Sonntag, 3. April 2022

Fachwirte - Auswirkungen der UWG-Reform ab Mai 2022

Für Dozenten wie Schüler stellt sich die Frage, inwieweit das "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht", das ab 28.05.2022 das UWG ändert, sich auf den Lehrbrief, den Unterricht und den Umgang mit alten Prüfungsfragen auswirkt.

Für nachfolgende Ausführungen gilt:

  • Lehren oder lernen Sie auf die Herbstprüfung 2022, denn spielen die UWG-Änderungen keine Rolle, denn es gilt Rechtsstand 1.1.2022 (für Herbstprüfungen gilt immer der Rechtsstand vom 1. Januar des entsprechenden Jahres). Die neue Rechtslage tritt aber erst ab Mai 2022 in Kraft, es gilt also die alte Rechtslage.
      
  • Lehren oder lernen Sie auf die Frühjahrsprüfung 2023 oder später, dann sind folgende Ausführungen natürlich relevant. Das UWG kam 2010 und 2016  und es war fast vorauszusehen, dass es jetzt - im Frühjahr 2022 - wieder dran kam.


Die Änderungen

Die Änderungen treten erst im Mai 2022 in Kraft. Vorher ist der Text in den amtlichen Onlinedarstellungen (gesetze-im-internet.de und dejure.org) nicht ersichtlich. Wer das hier vor dem Mai 2022 liest und online den künftigen Gesetzestext benötigt, kann die neuen Texte hier einsehen: https://www.buzer.de/gesetz/14904/a276749.htm

Bei neueren Auflagen der Gesetzessammlungen (z.B. "Wettbewerbsrecht" vom Beck-Verlag) kann es sein, dass sowohl alte als auch neue Fassung abgedruckt wurde (Schüler sollten übrigens generell ältere Auflagen der Gesetzessammlung durch eine aktuelle ersetzen, auch wenn sie die bisherigen Markierungen übertragen müssen).

Die Reform enthält im wesentlichen drei Änderungen:

  1. Transparenz bei Suchergebnissen in Online-Plattformen (5b Abs.2 neue Fassung)

  2. Schleichwerbung durch Influencer - Klarstellung wann Influencer gewerblich handeln (5a Abs. 4 neue Fassung, den bisherigen Absatz 6 ablösend)

  3. Schadenersatz für Verbraucher (§ 9 neue Fassung)

Davon ist letztlich nur Punkt c) wirklich wichtig. Im Einzelnen gilt:

a) Die neuen Transparenzvorschriften gelten für amazon.de, ebay und ähnliche Plattformen, in denen man zu einem Suchbegriff Auflistungen erhält, deren Ranking ein Problem ist. Diese Neuregelung ist für die Praxis interessant, dürfte für den Fachwirt aber nicht ausbildungsrelevant sein - das ginge viel zu sehr in die Tiefe. Wer sich trotzdem dafür interessiert, der lese z.B. hier.

b) Das Verbot der Schleichwerbung als Unterfall der irreführenden Werbung war bisher im bisherigen §6a Absatz 6 UWG geregelt. Der gesamte Paragraph wurde neu formuliert und die Absätze umnummeriert - aus Absatz 6 wird Absatz 4. Inhaltlich wurde die Formulierung erweitert, damit klarer wird, wann Influencer gewerblich handeln. Auch diese Erweiterung ist ein Detail, das für Fachwirte nicht prüfungsrelevant ist.

Aber wegen der Neu-Nummerierung muss eine Stelle im Lehrbrief "Recht" des Fernlehrinstitut Eckert geändert werden:

Neue Fassung Skript Recht, Seite 131 (gelbe Markierung ist neuer Text):

Schleichwerbung

Unter Schleichwerbung versteht man die von einem Unternehmer finanzierte Werbung, die vom Adressaten gar nicht als Werbung erkannt werden kann.

Regelungen

    • § 5a Absatz 6 UWG (ab 18.05.2022: § 5a Absatz 4)
    • Nr. 11 der Schwarzen Liste (Anhang zu § 3 UWG) - speziell zu redaktioneller Werbung

c) Wirklich interessant ist die Erweiterung des § 9 UWG, so dass künftig auch Verbraucher einen direkten Anspruch aus UWG bekommen, nämlich einen Schadenersatzanspruch, wenn ihm durch die wettbewerbswidrige Handlung ein Schaden entstanden ist. Beispiel wären die Kosten für eine vergebliche Fahrt zu einem Geschäft, das mit Lockvogelangeboten (Bewerbung nicht vorhandener Vorräte) die Kunden zu sich lockte. Der Kunde hat hier künftig aus § 9 UWG einen direkten Schadenersatzanspruch (neben eventuellen anderen Ansprüchen z.B. aus BGB, culpa in contrahendo)

Das ist für Fachleute eine interessante Zäsur im UWG. Denn bisher gab es - auch wenn das Gesetz letztendlich dem Verbraucher dient - nur Ansprüche von Konkurrenten, Verbänden und Kammern, nie von Verbrauchern selbst.

In den bisherigen mit UWG befassten Prüfungen (Frühjahr 2010 und Frühjahr 2016) wurde gefragt: 

aa) welche Ansprüche (Sanktionen) gibt es bei Wettbewerbsverstößen und 

bb) wer ist möglicher Anspruchsteller

Zu aa) Die Ansprüche findet man in §§ 8, 9 und 10 UWG, also Beseitigung, Unterlassung, Schadenersatz und Gewinnabschöpfung.

Zu bb) Wer welche Ansprüche stellen kann, steht bei der jeweiligen Regelung dabei.  Dabei konnte man sich bisher recht einfach auf die umfangreiche Liste in § 8 Abs. 3 stützen, denn die §§ 9 und 10 verwiesen jeweils auf einzelne Anspruchsteller aus dieser Liste. Künftig muss man aber daran danken, dass die Liste um den in § 9 genannten Verbraucher erweitert wird.

Als Autor des Lehrbriefs werde ich für die Neuauflage voraussichtlich folgende Änderung vornehmen:

Punkt 6.1.2 (Seite 133f) wird künftig lauten:

    Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen

    Als Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen sieht das UWG (§§ 8-11 UWG) folgende Sanktionen vor:

  • Unterlassungsansprüche gem. § 8. Mögliche Anspruchsteller: Konkurrenten, Interessenverbänden, Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern
  • Beseitigungsansprüche gem. § 8 UWG. Mögliche Anspruchsteller: Konkurrenten, Interessenverbänden, Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern
  • Schadensersatzansprüche gem. § 9 UWG. Mögliche Anspruchsteller waren bisher nur Konkurrenten ("Mitbewerber"), mit Wirkung ab 28. Mai 2022 aber auch geschädigte Verbraucher (über den neu eingeführten Absatz 2 von § 9 UWG).
  • Anspruch des Staates auf Gewinnabschöpfung, § 10 UWG. Mögliche Anspruchsteller sind (laut Gesetz die in § 8 (3) Nr. 2 bis 4 UWG genannten Personen, also Interessenverbände, IHK, Handwerkskammern, aber nicht die Konkurrenten selbst.

Die Erweiterung von Ansprüchen auf einzelne Verbraucher ist eine grundlegende Änderung im UWG. Denn bisher gab es - auch wenn das Gesetz letztendlich dem Verbraucher dient - nur Ansprüche von Konkurrenten, Verbänden und Kammern. Mit der 2021 beschlossenen Reform (Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht) haben erstmals auch Verbraucher Ansprüche. Beispiel wäre eine vergebliche Fahrt zu einem Geschäft, das mit Lockvogelangeboten (Bewerbung nicht vorhandener Vorräte) die Kunden zu sich lockt. Der Kunde hat hier aus § 9 UWG einen Schadenersatzanspruch.

- Ende Neufassung Lehrbrief -


Auswirkungen auf alte Prüfungen

Da Schüler mit alten Prüfungen arbeiten, die man von der IHK mitsamt Musterlösungen bekommt, sollte man sie als Dozent auch auf notwendige Anpassungen hinweisen. Denn so manche der  Musterlösungen im Bereich Recht stimmen wegen Gesetzesänderungen nicht mehr.

Das Thema Wettbewerbsrecht kam bisher nur im Frühjahr 2016 und Frühjahr 2010 dran.

Zur Prüfung aus Frühjahr 2016:


In der Wirtschaft kommt es regelmäßig zu Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht.

a) Geben Sie vier mögliche gesetzliche Rechtsfolgen an, die bei einem Wettbewerbsverstoß in Betracht kommen

b) Benennen Sie zwei Berechtigte, denen die Ansprüche nach dem UWG zustehen

Lösung

a) Das waren geschenkte Punkte, denn die Antworten konnte man aus §§ 8, 9 und 10 ablesen. Die Paragrafen musste man übrigens nicht zitieren.

  • Beseitigung (§ 8 Abs. 1),

  • Unterlassung (§ 8 Abs.1),

  • Schadenersatz (§ 9),

  • Gewinnabschöpfung (§ 10).

Die Musterlösung nannte  noch als fünfte Möglichkeit den "Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung §§ 242 BGB iVm 34,7,9 UWG" - eine Anspruchsgrundlage, die außer den Richtern sonst kein Schwein kennen dürfte und in Lehrbüchern nicht auftaucht - aber es reichten sowieso vier Antworten

b) Gemäß Musterlösung wurden die damals möglichen vier Anspruchsteller aufgelistet, von denen man zwei nennen konnte (und die damals vollumfänglich in § 8 Abs. 3 enthalten waren). Die Musterlösung verkürzte dabei übrigens die umständlichen gesetzlichen Formulierungen (wie schon im Frühjahr 2010) wie folgt:

  • Mitbewerber

  • rechtsfähige Verbände

  • qualifizierte Einrichtungen

  • IHK / Handwerkskammern

und hier muss man für die Zukunft beachten:

  • neu ab 28.5.2022: auch Verbraucher, wegen § 9 Abs. 2 UWG


Zur Prüfung aus Frühjahr 2010. 

Ein Geschäftsmann wollte wissen, ob er einen Räumungsverkauf bewerben darf. Die Teilfrage b lautete:

  1. ...

  2. Nennen Sie die zwei Berechtigte, die einen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung für sich aus dem UWG herleiten können

  3. ...

Die Antwort lautete (wobei wieder der Gesetzestext verkürzt wurde, und diesmal IHK und Handwerkskammer getrennt aufgeführt wurden):

  • jeder Mitbewerber

  • rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher der selbständiger beruflicher Interessen

  • qualifizierte Einrichtungen

  • Industrie- und Handelskammern

  • Handwerkskammern (§ 8 Abs. 3 UWG)

    (es reichten natürlich zwei aus dieser Liste von Möglichkeiten, mehr war nicht gefragt)

Achtung! Diese Antwort ändert sich durch die neue Rechtslage nicht.  Denn beachte die Fragestellung: es ging nur um Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, die in § 8 geregelt sind, und nicht auf Schadenersatz nach § 9. Unterlassungsansprüche haben nur die in § 8 Abs. 3 genannten Anspruchsteller.



Anti-Abmahngesetz 2020

Ich wurde außerdem gefragt, ob das Anti-Abmahngesetz von 2020 (gültig ab Dezember 2020) für den Unterricht eine Rolle spielt. Dieses Gesetz sorgte für ein paar Änderungen im UWG. Dabei geht es um die Frage, wer kostenpflichtige Abmahnungen schreiben darf und welche Mindestinhalte die (wettbewerbsrechtliche) Abmahnung enthalten muss.

Das halte ich nicht für ausbildungsrelevant sondern ist Juristenstoff. Der Prüfling muss noch nicht mal wissen, dass ein Unterlassungsanspruch erst durch außergerichtliche Abmahnung und dann erst durch einstweilige Verfügung oder durch Unterlassungsklage durchsetzen muss, geschweige denn welche Details hier zu beachten sind. 

Man darf natürlich die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht mit der ganz andersartigen arbeitsrechtlichen Abmahnung verwechseln. Über Letztere muss man Bescheid wissen.