht). Sie wies darauf hin, daß die angeblich schlechten Auswirkungen von Splitting nie belegt worden sind und wegen vielfacher Gegenbeispiele nicht belegt werden können. Außerdem führte sie den Nachweis, daß gerade am Standort unbestritten bayernweit überdurchschnittliche Ergeb-nisse bestehen - was die Hörerzahlen betreffe und auch was die wirtschaftliche Situation beider Anbieter betreffe - ent-gegen den mehrfachen Versicherungen auf Einzelfallprüfung sei die Situation in Hof aber nie geprüft worden, sondern immer nur mit bayerischen Erfahrungen begründet worden.

Inzwischen hatte die BLM trotz einer dagegen gerichteten Antrag der Beschwerdeführerin eine neue Ausschreibung angeordnet und durchführen lassen, bei der nur noch ein An-bieter/Anbietergemeinschaft zugelassen war. Auf die Aus-schreibung hin hatte sich extra radio vorsorglich beworben, Rechtsmittel waren mangels rechtmittelfähigem Bescheid nicht mehr rechtzeitig möglich.

Die Beschwerdeführerin hatte schon vorher in ihrem Antrag gegen die Ausschreibung darauf hingewiesen, daß bei Neuaus-schreibung mit Entweder-Oder-Charakter eine nur unfair geringe Chance für sie bestehe - der konkurrierende Sender Euroherz war faktisch von vornherein begünstigt durch die von anfang an ungleiche Sendezeitverteilung, die nie begründet worden war, ferner durch die vielen personellen Verflechtungen der Kabel-gesellschaftsmitglieder mit den insgesamt 351 Gesellschaftern von Euroherz sowie, vor allem, wegen der Beteiligung der ört-lichen Tageszeitung, deren Mißgunst sich niemand zuziehen möchte und deren Berichterstattung in den letzten jahren völlig einseitig geworden ist.
Die Beschwerdeführerin hätte zwar den Alleinzuschlag eher verdient, denn sie habe bessere Hörerzahlen, arbeite wirtschaft-licher, habe im Gegensatz zum Mitanbieter kein Zulieferpro-gramm und keine Zulieferwerbung nötig, ist weder in horizontal verflochten noch an einem Doppelmonopol beteiigt - letztlich habe sie aber wegen oben genannter Umstände kaum eine Chance auf einen Zuschlag, wobei hinzukommt, daß die Kabelgesell-schaftsmitglieder keine Beamten einer Behörde sind und deshalb nicht interessiert und nicht verpflichtet sind, sich über me-dienrechtliche Hintergründe zu informieren.

Die Kabelgesellschaft vergab aufgrund der Ausschreibung die Sendelizenz wie vorausgesehen allein an Euroherz.

Als die Beschwerdeführerin wegen ihrer o.g. Bedenken gegen die Aufgabe von Splitting nicht gehört wurde, wies sie auf eine Ausnahmebestimmung in der Satzung hin, die besagt, daß auf eine Betriebsgesellschaft verzichtet werden könne, wenn die Zusammenarbeit der örtlichen Anbieter auf andere Weise ge-sichert werden könne. Sie erarbeitete ausführliche Zusammenar-beitskonzepte (z.B. Vermarktungsgesellschaft), die der Mitan-bieter ablehnte, weil er entweder Betriebsgesellschaft oder Alleinsendelizenz wolle. Die Beschwerdeführerin regte darauf-hin ein gemeinsamens Gespräch in der Landeszentrale in München an, wo über diese Vorschläge diskutiert wurden.

Der zuständige Medienratsausschuß beschloß kurz nach oben genanntem Gespräch, daß man Extra radio noch eine Chance gebe, wenn sie sich an einer Betriebsgemeinschaft (nicht -gesell-schaft) beteilige; dieser Beschluß hätte insbesondere die Folge gehabt, daß die Antragstellerin trotz vorhandener eigener Sendestudioeinrichtung gegen Entgelt im Studio von Euroherz hätte senden müssen. Auf die diskutierten Vorschläge wurde nicht eingegangen. Der Akteneinsicht war zu entnehmen, daß die Geschäftsführung dem Ausschuß die Existenz und den In-halt der Kooperationsvorschläge und der Bedenken gegen Splittingaufgabe offenbar nicht informiert hatte; der Bericht erhielt nur den Hinweis, daß trotz Vermittlungsgespäche "keine Eingigung" zwischen den Hofer Anbietern erzielt werden konnte.

Die Beschwerdeführerin erklärte dann nochmals, ihre Eigenständigkeit nicht aufgeben zu wollen und verlangte Ent-scheidung über ihren Antrag auf Verlängerung der alten Li-zenzen nach bisherigem Sendeschema. Hierüber ging ablehnender Bescheid vom 30.3.1992, gleichzeitig wurden die neue Sende-lizenz für Euroherz genehmigt. Gegen den Bescheid wurde Wider-spruch und gerichtlicher Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht.

Im gerichtlichen Verfahren wurde gerügt:

a) daß die Ausschreibung rechtswidrig war, da nach § 13 II 2 der Satzung die Neuausschreibung (bzw. "Neuordnung") nur erfolgen durfte, wenn kumulativ "die Anforderungen der Meinungsvielfalt, der Ausgewogenheit und der wirtschaftlichen Tragfähigkeit dies erfordern", was nirgends geprüft, begründet oder begründbar sei;

b) es wurde auf die sehr guten wirtschaftliche und programm-lichen Ergebnisse in Hof hingewiesen und gerügt, daß hier wegen fehlender Einzelfallprüfung und pauschalem Verweis auf angeblich schlechte Erfahrungen Vertrauensschutz und gradueller Bestandsschutz verletzt worden sind (Einzelheiten Anlage 4, S. 13 er-gänzt durch Anlage 5, S. 13ff);

c) es wurde Verstoß gegen Gleichbehandlung und Willkürverbot gerügt, da in anderen Sendestandorten Splitting problemlos geduldet werde (Anlage 4, S. 14, sowie Anlage 5, S. 12 ff));

e) ferner wurde gerügt ein Verstoß gegen das Gebot der Meinungsvielfalt (Anlage 5, S.3-6), das Konzentrations-schutzgebot (Anlage 5, S. 7 f), sowie den Kleinan-bieterschutz (Anlage 5, S.8);

f) es wurde Ermessensnichtgebrauch (Anlage 6S. 14 f) gerügt.

Die antragsgemäße Entscheidung in zweiter Instanz erließ der VGH am 4.6.1992, einen Tag vor Ablauf der Sendelizenz. Seitdem (ca eineinhalb Jahre) sendet extra radio auf der Grundlage dieses Urteils. Der zugehörige Hauptsacheprozeß befindet sich ebenfalls in zweiter Instanz.

Extra radio hatte bei den jüngsten Infratestumfragen die besten Hörerzahlen bayernweit und verweist auf hervorragende Umsätze; sie wäre mit dem laufenden Gewinn voraussichtlich in der Lage, ihre Vorlaufverluste der Aufbauphase (1.bis 3.Jahr, sowie Probejahr) in ca 2 Jahren vollständig zu amortisieren.

In der Anlage 6 befindet sich eine beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) anhängige Normenkontrollklage, die in der Zwischenzeit ebenfalls von der Beschwerdeführerin, ge-stützt vom Verband unabhängiger Lokalradios in Bayern (VuLB), eingereicht wurde und sich gegen diejenigen Regelungen in der Hörfunksatzung richtet, die besagen, daß die Anbieter an einem Ort zusammenarbeiten müssen und möglichst in Betriebsgesell-schaften oder -gemeinschaften zu organisieren seien. Diese Antragsschrift rügt die Verfassungwidrigkeit dieser Regelungen und enthält auch ausführliche Darstellungen und wissenschaftliche Belege über das bayerische Medienrecht, insbes. über den Art 111a der Bayerischen Verfassung (Rundfunkfreiheit), dessen historische Entwicklung und seine teleologische Auslegung. Im nachfolgenden wird an entsprechenden Stellen wegen der Einzel-heiten und Nachweise auf diese Anlage verwiesen.

Über den noch anhängigen Antrag ist nicht entschieden worden. Im Mai 1993 fragte der VGH an, ab die Normenkontrollklage zu-rückgenommen werde, nachdem die Vorschriften inhaltsgleich ins neue Mediengesetz kopiert wurden und die Rechtswidrigkeit dieser Regelungen in einer Verfassungsbeschwerde geltend ge-macht werden könnten. Daraufhin teilte der Unterfertigte dem VGH mit, daß der Antrag aufrechterhalten werde, nachdem die Inzidentprüfung innerhalb einer VB nicht sicher genug sei und außerdem dann enormer Zeitdruck bestehe (wie mittlerweile eingetreten). Nachdem hierauf und auf mehrere Bitten um Richtervorlage ans BVerfG keine Antwort mehr kam, nimmt die Beschwer-deführerin an, daß die Normenkontrollklage in absehbarer Zeit nicht mehr bearbeitet wird.

Zur formalrechtlichen Lage in Bayern erscheint folgender Hinweis notwendig:

In Bayern gibt es nur "unechten Privatfunk". Der 1973 in die Bayerische Verfassung eingefügte Art 111a verbietet Privatfunk in Bayern, schreibt also in Anlehnung an die damalige Bundes-verfassungsrechtsprechung die öffentlich-rechtlichen Organi-sationsformen fort. Mit dem Wandel in den achtziger Jahren und der Einführung des Privatfunks in anderen Ländern wurde in Bayern ein Mischmodell auf der Basis des Medienerprobungsge-setzes (MEG, 1992 abgelöst durch das Bayerische Mediengesetz, BayMG) eingeführt. Dies sah die Schaffung der Institution der "Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien" (BLM) vor, die unter Einbindung von privaten Sendestudios den "Privat"-Funk in Bayern organisieren und überwachen soll. Die BLM läßt über die örtlich zu bildenden, privatrechtlich organisierten "Kabelgesellschaften" (heute "Medienbetriebsgesellschaften") die Frequenzen ausschreiben und genehmigt die zwischen Medienbetriebsgesellschaft und Anbietern (Sendern) geschlossenen Verträge. Nach Ansicht des BayVerfGH ist damit die öffentlich-rechtliche Organisationsform gewahrt; die BLM ist Trägerin der Rundfunkfreiheit in Bayern.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wird in Bayern die Sen-delizenz also nicht durch drittwirkende Verwaltungsakte verge-ben, sondern durch "private" Entscheidungen der privat organisier-ten Kabelgesellschaften (jetzt "Medienbetriebsge-sellschaften"); die Entscheidungen haben keine Verwaltungsakt-qualität. Sobald ein nichtberücksichtigter oder sonst be-schwerter Anbieter damit nicht einverstanden ist, kann er die BLM anrufen (Art 25 IV MEG, heute 29 BayMG) und eine Ent-scheidung verlangen. Diese Entscheidung ist eigentlich die erste Verwaltunsaktentscheidung, gegen die Widerspruch und dann gerichtliche Maßnahmen möglich sind. Dieser vom VGH entwickelte Rechtsweg findet unstreitige Anwendung in der Praxis.

Zum Rechtlichen

Der VGH erließ seine einstweilige Anordnung über den vor-läufigen Beibehalt des Splittings mit der Begründung, die Rundfunkfreiheit sei eine dienende Freiheit und dürfe nicht zu Lasten der Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt ausgeübt werden (Beschluß s. 16) Die BLM verkehre die verfassungsgerichtlich festgelegte Prioritätenfolge durch ihr Vorgehen im speziellen Fall ins Gegenteil, da wegen der örtlichen Gegebenheiten es eigentlich ihr vorrangiger programmlicher Wunsch sein müsse , daß die Antragstellerin weiterhin eigenständig sende (S.17).

Der BayVerfGH dagegen ist der Ansicht, daß die BLM als Trägerin des Grundrechts der Rundfunkfreiheit (die sich aus Art 111a der Bayerischen Verfassung ableitet) die Freiheit habe, ihre programmlichen Vorstellungen vor Ort zu verwirk-lichen. Sie dürfe dabei Erfahrungen aus anderen bayerischen Gebieten auf einen Ort übertragen. Da wegen 111a BV Private in Bayern keinen rechtlichen Anspruch auf Zugang zum Rundfunk habe, könne sich Anbieter nur auf Willkürverstöße berufen; eine Willkür sei hier nicht ersichtlich.

Der BayVerfGH setzt damit seine Rechtsprechung fort, worin er der BLM wegen Art 111a BV eine fast uneingeschränkte Er-messensfreiheit zubilligt, die nur durch das Willkürverbot eingeschränkt sei.

Der BayVerfGH verkennt damit,

a) daß jedes Grundrecht, auch das "Grundrecht" der Rundfunkfreiheit, immanente Schranken besitzt, die sich durch Abwägung mit anderen Grundrechten ergeben. Die Ausübung der Rundfunkfreiheit darf nicht willkürlich, ungleich und unter Verstoß gegen das Vertrauen von Investoren ausgeübt werden;

a) daß die Rundfunkfreiheit nach 111a BV kein der BLM zu-stehendes, höchstpersönliches Grundrecht ist, sondern eine der Meinungsvielfalt und dem Konzentrationsschutz dienende Funktion hat, und aufgrund historischer und teleologischer Auslegung entsprechend eingeschränkt anzuwenden ist -

aa) wobei der BayVerfGH verkannt hat, daß schon die Vorschriften über die Betriebsgesellschaften ver-fassungswidrig und nichtig sind.

bb) Selbst bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Betriebsgesellschaften (auch der VGH hatte diese Grund-lage nicht weiter geprüft) hätte der BayVerfGH aner-kennen müssen, daß das Grundrecht der Rundfunkfreiheit aus Art 111a BV mit Rücksicht auf die Meinungsvielfalt (Art 5 GG) im Sinne des VGH ein-schränkend auszulegen ist.

Die Beschwerdeführerin hatte sich vor allem auch deshalb einer Betriebsgemeinschaft verweigert, weil sie aus Kontakten mit anderen Anbietern wußte, daß viele kleine Anbieter, die sich frei- oder unfreiwillig in Betriebsgesellschaften begeben hatten, finanziell ausgeblutet wurden, da sie kaum Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung des Senders hatten und solange Nachschüsse leisten mußten, bis sie schließlich resignierten.

Aber auch ohne solche negative Erscheinungen ist der faktische Zwang zur Betriebsgesellschaft ein Verstoß gegen das Gebot der Meinungsvielfalt - gleichgültig ob es um Splittingaufgabe an Einfrequenzstandorten oder Betriebsgesellschaften an Mehr-frequenzstandorten geht.

Das aus Art 5 I GG abgeleitete Gebot der Meinungsvielfalt ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des BverfG das Kern-element jeglicher Rundfunkfreiheit und vor allem deshalb von so überragender Bedeutung für Presse und Runfunkrecht, weil es nicht nur die Meinungsäußerungsfreiheit des Einzelnen, sondern insgesamt das Demokratieprinzip stützt - das machtvermeidende System der Gewaltenteilung und der Demokratie kann nur funktionieren, wenn die Bürger informiert sind. Meinungsviel-falt bedeutet dabei nicht möglichst viel Programme, sondern vorrangig das Bestreben, daß sich keine Medienmacht bildet; das heißt, daß die Medien (Presse, Rundfunk) nicht "einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werden".

Das hat auch zur Konsequenz - nach ganz einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur - daß Konzentrationsprozesse im Medienbereich möglichst verhindert werden sollen (Konzentrationsschutz), daß Kleinanbieter vor kapitalkräf-tigen, großen Konkurrenten (Großverlage etc) geschützt werden (Kleinanbieterschutz) und daß der Wettbewerb erhalten bleibt (sog. Außenpluralismus). Der Einfluß von Verlegern im Rund-funkbereich müsse kritisch verfolgt werden - einmal wegen deren Kapitalkraft, zweitens wegen der Verdoppelung der Meinungskundgebung und drittens wegen der wirtschaftlichen Interessenlage bezüglich der Werbeeinnahmen (Diversifikation). In jüngerer Rechtsprechung hat das BVerfG ferner auf die Gefahren von Verflechtungen zwischen Tageszeitung und Lokal-sender (Doppelmonopole) hingewiesen.

Alle diese aus Art 5 I GG abgeleiteten Richtlinien gelten auch für Bayern. Art 111a BV steht dem nicht entgegen - nicht nur da er dem Grundgesetz gegenüber nachrangig ist, sondern weil er denselben Zweck hat. Art 111a ist im Jahre 1973 aufgrund einer Bürgerinitiative entstanden; die Väter dieses Artikels wollten verhindern und sichern, daß Rundfunk, der damals wegen der knappen Frequenzen und der teuren Technik nur von kapital-kräftigen Großverlagen, Firmen etc betrieben hätte werden können, in die Hände einzelner gesellschaftlicher Gruppen fällt (Nachweise siehe Normenkontrollklage). Auch das BayMEG (Medienerprobungsgesetz) sollte nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers unter der Oberherrschaft dieser Richtlinien stehen - noch in der amtlichen Begründung zum Gesetz wurde auf Meinungsvielfalt, Konzentrationsschutz und Kleinanbieterschutz verwiesen. Auch auf das sogenannte Frequenzsplitting, das die Verfassungsgerichte als willkommenes Instrument der Meinungsvielfaltsförderung bezeichnet hatten, wurde stolz hingewiesen.

Das alles sollte ab 1989 nicht mehr gelten. Seit der Rinke-Treuhand-Studie, die mehr rudimentär und ohne nähere Be-gründung empfahl, zur Vermeidung von Dumping-Preiskämpfen und Konkurrenzdruck Splitting zu beseitigen und Betriebsgesell-schaften zu fördern, wurde diese Politik massiv umgesetzt und gesetzlich in der Satzung verankert.

Diese Politik verstößt aber gegen sämtliche Bestrebungen der Meinungsvielfaltssicherung - es beseitigt Meinungskonkurrenz und vollendet Verlegereinfluß und Medienkonzentration, die be-reits zu diesem Zeitpunkt schlimm genug war und von allen Seiten beklagt wurde.

Ganz abgesehen davon, daß das Argument auf die angebliche Wirtschaftlichkeitsförderung wegen der Bedeutung des 5 I GG unverhältnismäßig wäre - diese Fusionspolitik ist zur För-derung der Wirtschaftlichkeit auch nicht erforderlich (wegen besserer Alternativen) und vor allem nicht geeigent, denn, wie die beiliegende Normenkontrollschrift nachweist, gab es nie einen Beleg für die angeblich schlechten Auswirkungen von Splitting - im Gegenteil gibt es genug Gegenbeispiele, auf die der Verband seit Jahren erfolglos hinweist.

Es ist außerdem widersinnig, gerade diejenigen Anbieter, die man vor dem Preiskampf schützen will, letztlich gegen deren Willen in Betriebsgesellschaften zu zwingen, wo sie sich den großen Konkurrenten unterordnen müssen. Da kleine Unabhängige oft wirtschaftlicher arbeiten als große, bürokratisch geführte Verlegerradios, wird derzeit allenfalls die Wirtschaftlichkeit der Medienmultis gefördert. Letztere profitieren von der Fusionspolitik und machen selbst massiv Werbung dafür. Da sie am jeweiligen Ort von vorherein die stärkere Position haben, setzt sich diese in einer Betreibergemeinschaft fort - die Unabhängigen werden "eingemeindet". Weigern sich letztere und kommt es zur Neuausschreibung, verschwinden die Unabhängigen ganz vom Markt.

Diese Einwendungen sind dem BayverfGH bekannt, unter anderem wurde die Normenkontrollschrift in Kopie vorgelegt. Gleichwohl hat er seine frühere Rechtsprechung über die Ermessensfreiheit der BLM - als Trägerin der Rundfunkfreiheit - fortgesetzt ohne sich mit diesen Einwendungen auseinanderzusetzen.

Bezüglich der EInzelheiten und Rechtsprechungsnachweise zu dieser Ausführungen zur Meinungsvielfalst wird - wegen der Eilbedürftigkeit - auf die Ausführungen in der anliegenden Normenkontrollschrift verwiesen.

Die von der Normenkontrollklage angegriffenen Satzungsbestimmungen wurden in das inzwischen erlassene BayMG über-nommen, das das MEG ablöste (Auszug Anlage 8, dort Art 27). Die Satzungsbestimmungen selbst existieren fort. Die hier vorliegende Verfassungsbeschwerde ist nicht nur von Interesse für der Beschwerdeführerin, sondern wird von vielen anderen "Unabhängigen" in Bayern verfolgt. Die BG-Politik ist kein Einzelproblem Hof, sondern aktueller denn je und betrifft den gesamten bayerischen Hörfunk und auch Fernsehbereich - die wenigen unabhängigen Anbieter in Bayern bangen um ihre Eigen-ständigkeit bzw. Existenz. Gerade in der jüngsten Vergangen-heit und in der gegenwärtigen Phase laufen viele Anbieterver-träge aus und die BLM drängt massiv in Richtung Zusammenar-beit. Die massive Förderung und Propagierung von Betriebsge-meinschaften wird dabei auch bei Mehrfrequenzstandorten angewandt (sog. Funkhäuser, derzeit praktiziert in Regensburg und Würzburg von Oschmann/Gong-Sendern).

Mittlerweile haben auch die Kartellbehörden ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen die Funkhausbildungen vorgebracht. So wurden in München die Funkhausbestrebungen der BLM letzt-lich nur durch Eingreifen der Kartellbehörden gestoppt. Unge-achtet dieser Erfahrungen, wird derzeit versucht, in Nürnberg ein Funkhaus zu bilden; entsprechende Räume sind seit einem drei-viertel Jahr vorsorglich angemietet.

Schon früher hatte das Landeskartellamt die BLM in einem Einzelfall eingegriffen; so hatte es in Würzburg darauf hinge-wiesen, daß die funkhausähnliche Zusammenarbeit zwischen zwei der dortigen Anbieter (Oschmann / Gong) wettbewerbswidrigen, marktverdrängenden Charakter gegenüber dem damaligen dritten Anbieter, dem unabhängigen Sender "W 1", darstellt. Der Unab-hängige gab mehrere Monate später auf. Mittlerweile wird das Funkhaus Würzburg neben dem Funkhaus Regensburg als Beispiel für positive Erfahrungen mit Funkhäusern angeführt.

Ein Nürnberger unabhängiger Anbieter hat sich vor kurzem hilfesuchend an den Verband gewandt, weil ihm mit Sende-lizenzentzug gedroht wurde. Der Anbieter ist bei einem Sender der Oschmann-Gruppe in einer Betriebsgemeinschaft in "Untermiete". Der Anbieter bittet die BLM seit eineinhalb Jahren dringend um Hilfe wegen laufender finanzieller und organisatorischer Probleme mit seinem Partner. Nachdem sechs Monate lang sämtliche Schreiben unbeantwortet blieben und man ihn die nachfolgenden Monate ständig vertröstete, erwog er, zumindest wegen der laufenden orga-nisatorischen Reibereien und Eingriffe Maßnahmen zu ergreifen; er richtete sich ein eigenes Studio ein und beantragte dann bei der BLM die Zustimmung zur Sendesignalum-schaltung zu seinem eigenen Studio. Er wies dabei ganz ausdrücklich darauf hin, daß er mit dem Umzug nicht den Kooperationsvertrag auf-kündigen wolle - er werde sich weiterhin die Studio an-rechnen lassen und halte an der gemeinsamen Vermarktung fest. Obwohl dies nur eine Anfrage und keine Ankündigung war, reagierte die BLM prompt und massiv: seine Anfrage wurde als Drohung des Bruchs der Zusammenarbeit gewertet; man werde prüfen, ob der beabsichtigte Umzug gegen die die Hörfunksatzung verstoße. Der Anbieter hat nunmehr Angst, daß man ihm Ende dieses Jahres die Lizenzverlängerung verweigere, wenn er die Betriebsgemeinschaft nicht fortsetzt. Der diese Gemeinschaft regelnde Vertrag sah in den letzen Abrechnungszeiträumen jeweils eine Umsatzzuweisung von Null vor. Angesichts seiner hervorragenden Hörerzahlen würde er gerne eigenständig weitersenden, sieht sich aber von der BLM-Politik bedroht.

Der neuesten Ausgabe von Kabel & Satellit (Nr. 14, Seite 10) ist zu entnehmen, daß ein bayerischer Fernseh-Anbieter aus RE-gensburg, Hans W. Wabbel, um den Forbestand zweier seiner drei Fernsehsender fürchten muß, weil er nicht bereit ist, eine Be-triebsgesellschaft mit Verlegern einzugehen. Offenbar er-streckt sich das Problem auch auf den TV-Bereich.

Bezüglich des Willkürgebots und des Vertrauensschutzes wird auf die rechtlichen Ausführungen in der Anlage 4, S 14 und An-lage 5, S.12 ff verwiesen und wie folgt ergänzt:

Schon seit Jahren wird in Fachkreisen beklagt, daß ein Rechtsschutz gegen die Maßnahmen der BLM so gut wie unmöglich ist. Selbst wenn es einzelnen Anbietern gelingt, einen Prozeß gegen die BLM zu gewinnen, ruft letztere den BayVerfGH an, der er-fahrungsgemäß die VGH-Entscheidungen mit Hinweis auf die Rundfunkfreiheit der BLM aufhebt. Sonstige Einwendungen bzgl. einfachen ver-waltungsrecht, Willkür, Ungleichbehandlung, werden dabei oft lapi-dar abgewehrt und umfangreicher Prozeßstoff damit ignoriert. So auch hier. Die in insgesamt acht Schriftsätzen penibel recherchierten Wilkürverstösse und rechtlichen Ausführungen zu Willkür- und Vertrauensschutz wer-den vom BayVerfGH mit einem Halbsatz abgefertigt: ein Willkürverstoß "sei nicht ersichtlich". Es wird hiermit gerügt, daß der VerfGH mit dieser Feststellung seine Kompetenzen überschritten hat, da solcherlei subsumierende Feststellungen Sache der einfachen Gerichte ist. Der BayVerfGH fungiert diesbezüglich als Super-revisionsinstanz, was nicht zulässig ist.

Sofern das BVerfG es trotzdem für zulässig erachten sollte, daß der BayVerfGH hierzu Feststellungen treffen darf, wird ge-rügt, daß er hier Wert und Umfang des Willkürverbots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes verkannt hat. Dies wird wie folgt begründet: Die Beschwerdeführerin hat im Prozeß Dokumente vorgelegt, die nachwiesen, daß von Anfang an Kabelgesellschaft, BLM und Mitanbieter selbst eine hervorragenden positiven Situation des Hofer Rundfunks konstantierten und wegen der Grenzöffnung auch für die Zukunft prognostizierten, so daß somit die angeb-lichen Befürchtungen für schlechte Auswirkungen von Splitting von vornherein widersprüchlich waren. Sie dokumentierte ferner, daß die BLM immer wieder eine Einzelfallprüfung ver-sicherte, worauf die Beschwerdeführerin in ihren Investitionen und Dispositionen vertraute. Sie hatte nachgewiesen, daß es eigentlich auch sonst keine schlechten Erfahrungen in Bayern mit Splitting gebe, und die BLM, obwohl immer wieder dazu auf-gefordert, hat auch nie Nachweise über die angeblich schlechten Erfahrungen mit Splitting gebracht, sondern es bei ihren pauschalen Behauptungen belassen. Die Beschwerdeführerin hat ferner darauf hingewiesen, daß andere Splittingverträge in Bayern verlängert wurden und hat Ungleichbehandlung gerügt - auch hierauf hat sie bisher keinerlei Argumente für die Ungleichbehandlung erhalten.

Wenn der BayVerfGH jetzt ohne nähere Begründung erklärt, die BLM dürfe im Rahmen ihrer Rundfunkfreiheit auf bayerische Er-fahrungen zurückgreifen und eine Willkür sei nicht ersicht-lich, verkennt es Umfang und Bedeutung des Grundrechts aus Art 3 GG (Willkürverbot, Gleichbehandlungsgebot) und Art 2 I, 14 GG (Vertrauensschutz) und höhlt diese Grundrechte praktisch völlig aus, reduziert sie gleichsam auf Null.

Soweit ersichtlich, ist Rechtsfortbildung im bayerischen Medienrecht lediglich durch den BayVGH betrieben worden. Nur er hat sich mit der Bundesverfassungsrechtsprechung zur Rund-funkfreiheit und der teleologischen Anwendung der Medienge-setze auseinandergesetzt. Er ist inzwischen durch Befangen-heitsanträge gegen die Senatsrichter und durch die VerfGH-Rechtsprechung ausgehebelt und mundtot gemacht worden. Der VerfGH dagegen hat sich in seinen Entscheidungen mit der Rechtsprechung des BVerfG nicht auseinandergesetzt. So ist Bayern faktisch wie rechtlich in eine Sackgasse gelaufen. Be-reits zum jetzigen Zeitpunkt ist erkennbar, daß sich eine so starke Medienmacht gebildet hat, daß sich auch die pro-gressiven Kräfte in der BLM nicht damit anzulegen wagen - die wenigen unabhängigen Sender sowieso nicht mehr. Sogar wenn jemals der 111a BV wegfallen (was nach Absicht der Väter dieses Artikels vorbedacht war), dann sind die Pfründe gesichert und der Zustand irreversibel. Und auch Parteien und andere Institutionen wagen seit dem BayVerfGH-Urteil über die Rechtmäßigkeit des MEG im Jahre 1987 keinerlei gerichtliche Aus-einandersetzung mehr, auch wenn intern über die immer ver-fassungswidrigeren Zustände in Bayern gejammert wird.

Sollte sich herausstellen, daß die Rundfunkfreiheit der BLM wegen Art 111a BV tatsächlich so allumfassend ist und nicht enger (grundgesetzkonform) ausgelegt werden kann, bleibt zu prüfen, ob Art 111a BV überhaupt noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Erprobungsphase des MEG ist vorbei und damit hat Bayern nicht mehr den Bonus der "Experimentierphase". Bei derzeitger Handhabung der Rundfunkfreiheit läßt sich jetzt tatsächlich erkennen, daß alle diejenigen Befürchtungen eingetreten sind, die die Väter des 111a BV vermeiden wollten: Nämlich daß Rund-funk in die Hände weniger, bereits von vornherein einfluß-reicher gesellschaftlicher Kräfte gelegt wird. Ob die Politik der BLM diese Entwicklung bewußt oder unbewußt, freiwillig oder unfreiwillig verstärkt, kann dahingestellt bleiben. Der 111a BV hatte nur solange Sinn, als man auf Privatfunk völlig verzichtete und binnenpluralistischen, öffentlich-rechtlichen Rundkfunk nach dem traditionellen Modell betrieb. Die seit 1987 praktizierte halbherzige Einführung des Privatfunks unter Beibehaltung des 111a BV, also die derzeitige Kombination von 111a BV und Privatfunk, führt zu dem Gegenteil des ursprünglich Beabsichtigten und Gebotenen. Der durchaus sinnvolle Artikel hat nur dann Sinn, wenn er einschränkend im Sinne des VGHs und nicht frei im Sinne des BayVerfGH angewandt wird.

Folgenabwägung (Antrag auf einstweilige Verfügung):

1. Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, so wird der wirtschaftlichen Existenz des Senders als solcher die Grundlage entzogen. Bis zur voraussichtlichen Entscheidung ist ein Er-halt der Mitarbeiterstruktur (24 Mitarbeiter, davon 10 Mit-arbeiter fest angestellt) nicht möglich; einige werden, wie be-reits früher geschehen, zu Euroherz überwechseln. Hinzu kommt ein Vertrauensverlust bei Banken und Vertragspartner, der jetzt, nach der Totalabschaltung, noch viel stärker sein wird, als in der unsicheren Phase vor eineinhalb Jahren. Es besteht die Gefahr der Kreditkündigung durch die Banken, ferner das Auflaufen von Zinsen und Folgekosten, die einen späteren Wiederaufbau unmöglich machen. Die für den Sender existenznotwendigen Stamm-Werbekunden werden bereits in den ersten Wochen nach Abschalten abgeworben und kaum mehr wiederzuge-winnen sein. Investitionen wie der Aufbau des Vogt-landstudios, Telefonanlagen für Höreraktionen und andere Einrichtungen, werden umsonst sein. Da der Einsatz des Studios als reines Produktionsstudio minimale Ertragsaussichten bietet - die potentiellen Kunden werden ihre Produktionen ebenfalls bei dem sendenden Konkurrenten Euroherz in Auftrag geben - werden Studioräume und Studioeinrichtung aufzugeben sein. Ein Wieder-aufbau wird nicht mehr mög-lich sein.

2. Da damit nicht nur für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, sondern voraussichtlich für immer der Sendebetrieb der Beschwerdeführerin in Hof wegfallen wird, ist auch die Meinungsvielfalt in diesem Gebiet beseitigt, und zwar auf Dauer. Dies wird dadurch verstärkt dadurch, daß voraussicht-lich der Doppelmonopolsender Euroherz zusammen mit der Tages-zeitung eine solch starke Machtposition aufbauen können wird, daß die Neugründung eines Zweitsenders nicht mehr möglich ist.

Gezeichnet 




 

Die Verfassungsbeschwerde war erfolgreiche und führte zu entsprechenden Eilentscheidungen, bei denen die rechtliche Problematik aber nur angerissen wurde. Interessant ist deshalb die  Hauptsacheentscheidung, sie  erging im Jahre 1998  trotz "Erledigung der Hauptsache" wegen anhaltender Prozesse.

Die extra-radio-Entscheidung auf der Seite des BVerfG:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs19980220_1bvr066194.html



Auszug ab Rand-Nummer 52:











 








 Rest: 
 
ab Rand-Nr. 72