Mittwoch, 18. Oktober 2017

Zufluss und Abfluss bei Kreditkarte und Scheckkarte - § 11 EStG

Eine (meines Erachtens falsche) Musterlösung einer Steuerfachangestellten-Prüfung führte zu einer Diskussion unter Kollegen. 

Dabei ging es um eine Zahlung mit Girokarte am 31.12.01, der Betrag wurde am 2.1.02 dem betrieblichen Bankkonto zugeschrieben. Die Musterlösung ging ganz selbstverständlich von einer Betriebseinnahme in 01 aus. Das ist zweifelhaft.

Eine EC-Karte entspricht einer Kreditkarte. Speziell bei  Kreditkarten ist man sich eigentlich einig:
  • Abfluss: schon mit Unterschrift auf Belastungsbeleg
  • Zufluss: erst mit Gutschrift auf dem Empfängerkonto




Das entspricht der allgemeinen Interpretation von § 11 Abs. 1 EStG:
Zufluss von Einnahmen erst mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein in Geld oder Geldeswert bestehendes Wirtschaftsgut (>BFH vom 21.11.1989 - BStBl 1990 II S. 310 , vom 8.10.1991 - BStBl 1992 II S. 174 und vom 11.11.2009 - BStBl 2010 II S. 746 ). 
Verfügungsmacht wird in der Regel erlangt im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolges oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen (>BFH vom 21.11.1989 - BStBl 1990 II S. 310). Sie muss nicht endgültig erlangt sein (>BFH vom 13.10.1989 - BStBl 1990 II S. 287).
Entsprechend gilt für den Abfluss der Zeitpunkt: hier gilt der Zeitpunkt, in welchem der Verfügende das seinerseits Notwendige gemacht hat und den Zahlungsvorgang aus der Hand gegeben hat. Also bei Übergabe oder Versendung eines Scheckformulars oder -  bei Kartenzahlung - mit Eingabe des Codes im Kartenlesegerät oder bei Unterschrift auf dem Einzugsbeleg.

Bei der Übertragung der allgemeinen Grundsätze auf die Kreditkarte ergibt sich eben die oben genannte Regel. Also, etwas ausführlicher:

Der Zufluss liegt (eigentlich unstreitig) erst im Zeitpunkt der Zahlung (i.d.R. Gutschrift auf dem Bankkonto) durch den Kartenausgeber (Kreditkartengesellschaft).
Der Zeitpunkt der Unterschriftsverpflichtung (Hingabe der Zahlungsanweisung) ist nach h. M. dagegen allein der entscheidende Zeitpunkt für den Abfluss (Heinicke in Schmidt ESt zu § 11 Rdnr. 30, 27. A.); so auch das oft zitierte Urteil von FG Rheinland-Pfalz vom 18.3.2012, 5 K 1875/10: Bei Zahlung über Kreditkarte erfolgt der Abfluss also bereits mit der Unterschrift auf dem Belastungsbeleg und nicht erst dann, wenn der Betrag dem Konto belastet wird.

Das was für Kreditkarten gilt, muss logischerweise auch für EC-Karten gelten, also die gewöhnliche Scheckkarte. Meist wird das auch so in Fachaufsätzen dargestellt, das heißt, die Regelung wird für EC-Karten und Kreditkarten gemeinsam erörtert:

EC-/Kreditkarte: Zufluss mit Gutschrift, Abfluss schon mit Unterschrift (etc.)

Dann wieder liest man unglückliche Kombinationen. Ein Beispiel:

Scheck/Scheckkarte:  Abfluss mit Hingabe des Schecks, Zufluss mit Erhalt des Scheckformulars beim Empfänger (nicht erst mit Gutschrift), weil der Empfänger dann bereits die Verfügungsmacht erhalten hat. 
Das ist missverständlich - bzw. falsch. Denn hier wird zwar korrekt die Rechtsprechung zum normalen Scheck wiedergegeben. Aber die Überschrift vermischt das mit der Scheckkarte - das passt nicht zusammen. Bei der normalen Scheckzahlung wird ein Scheckformular übergeben, die Scheck-Karten-Zahlung dagegen entspricht der Kreditkartenzahlung und gehört nicht hierher.

Der Zahlungsvorgang einer ec-Karte entspricht eher einer Überweisung. Dort gibt der Überweisende mit dem Überweisungsauftrag die Verfügungsmacht aus der Hand (Abfluss schon jetzt) aber für den Zufluss auf Empfängerseite gilt erst der Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Empfängerkonto.

Und das übetrug die Lehre korrekt auf Kreditkarten, deren Zufluss nicht schon mit Unterschrift des Karteninhabers erfolgt, sondern erst dann, wenn das kartenausgebende Kreditkartenunternehmen den Betrag dem Konto des Gläubigers gutschreibt (Segebrecht, H. Überschussrechnung S. 161, Birk/Kister in H/H/R, EStG, § 11 EStG, RZ45, Wolff-Diepenbrock in Littmann u.a., ESt, 15. Aufl. § 11 anhang 1 "Kreditkarte", Hausen, Modifzierte E-Ü-R, 2008, S. 86)

Und das wiederum muss auch für ec-Karten gelten. In der Regel fassen die Autoren in Aufsätzen diese beiden Fallgruppen zusammen (EC-Karten/Kreditkarten).  Ich fand jedenfalls bisher keinen Beitrag, der die ec-Karte ausdrücklich  anders behandelt als die Kreditkarte.

Was gilt für den Unterricht?

Es bleibt die Frage, wie man den Schüler unterrichten soll. Schließlich will man ihn so auf die Abschlussprüfung vorbereiten, dass er dort seine Punkte erhält. Das Problem ist, dass es (jedenfalls im Wirkungsbereich der Bildungseinrichtung, an der ich unterrichte) offenbar schon öfters diese falsche Zuordnung gab, so dass man damit rechnen muss, dass auch künftig entsprechende Ansichten in der Musterlösung auftauchen. Soll man bewusst das "Falsche" hinschreiben? Aber was, wenn der nächste Einreicher einer Prüfungsaufgabe von oben genannter Ansicht ausgeht?

Nun, das Problem ist schwer lösbar. Man kann dem Schüler nur raten, die hier vertretene Ansicht etwas ausdrücklicher zu begründen, also nicht den üblichen lapidaren Telegrammstil zu verwenden, der bei solchen Prüfungen erwartet wird.

Also nicht einfach

Zufluss  mit Zahlung in 02, § 11 (1) EStG
sondern:

Zufluss i.S.v. § 11(1) EStG ist bei einer ec-Kartenzahlung erst bei Gutschrift auf dem Empfängerkonto, da erst hier der Empfänger die Verfügungsmacht über das Geld erhält, genauso wie bei einer Kreditkarte (dort unstreitig). Daher Zufluss mit Bankgurtschrift in 02

Wenn hier der Korrektor eine andere Musterlösung vorliegen hat, wird er bei dieser ausführlichen Antwort stutzig werden und nachforschen. So jedenfalls die Hoffnung.


Nachtrag: Hier ist die Aufgabe in vollem Wortlaut:

Eine Kundin kauft ein Paar Reiterstiefel und bezahlt am 31.12.2013 mit Girokarte. Der Betrag von 299,00 Euro wird am 2. Jan. 2014 dem betrieblichen Bankkonto gutgeschrieben.  Lösung gem. Lösungsempfehlung: Zahlung gilt als erfolgt in 2013, BE 299 Euro.