Mittwoch, 20. November 2013

BGH-Urteil: Unzulässige AGB im Möbelversandhandel

Siehe auch:  Urteil des VIII. Zivilsenats vom 6.11.2013 - VIII ZR 353/12 -

Pressemitteilung Nr. 184/2013
Zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Möbelversandhandel 




Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Wirksamkeit einer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Möbelversandhändlerin enthaltenen Versand- und Gefahrübergangsklausel befasst.

Die beklagte Möbelhändlerin betreibt auch einen Online-Shop. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Online-Shop ist geregelt:

"Wir schulden nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen und sind für vom Transportunternehmen verursachte Verzögerungen nicht verantwortlich."

Der klagende Verbraucherschutzverband hält diese Klausel für unwirksam und nimmt die Beklagte auf Unterlassung ihrer Verwendung gegenüber Verbrauchern in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten insoweit abgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Klausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB* nicht standhält. Die Klausel bezieht sich, wie sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt, auch auf Kaufverträge, in denen sich die Beklagte zur Montage der Möbel beim Kunden verpflichtet. Bei einem Möbelkaufvertrag mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Montage der bestellten Möbel beim Kunden liegt nach der Natur des Schuldverhältnisses eine Bringschuld vor. Denn bei solchen Verträgen kann die Montage der gekauften Möbel als vertraglich geschuldete Leistung des Verkäufers nur beim Kunden erbracht und auch nur dort festgestellt werden, ob die Kaufsache vertragsgemäß geliefert und aufgebaut wurde. Die Klausel, nach der die Beklagte nur die rechtzeitige, ordnungsgemäße Ablieferung der Ware an das Transportunternehmen schuldet, benachteiligt den Kunden eines solchen Vertrages unangemessen, weil sie ohne sachlichen Grund von der gesetzlichen Regelung über den Leistungsort abweicht und dadurch den Gefahrübergang zum Nachteil des Kunden verändert (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Hinzu kommt, dass die Klausel die Haftung der Beklagten für ein Verschulden des Transportunternehmens als ihres Erfüllungsgehilfen ausschließt; insoweit verstößt die Regelung auch gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB*.

* § 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. (…)

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (…).

* § 309 BGB Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit

Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam (…)

7. (…)

b) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen. (…)

Urteil vom 6. November 2013 - VIII ZR 353/12

LG Ellwangen, Urteil vom 10. Februar 2012 – 5 O 234/11

OLG Stuttgart, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 U 45/12

Karlsruhe, den 06. November 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
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Telefax (0721) 159-5501

Farbe in der Mietwohnung: Vermieter haben bei Auszug des Mieters Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen neutralen Anstrichs

Bundesgerichtshof-Pressemitteilung

Zur Schadensersatzpflicht des Mieters bei Rückgabe der neutral dekoriert übernommenen Wohnung
mit einem farbigen Anstrich




Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutralen Farben gestrichene Wohnung mit einem farbigen Anstrich versieht und so an den Vermieter zurückgibt.

Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Beklagten, die das Objekt frisch in weißer Farbe renoviert übernommen hatten, strichen einzelne Wände in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) und gaben es in diesem Zustand zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete hierfür einen Betrag von 3.648,82 € auf.

Die Klägerin hat nach teilweiser Verrechnung mit der von den Beklagten geleisteten Kaution Zahlung von 1.836,46 € nebst Zinsen begehrt. Die Beklagten haben widerklagend die Rückzahlung der zu Beginn des Mietverhältnisses geleisteten Kaution nebst Zinsen geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagten unter Abweisung im Übrigen zur Zahlung von 874,30 € nebst Zinsen verurteilt; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Mieter gemäß §§ 535, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB* zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird und eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich macht. Der Schaden des Vermieters besteht darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Schadenshöhe wurden von der Revision nicht beanstandet und begegnen keinen Bedenken.

* § 280 BGB:

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (…)

§ 241 BGB

(1) …

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Urteil vom 6. November 2013 - VIII ZR 416/12

AG Friedberg - Urteil vom 10. Februar 2012 – 2 C 176/12

LG Gießen - Urteil vom 7. November 2012 – 1 S 71/12

Karlsruhe, den 6. November 2013

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Anfechtung des Arbeitsvertrags über Vermarktung von Esel Joschi

Schleswig-Holstein – Das Landesarbeitsgericht – Kein wirksamer Arbeitsvertrag über die Vermarktung des Esels Joschi  

Ein interessanter Fall für Schüler und Studenten, die sich mit Arbeitsrecht befassen:

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Einstellung


Kein wirksamer Arbeitsvertrag über die Vermarktung des Esels Joschi


Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat mit Urteil (1 Sa 50/13) vom 19.11.2013 entschieden, dass der zwischen dem Kläger und den beklagten Eheleuten geschlossene Arbeitsvertrag, nach dem der Kläger als Vertriebsmanager für die Vermarktung des von der beklagten Ehefrau erfundenen Esels Joschi zuständig sein sollte, unwirksam ist. Damit hob es eine entgegenstehende Entscheidung des Arbeitsgerichts Neumünster aus dem Januar 2013 auf.
Erscheinungsdatum:
20.11.2013
Die Beklagten sind Eheleute und machten vor nahezu 20 Jahren einen immensen Lottogewinn. Hierüber wurde in den Medien berichtet. Jetzt schreibt die Ehefrau Kinderbücher über einen Esel Joschi. Der Kläger nahm Kontakt zu den Eheleuten auf und die Parteien unterzeichneten sodann im September 2011 einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger als „Vertriebsmanager“ zum 15.09.2011 ohne Probezeit für zunächst zwei Jahre fest eingestellt zu einem Monatsgehalt von € 20.000,00 bei 13 Monatsgehältern und einer Gewinnbeteiligung am Projekt Joschi. Der Vertrag sollte sich um zwei Jahre verlängern, sofern er nicht zuvor mit einer halbjährigen Frist gekündigt wird und war vor Dienstantritt unkündbar. Im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Arbeitsvertrages – gleich aus welchen Gründen – stand dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 250.000,00 zu. Nachdem der Kläger einen geänderten Arbeitsvertrag nicht unterzeichnen wollte, fochten die Eheleute den ursprünglichen Arbeitsvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an und kündigten vorsorglich fristlos und fristgerecht.

Anders als das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass die beklagten Eheleute den Arbeitsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten haben.

 Das Landesarbeitsgericht ist dabei davon ausgegangen, der Kläger habe u.a. vorgetäuscht, den Chefeinkäufer vom Mediamarkt und Saturn persönlich zu kennen und beste Beziehungen zum Ravensburger Kinderbuchverlag zu haben. Anders lasse sich das Zustandekommen des Arbeitsvertrags nicht erklären. Ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht nicht zugelassen.

(Ende der Pressemitteilung; Hervorhebungen stammen von mir)

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Ein paar Monate zuvor hat das LAG eine Pressemitteilung im selben Rechtsstreit veröffentlicht, das für Studierende und Schüler interessant ist. Es betrifft die Themen Arbeitsvertrag/freier Mitarbeitervertrag sowie Anfechtung und "Motivirrtum"


Ehemalige Lottogewinner verlieren den Kündigungsrechtsstreit


Allein der Umstand, dass im Arbeitsvertrag die Tätigkeit des Arbeitnehmers nur rudimentär beschrieben ist und dem Arbeitnehmer gleichwohl hohe Vergütungsansprüche zustehen, berechtigt den Arbeitgeber weder zur Anfechtung noch zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dies hat das Arbeitsgericht Neumünster mit Teilurteil vom 23.01.2013 entschieden (3 Ca 1359 b/12). Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 1 Sa 50/13)
Erscheinungsdatum:
22.02.2013
Die Beklagten sind Eheleute und machten vor nahezu 20 Jahren einen immensen Lottogewinn. Hierüber wurde in den Medien berichtet. Jetzt schreibt die Ehefrau Kinderbücher über einen Esel Joshi. Der Kläger nahm Kontakt zu den Eheleuten auf und die Parteien unterzeichneten sodann am 11.09.2011 einen Arbeitsvertrag. Danach wurde der Kläger als „Vertriebsmanager“ zum 15.09.2011 ohne Probezeit für zunächst zwei Jahre fest eingestellt zu einem Monatsgehalt von € 20.000,00 bei 13 Monatsgehältern und einer Gewinnbeteiligung am Projekt Joshi. Der Vertrag sollte sich um zwei Jahre verlängern, sofern er nicht zuvor mit einer halbjährigen Frist gekündigt wird und war vor Dienstantritt unkündbar. Im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Arbeitsvertrages – gleich aus welchen Gründen – stand dem Kläger eine Abfindung in Höhe von € 250.00,00 zu. Einen Tag später unterbreitete der Ehemann dem Kläger einen geringfügig modifizierten Arbeitsvertrag, der nur zwischen dem Kläger und ihm zustande kommen sollte. Nachdem der Kläger diesen zweiten Vertrag nicht unterzeichnen wollte, fochten die Eheleute den Arbeitsvertrag vom 11.09.2011 wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an und kündigten vorsorglich fristlos und fristgerecht. Das Arbeitsgericht hat der Bestandsschutzklage mit dem Teilurteil in vollem Umfang stattgegeben. Die ebenfalls rechtshängigen Zahlungsansprüche des Klägers in Höhe von rund € 355.000,00 waren noch nicht entscheidungsreif und sind damit noch in erster Instanz rechtshängig.

Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass ein Arbeitsverhältnis und kein freies Dienstverhältnis vorliege, weil die Parteien im Arbeitsvertrag Regelungen über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle und Urlaub vereinbart hätten. Anhaltspunkte für ein Scheingeschäft seien nicht ersichtlich.

Auch hätten die Beklagten den Arbeitsvertrag weder wirksam angefochten noch fristlos gekündigt. Die bestrittene Behauptung der Beklagten, der Kläger habe ihnen wahrheitswidrig vorgespiegelt, Kontakte zu Verlagen und Showstars zu haben, sei ein unbeachtlicher Motivirrtum.

Auch aus den finanziellen Regelungen des Arbeitsvertrages lasse sich kein Anfechtungsrecht herleiten. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Ehemann dem Kläger nach einer Überlegungsfrist am Folgetag einen in finanzieller Hinsicht fast gleiches Alternativangebot unterbreitet habe, ohne auch hierin die geschuldete Tätigkeit näher zu beschreiben. Auch sei es im Arbeitsleben nicht außergewöhnlich, befristete Arbeitsverträge ohne Kündigungsmöglichkeit mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren abzuschließen. Die Ausnutzung einer Zwangslage oder eine Unerfahrenheit könne hieraus nicht hergeleitet werden.


AO offenbare Unrichtigkeit § 129

Ein schönes Beispiel für Schüler und Studenten zum Thema Abgabenordnung: ein aktuelles URteil des BFH betrifft die Anwendung des § 129 AO zugunsten eines Bürgers, der versehentlich nachteilig gebucht hatte

Offenbare Unrichtigkeit; Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen als Betriebsausgaben

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 27.8.2013, VIII R 9/11

Leitsätze

Übersieht das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung, dass der Steuerpflichtige in seiner vorgelegten Gewinnermittlung die bei der Umsatzsteuererklärung für denselben Veranlagungszeitraum erklärten und im Umsatzsteuerbescheid erklärungsgemäß berücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgabe erfasst hat, liegt insoweit eine von Amts wegen zu berichtigende offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO vor (Anschluss an BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056).



Tatbestand
1 
I. Die Beteiligten streiten über die Berichtigung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide nach § 129 der Abgabenordnung (AO).

2 
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2002 bis 2005 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Ingenieur und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

3 
In den von ihm selbst erstellten Gewinnermittlungen setzte er jeweils auf der Einnahmenseite die vereinnahmten Bruttoeinnahmen, auf der Ausgabenseite die nach Kostenarten aufgeschlüsselten Ausgaben einschließlich der darin enthaltenen Vorsteuer an. In der Aufstellung waren die an den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Finanzamt --FA--) geleisteten Umsatzsteuerzahlungen nicht als Betriebsausgaben enthalten.

4 
Das FA veranlagte die Kläger für die Streitjahre auf der Grundlage der erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit zur Einkommensteuer, ohne den Fehler des Klägers hinsichtlich der geleisteten Umsatzsteuerzahlungen zu bemerken.

5 
Nachdem die Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden waren, beantragte der Kläger ihre Änderung unter Hinweis auf die unberücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen. Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 27. Juni 2008 wegen Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide ab.

6 
Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 8. September 2010  14 K 14074/09 als unbegründet ab.

7 
Zwar sei § 129 AO auch dann anwendbar, wenn die Finanzbehörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme. Eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter (ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht) jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung --wie im Streitfall-- sei hingegen kein Fehler, der auf ein bloßes mechanisches Versehen zurückzuführen sei. Denn der zuständige Sachbearbeiter habe die Unrichtigkeit nicht ohne weitere Prüfung erkennen können. Weder den Einkommensteuererklärungen noch den Umsatzsteuererklärungen der jeweiligen Streitjahre sei nämlich zu entnehmen, ob und wie viel Umsatzsteuer der Kläger in den Streitjahren jeweils an das FA tatsächlich abgeführt habe. Entsprechende Erkenntnisse hätte der Sachbearbeiter nur durch weitere Ermittlungen, etwa im Rahmen einer computergestützten Erhebungsauskunft oder durch Nachfrage bei der Erhebungsstelle gewinnen können.

8 
Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Kläger die Verletzung des § 129 AO rügen.

9 
Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Einkommensteuerbescheide für 2002 (vom 9. August 2004), für 2003 (vom 30. Mai 2005), für 2004 (vom 20. Juni 2006) und für 2005 (vom 10. April 2007), jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2009, unter Ansatz geleisteter Umsatzsteuerzahlungen als weitere Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.371 EUR (2002), 27.971 EUR (2003), 15.107 EUR (2004) und 17.344 EUR (2005) zu ändern.

10 
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe
11 
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

12 
Die Auffassung des FG, das FA habe zu Recht eine Berichtigung der streitigen Einkommensteuerbescheide nach § 129 AO abgelehnt, verletzt Bundesrecht. Wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat indessen nicht selbst entscheiden.

13 
1. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden.

14 
Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; vom 6. November 2012 VIII R 15/10, BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307; Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Aufl., § 129 Rz 13; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 17 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).

15 
Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. Oktober 2001 IX R 75/98, BFH/NV 2002, 467). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505, und vom 3. Juni 1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342, m.w.N.).

16 
2. Nach diesen Maßstäben sind die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre offenbar unrichtig i.S. des § 129 AO. Der Kläger hat für die Streitjahre Einnahmenüberschussrechnungen vorgelegt und darin geleistete Umsatzsteuerzahlungen (Vorauszahlungen) nicht berücksichtigt, obschon er Umsatzsteuerzahlungen in den zeitgleich eingereichten Umsatzsteuererklärungen ausgewiesen hat und die Umsatzsteuer jeweils erklärungsgemäß vom FA festgesetzt wurde.

17 
Aufgrund der Berücksichtigung von Umsatzsteuerzahlungen bei der Umsatzsteuerfestsetzung durch das FA in allen Streitjahren erscheint es entgegen der Ansicht des FG ausgeschlossen, dass die unterbliebene Übernahme der Ausgabenposition "Umsatzsteuerzahlungen" in den Einkommensteuerveranlagungen "auch auf nicht hinreichender Sachaufklärung" beruhen konnte. Letzteres wäre eine rein hypothetische Annahme, die der Feststellung einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO nicht entgegengehalten werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056).

18 
Vielmehr ergab sich aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten (BFH-Urteil in BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307, m.w.N) und damit auch aus der Sicht des FA, dass die --gesamten-- umsatzsteuerlich berücksichtigten Umsatzsteuerzahlungen nur aufgrund eines mechanischen Versehens vom Kläger nicht in seinen Einkommensteuererklärungen berücksichtigt worden waren.

19 
Dafür, dass der zuständige Sachbearbeiter des FA hätte annehmen können, die geleisteten Umsatzsteuerzahlungen seien mit Blick auf § 11 EStG wegen vollständiger Zuordnung zu einem anderen Veranlagungszeitraum --insgesamt-- nicht angesetzt worden, fehlt jeglicher Anhaltspunkt.

20 
3. Nach diesen Grundsätzen ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

21 
Die Sache ist nicht spruchreif. Zwar sind nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG offensichtlich --und auch vom FA nicht in Abrede gestellt-- die in den jeweiligen Streitjahren geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen als Betriebsausgaben abzuziehen.

22 
Gleichwohl kann deren Höhe wegen der zum Teil erst im jeweiligen Folgezeitraum geleisteten Abschlusszahlungen nicht abschließend beurteilt werden. Diese Prüfung wird das FG unter Berücksichtigung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 1. August 2007 XI R 48/05 (BFHE 218, 372, BStBl II 2008, 282) zur Zurechnung von Vorauszahlungen auf das Jahr der Zahlung oder ggf. auf das Vorjahr nachholen.

Sonntag, 27. Oktober 2013

Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses?

Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den  Ausfall eines Internetanschlusses zu

Der unter anderem für das Telekommunikationsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses zuerkannt.

Infolge eines Fehlers des beklagten Telekommunikationsunternehmens bei einer Tarifumstellung konnte der Kläger seinen DSL-Internetanschluss in der Zeit vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen. Über diesen Anschluss wickelte er auch seinen Telefon- und Telefaxverkehr ab (Voice und Fax over IP, VoIP). Neben Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons anfielen, verlangt der Kläger Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während des genannten Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefax- und Internetverkehr zu nutzen, in Höhe von 50 € täglich. In den Vorinstanzen sind dem Kläger 457,50 € für das höhere, bei dem anderen Anbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung zuerkannt worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten seines DSL-Anschlusses weiter verfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.

In Anwendung dieses Maßstabs hat der III. Zivilsenat einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dieses vermittelt lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirkt sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird.

Im Ergebnis hat der Senat einen Schadensersatzanspruch auch für den Ausfall des Festnetztelefons abgelehnt. Allerdings stellt die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte.

Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen. Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.

Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.

Zur näheren Sachaufklärung hierzu hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12

AG Montabaur - Urteil vom 7. Dezember 2010 – 5 C 442/10

LG Koblenz - Urteil vom 7. März 2012 – 12 S 13/11

Karlsruhe, den 24. Januar 2013

Siehe auch:  Urteil des III. Zivilsenats vom 24.1.2013 - III ZR 98/12 -

Montag, 14. Oktober 2013

Neue Rechte im Kampf gegen unerlaubte Werbung - Telefon, email, und Kostenfallen



Unerwünschte Telefonwerbung hat sich wie ein Virus verbreitet, schreibt das Ministerium.

Richtig. Auch ich werde immer wieder durch unnötige Anrufe aus dem Aktenstudium gerissen.


In den Rechtskursen für Fachwirte mache ich darauf aufmerksam, dass dieser Punkt prüfungsrelevant ist. Die Gesetzeslage zu Telefonwerbung, email-Werbung und Telefaxwerbung hat schließlich eine stürmische Entwicklung hinter sich, und diese Art der Werbung hat mittlerweile einen eigenen Paragraphen im UWG gefunden.

Trotzdem hören die Anrufe nicht auf. Ich hatte gelegentlich schon mit Mandanten diskutiert, die zugaben, auch Telefonwerbung zu machen. "Wenn ich es nicht mache, dann holt mir die Konkurrenz die Kunden weg" heißt es lakonisch. Und damit ist der Hinweis, dass es klar verboten ist, vom Tisch. Und wir Telefonbesitzer baden es aus. Nur wenn sich die Konkurrenz daran hält, dann wäre man bereit, sich auch daran zu halten.

So freut mich der neue Sanktionenkatalog der Bundesregierung. Die Bußgelder steigen bis auf 300.000 Euro. Möglich macht das eine Änder­ung des Gesetzes gegen den un­lauteren Wett­bewerb (UWG), die am 9. Oktober in Kraft tritt.

Aber es gibt noch weitere Änderungen, die damit zusammenhängen. Wichtig für Lernende (Recht), wichtig für Unternehmer und wichtig auch für Betroffen. Nur wenn man seine Rechte kennt, kann man  reagieren.

Auf den Seiten des Ministeriums für Verbraucherschutz wird der neue Maßnahmekatalog wie folgt beschrieben: 






Unerwünschte Telefonwerbung hat sich wie ein Virus verbreitet. Bereits 86 Prozent der Bevölkerung fühlen sich durch unlautere Werbeanrufe belästigt. 64 Prozent wurden innerhalb weniger Monate ohne Einwilligung von einem Unternehmen angerufen. Dies ergab eine Umfrage des forsa-Instituts vom Herbst 2007. Dabei ist Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung bereits jetzt ausdrücklich verboten. Sie stellt nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das 2004 umfassend überarbeitet worden ist, eine  unzumutbare Belästigung dar.


Um die Angerufenen noch wirkungsvoller vor unerwünschten Werbeanrufen zu schützen, haben das Bundesverbraucher- und das Bundesjustizministerium ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet.

Widerruf von Verträgen

Künftig bekommen Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Möglichkeiten, telefonisch abgeschlossene Verträge zu widerrufen, das heißt wieder rückgängig zu machen. Dies gilt vor allem für Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotteriedienstleistungen. Aber auch alle anderen Verträge, die Verbraucher im Wege des so genannten Fernabsatzes über das Telefon geschlossen haben, können widerrufen werden. Bislang gibt es hier kein Widerrufsrecht.

Durch den fristgerechten Widerruf ist der Verbraucher an seine Vertragserklärung nicht mehr gebunden, braucht den Vertrag also nicht zu erfüllen. Die Widerrufsfrist beträgt abhängig von den Umständen des Einzelfalles zwei Wochen oder einen Monat. Sie beginnt nicht, bevor der Verbraucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform erhalten hat.

Bußgeld bei Verstößen gegen unerlaubte Telefonwerbung

Verstöße gegen das bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbung sollen künftig mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro geahndet werden können. Außerdem wird ein Werbeanruf nur dann zulässig sein, wenn der Angerufene ihm vorher ausdrücklich zugestimmt hat. So wird verhindert, dass sich Anrufer auf Zustimmungserklärungen berufen, die der Verbraucher in einem völlig anderen Zusammenhang oder nachträglich erteilt hat.
Verbot der Rufnummernunterdrückung

Bei Werbeanrufen darf der Anrufer künftig seine Rufnummer nicht mehr unterdrücken, um seine Identität zu verschleiern. Viele unerwünschte Werbeanrufe werden nicht verfolgt, weil sich nicht feststellen lässt, wer angerufen hat. Denn die Unternehmen machen in der Regel von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Rufnummer zu unterdrücken. Ein entsprechendes Verbot soll im Telekommunikationsgesetz (TKG) vorgesehen werden. Wer gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung verstößt, dem droht ebenfalls ein Bußgeld.

Schutz vor "untergeschobenen Verträgen"

Verbraucherinnen und Verbraucher werden in Zukunft auch besser vor "untergeschobenen Verträgen" (so genanntes Slamming) über Telekommunikationsdienstleistungen geschützt. So muss bei Wechsel des Anbieters der neue Vertragspartner künftig in Textform nachweisen, dass der Kunde den alten Telefon-Vertrag tatsächlich gekündigt hat. Erst danach wird der Telefonanschluss des Verbrauchers auf den neuen Telefonanbieter umgestellt. Eine entsprechende Regelung soll in ein Gesetz zur Novellierung des TKG aufgenommen werden.

Bisher muss ein Telefonanschluss schon dann umgestellt werden, wenn der neue Telefonanbieter bloß behauptet, der Kunde wolle wechseln und habe seinen alten Vertrag gekündigt. In einer beträchtlichen Anzahl von Fällen ist es deshalb in letzter Zeit zu Missbräuchen gekommen. Verbraucher können die ungewollten Umstellungen allenfalls mit viel Aufwand rückgängig machen. Derartige Praktiken werden durch die Neuregelung unterbunden.

Derzeit wird das Maßnahmenpaket noch mit den anderen Ministerien abgestimmt. Danach kann der Entwurf zügig an die Länder und betroffene Verbände versandt und dann vom Bundeskabinett beschlossen werden.

Schutz vor Kostenfallen beim Telefon

Neue Regelungen im Telekommunikationsgesetz von 2007 schützen die Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber unseriösen Anbietern und sorgen für mehr Transparenz. Bei der Werbung für zahlreiche Rufnummern müssen die Preise gut lesbar und deutlich sichtbar angegeben werden. Die Preisansagepflicht wird über die (0)900er Rufnummern hinaus auf weitere Rufnummern, zum Beispiel auf (0)137er Nummern, ausgeweitet. Bei Textnachrichten muss der zu zahlende Preis ab einem Betrag von zwei Euro angezeigt werden. Ferner muss der Anbieter die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor dem Abschluss eines Abonnements über Kurzwahl-Datendienste über die wesentlichen Vertragsbestandteile wie den Preis und den Abrechnungszeitraum informieren. Erst durch eine Bestätigung über den Erhalt der Information kommt der Vertrag zustande. Die Preisangabepflichten bei den so genannten Kurzwahldiensten sollen insbesondere junge Handynutzer vor dem Kostenrisiko bei der Inanspruchnahme dieser Dienste schützen.

Tipps zum eigenen Schutz: Wer Werbeanrufe vermeiden möchte, sollte bei Einkäufen oder Bestellungen nicht zustimmen, dass die eigene Telefonnummer für Werbezwecke verwendet wird. Die Weitergabe und Nutzung der Kundendaten zu Werbezwecken wird oft im "Kleingedruckten" von Verträgen oder Bestellformularen angesprochen.
Wer sich über lästige Anrufe ärgert, sollte sich an Verbraucherorganisationen wie die Verbraucherzentrale oder die Zentrale gegen den unlauteren Wettbewerb wenden. Diese können einen Unterlassungsanspruch im Wege eines Abmahnverfahrens und notfalls mit einer Unterlassungsklage durchsetzen. Voraussetzung für den Erfolg solcher Verfahren ist die Kenntnis und Beweisbarkeit folgender Daten: Datum und Uhrzeit des Anrufs, Name des Anrufers, Name des Unternehmens, in dessen Interesse der Anruf erfolgt und Grund des Anrufs. Diese Informationen sollten Verbraucher sofort erfragen und möglichst noch während des Gesprächs notieren. Für eine erfolgreiche Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs muss der Sachverhalt in der Regel durch eine eidesstattliche Versicherung nachgewiesen werden.

Unerwünschte Werbe-E-Mails
Auch der Computer ist vor lästiger Werbung nicht geschützt. Das neue Telemediengesetz von 2007 verschärfte die Bestimmung zum "SPAM". Bereits nach geltendem Recht waren unverlangt zugesandte Werbe-E-Mails nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zivilrechtlich unzulässig. Das neue Telemediengesetz macht es möglich, auch Bußgelder zu verhängen. Wer absichtlich den Absender oder den kommerziellen Charakter einer E-Mail verschleiert oder verheimlicht, kann künftig mit einem Bußgeld bis zu 50.000 Euro belangt werden. Quelle: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Magazine/MagazinVerbraucher/003/t5-unerlaubte-telefonwerbung.html


Sonntag, 6. Oktober 2013

Hinweise für Fachwirt-Prüflinge zu Rechtsprüfungen, Teil 1

Anlässlich aktueller Korrekturarbeiten an Übungsklausuren von angehenden Fachwirten und Küchenmeistern möchte ich ein paar Hinweise los werden. Natürlich nur zu den Themen Recht und Steuern.

Wenn es um Rechte oder Forderungen geht, die in einem konkreten Fall zu prüfen sind (z.B. Schadenersatz, Rücktritt), dann beachten Sie bitte:

  • bleiben Sie beim konkreten Fall und machen keine allgemeinen Ausführungen zu diesem Rechtsthema. Es sei denn, sie machen zuerst allgemeine Ausführungen, worauf es ankommt, und stellen dann fest, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen erfüllt sind.
  • gehen Sie von einer so genannten "Anspruchsgrundlage" aus und prüfen Sie durch. Die meisten Gesetze enthalten ein paar Paragraphen, wo konkrete Ansprüche verankert sind, z.B. ein Schadenersatzanspruch, ein Lieferanspruch, ein Rückzahlungsanspruch. Die Paragraphen "drumherum" regeln oft nur Details über die einzelnen Voraussetzungen.
Manchmal gibt es für eine Forderung mehrere Anspruchsgrundlagen. Dann muss man sauber trennen und getrennt durchprüfen.

Beispiel: der Unternehmer hat eine Maschine mit herstellerseitigen Mangel gekauft; es entsteht ein Brand, bei dem auch andere Maschinen beschädigt und einige Arbeiter verletzt werden. Der Unternehmer will Schadenersatz für die Folgeschäden. In Frage kommende Anspruchsgrundlagen für einen Schadenersatzanspruch findet man z.B. 

a) aus kaufrechtlicher Gewährleistung (§ 434 BGB),

b) aus Deliktsrecht, also unerlaubter Handlung (§ 823 BGB)

c) aus § 1 Produkthaftungsgesetz.
Jede Anspruchsgrundlage hat ihre eigenen Voraussetzungen. Die erste z.B. erfordert, dass der Unternehmer die Maschine direkt vom  Hersteller gekauft hat, sonst fehlt es an dem Kaufvertragsverhältnis. Das Deliktsrecht erfordert das nicht, aber hier ist notwendig, dass ein Verschulden vorliegt. Das Produkthaftungsgesetz verlangt auch kein Verschulden, allerdings sind hier die gedeckte Schäden stark eingeschränkt (z.B. Sachschäden nur bei Drittsachen, und auch nur bei privater Verwendung)


Natürlich gibt es noch mehr Vorschriften, die Schadenersatz gewähren, die Sie aber nicht erwähnen und durchprüfen müssen, weil sie ganz offensichtlich von vornherein ausscheiden (z.B. aus Haftungsansprüche aus § 7 Straßenverkehrsgesetz bei Verkehrsverstößen)
In Fachwirtprüfungen sollte es nicht zu erwarten sein, dass  (wie bei Juristenprüfungen)  der Prüfling solche Varianten selbst erkennen muss. Die Fragen könnten z.B. eine Hilfestellung geben, indem sie die Themen aufspalten

Beispiel: Beantworten Sie folgende Fragen: a) Hat der A Schadenersatzansprüche aus Kaufvertrag gegen B wegen der beschädigten Maschinenhalle? b) Hat er Ansprüche aus anderen Gesetzen wegen dieser Schäden? c) Hat der geschädigte Arbeiter B Schadenersatzansprüche wegen seiner Personenschäden?
Wichtig ist aber, dass  Sie die Ansprüche nicht durcheinanderbringen.

So erlebe ich oft, dass bei Rücktritt wegen Verzögerung auch der Verzug (also das Vertretenmüssen und Mahnung) geprüft wird. Das ist aber (seit der Schuldrechtsreform 2002) nicht mehr nötig. Das Rücktrittsrecht ergibt sich aus einer anderen Rechtsgrundlage als der Schadenersatz wegen Verzugs.

Auch folgende Antwort aus einer Prüfung zeigt, dass der Prüfling alles durcheinanderbringt:

"Der Mitarbeiter kann wegen fahrlässiger Körperverletzung klagen, da der  Schaden, den er davon trägt, durch das mangelhafte Produkt entstanden ist".

Hier fehlt das Gesetz, woraus er es ableitet (ProdHG?, Kaufvertrag? Unerlaubte Handlung?). Ferner spielt die Fahrlässigkeit nur bei Kaufvertrag und unterlaubter Handlung eine Rolle. Ein "Mangel" ist  nur bei Kaufvertrag zu prüfen, bei Produkthaftungsfällen dagegen ist die FEHLERHAFTIGKEIT  festzustellen. Der Mitarbeiter hatte tatsächlich einen Anspruch aus Produkthaftung, weil die entsprechenden Voraussetzungen vorlagen, insbesonder ein Fehler vorlag, dadurch ein Personenschaden entstand, der Anspruchsgegner der Hersteller war etc. Aber mit obiger Begründung ist fraglich, ob der Korrektur auch nur einen Punkt gibt.

Am Rande: wenn nach Ansprüchen gefragt ist, muss man nicht gleich Klage erheben. Man kann einfach seine Ansprüche geltend machen.

Wenn mehrere Voraussetzungen für ein Recht zu prüfen sind, z.B. Anspruchsvoraussetzunge für den Schadenersatz aus Verzug (Fälligkeitsüberschreitung, Vertretenmüssen, Eintritt eines Schadens) oder für eine arbeitsrechtliche Kündigung (Kündigungserklärung, Schriftform, Anhörung Betriebsrat, evtl. Hürden aus Kündigungsschutz, Frist), dann haben Sie zwei Möglichkeiten:

  • Bei einfachen Fällen können Sie das Ergebnis der Prüfung an den Anfang stellen und dann die einzelnen Voraussetzungen durchgehen.

    Beispiel:
     Der Kunde kann Schadenersatz verlangen. Die Voraussetzungen dazu sind erfüllt: der Liefertermin war überschritten und der Lieferer muss die Verzögerung vertreten. Ferner liegt eine ausreichende Mahnung vor.

    Versuchen Sie aber nicht, alles in einen einzigen Satz zu packen (Der Kunde kann Schadenersatz verlangen, weil der Liefertermin überschritten ist und der Lieferer die Verzögerung zu vertreten hat und ...). Das klingt nicht gut und führt meist dazu, dass man wichtige Details nicht erwähnt. Verteilen Sie das ruhig auf ein paar Sätze, dann können Sie die einzelnen Punkte sauber erörtern.
  • Ansonsten können Sie den Gutachterstil verwenden, den Betriebswirtschafler oder Juristen in Prüfungen verwenden. Das ist für Fachwirtprüfungen nicht nötig, aber möglich, und bei komplexen Fällen auch sinnvoll: Beim Gutachterstil lassen Sie das Ergebnis am Anfang noch offen, Sie sagen dem Leser nur, wo Sie mit der Prüfung anfangen, bzw. was Sie prüfen.

    Beispiel:

    Herr Huber  könnte einen Schadenersatzanspruch aus Produkthaftungsgesetz haben.


    Dazu müsste ein Fehler im Sinne des ProdHG vorliegen. Das ist hier der Fall, da die Verkabelung nicht sicher war und die Gefahr eines Brandes bestand. Ferner muss dadurch ein Sachschaden entstanden sein, und zwar bei anderen Sachen als die fehlerhafte Sache. Das liegt gemäß Fallangabe vor (evtl. genauer ausführen). Der Anspruch richtet sich gegen Hersteller oder Importeure. Die im Fall genannte Firma X ist Hersteller.   Bei Sachschäden muss aber (im Gegensatz zu Personenschäden) noch zusätzlich die Voraussetzung erfüllt sein, dass die Sache für den Privatgebrauch gedacht ist und auch privat verwendet wurde. Das ist hier nicht der Fall, denn das Gerät wurde unternehmerisch benutzt. Darum scheidet ein Schadenersatzanspruch aus ProdHG letztlich aus (oder: darum besteht kein Schadenersatzanspruch.
Stil

Vermeiden Sie Formulierungen wie "selbstverständlich", "natürlich". Beispiel "er kann selbstverständlich Schadenersatz aus Produkthaftungsgesetz verlangen, weil...". Das ist zwar kein Fehler, klingt aber unprofessionell.


Tückisches Arbeitsrecht

Es ist erstaunlich, wie das Arbeitsrecht unterschätzt wird.

Es sind harmlose Regeln, die man sofort zu verstehen scheint, und wo es nicht viel zu Lernen zu geben scheint. Z. B. die Kündigungsfristen des § 622 BGB, oder der Urlaubsumfang aus BUrlG.Und genau hier werden reihenweise grobe Fehler gemacht.

Ich denke, hier ist es wie bei der Mathematik: die Regel ist unscheinbar, aber man muss Beispiele üben. Dann wird erst sichtbar, wie tückisch die Regeln sind. Das ist kein Problem der Prüfung, sondern schon vorher ein Problem des Lernens.

Arbeitsrecht ist aber wichtig. Gleichgültig ob Küchenmeister oder Fachwirt (der Basis-Stoff der Fachwirte ist identsich mit dem Lehrstoff für Küchenmeister), Sie müssen ein Grundwissen in Arbeitsrecht haben, denn damit ist man in leitenden Stellungen konfrontiert.

Prüfen Sie, ob Sie den § 622 BGB wirklich verstanden haben: Zuerst 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Ab einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängert sich das gemäß Absatz 2, allerdings nur für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Zuerst erhöht sich das Ganze auf 1 Monat (das ist bekanntlich ganz etwas anderes als 4 Wochen) und jetzt nur noch zum Monatsende, dann auf 2 Monate und so weiter.

(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeiters oder eines Angestellten (Arbeitnehmers) kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden.
(2) Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen
1.zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5....

Wird fortgesetzt