Samstag, 5. August 2017

Der Verbrauchervertrag

Der Begriff "Verbrauchervertrag" wird in § 310 definiert und in den §§ 312 - 312k  erneut  aufgegriffen, weshalb dort die Abschnittsüberschrift "Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen" heißt. 

Es gibt aber verstreut über das BGB weitere Fälle, in denen die Konstellation Unternehmer-Verbraucher geregelt sind, z.B. Darlehensgeschäfte zwischen Unternehmer und Verbraucher (Verbraucherdarlehensverträge, 491 ff), Kaufverträge zwischen Unternehmer und Verbraucher (Verbrauchsgüterkauf, 474 ff). Dort aber fehlt der Rückgriff auf § 310 BGB, statt dessen wird  die Konstellation Unternehmer-Verbraucher neu definiert (siehe am Ende dieses Artikels).

Somit haben wir eine für Lernende sehr verwirrende Systematik. Oder besser: von Systematik ist nichts erkennbar. Eine zufriedenstellende, übersichtliche Darstellung in Wikipedia, Aufsätzen, Lehrbüchern oder auf den staatlichen Informationsportalen habe ich bis jetzt nicht gefunden.

Wenn man die wichtigsten Vorschriften zusammenfasst, in denen der Verbrauchervertrag auftaucht, dann ergibt sich folgendes Bild:

Die Definition

Die Definition ist versteckt in § 310 Abs. 3 BGB, also mitten im AGB-Recht.

Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung ...

An eine bestimmte Vertragsart (Kaufvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag) ist diese Definition noch nicht gebunden.

Man spricht hier von einer Klammerdefinition. Die Definition ist nicht in einem gesonderten Paragraph geregelt, sondern wird anlässlich einer Spezialregelung aufgestellt (sozusagen nebenher). Der Definitionsbegriff selbst steht immer in Klammern. Der Gesetzgeber will damit sinngemäß sagen: "wenn ich irgendwo in diesem Gesetz  den Begriff "Verbrauchervertrag" verwende, so sollen damit immer "Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher" gemeint sein, eben das, was vor der Klammer stand.

Die eigentlichen Regelungen




§ 310 Abs 3 BGB - Verschärftes AGB-Recht bei allen Verbraucherverträgen
§ 310 Absatz 3 BGB verschärft die (vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen) schützenden Regeln des AGB-Rechts (§§ 305 bis 310 BGB) dadurch, dass einige Vorschriften "zementiert" werden, sie können also nicht vertraglich ausgehebelt werden (gilt aber nur bei der Konstellation Unternehmer gegen Verbraucher, also nicht bei Verträgen zwischen Unternehmern, oder wenn ein Privater AGBs aufstellt und bei Verträgen verwendet).

§§ 312a BGB - Allgemeine Vorschriften für den Verbraucherverträge (für verschiedene Vertragsarten geltend)

§ 312 a Abs. 1 regelt Offenlegungspflichten bei Telefonanrufen. Ruft der Unternehmer einen Verbraucher an, um mit diesem einen Vertrag zu schließen, hat der Anrufer zu Beginn des Gesprächs seine Identität und gegebenenfalls die Identität der Person, für die er anruft, sowie den geschäftlichen Zweck des Anrufs offenzulegen. Gilt nicht immer, beachte die in § 312a genannten Ausnahmen
§ 312a Abs. 2  enthält Informationspflichten, die faktisch für den stationären Handel gedacht sind (jedes Geschäft ohne Beteiligung von Fernabsatzvertrag- oder Außergeschäftsraumvorschriften), auch wenn das so nicht so einfach erkennbar ist. Man muss den Text selbst lesen um zu verstehen, dass er sich schwer zusammen fassen lässt.
§ 312a Abs. 3  sieht vor, dass bei Onlinegeschäften dem Verbraucher keine Zusatzleistungen durch Voreinstellung (angekreuzte Checkbox) untergejubelt werden dürfen (z.B. zusätzlicher Abschluss einer Sachversicherung beim Onlinekauf eines Handys). Zusatzleistungen müssen also "ausdrücklich" vereinbart werden, das wäre der Fall, wenn der Kunde selbst die Zusatzleistung anklickt.
§ 312a Abs. 4: neben kostenpflichtigen Zahlungsmitteln muss mindestens ein gängiges kostenloses Zahlungsmittel angeboten werden
§ 312a Abs. 5 BGB: Der Einsatz von Mehrwertdiensterufnummern für Kundenhotlines sind (bei Verbraucherverträgen) nur eingeschränkt zulässig

Dass die einzelnen Regelungen in § 312a nur für Verbraucherverträge anwendbar sind (also nur bei der Konstellation "Unternehmer gegen Verbraucher"), steht dort nicht explizit, ergibt sich aber aus dem vorangestellten § 312 BGB, der den Wortlaut hat: "Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Absatz 3 anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben."

§ 312b  - Haustürgeschäfte

Früher in einem eigenen Gesetz geregelt, dann in das BGB übernommen: der Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung und Überredung, wenn er zu Hause oder an seinem Arbeitsplatz angesprochen wird. Der Schutz besteht darin, dass er ein zweiwöchiges Widerrufsrecht bekommt (312b iVm 312g BGB), außerdem muss der Unternehmer ungefragt über bestimmte Dinge informieren (§ 312b iVm 312d BGB).

Der Anwendungsbereicht ist im Laufe der Zeit so ausgeweitet worden, dass das Gesetz von "Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträgen" spricht. Also ist man auch bei Überrumpelung auf der Straße im Schutzbereich der Vorschrift. In der Praxis und in vielen Fachaufsätzen heißt es aber immer noch "Haustürgeschäft".
Achtung: Dieser Schutz gilt  nur bei Verbrauchergeschäften -  also nicht, wenn ein Unternehmer in seinem Geschäft angesprochen wird, ob er für das Unternehmen ein Produkt kaufen will. Diese Einschränkung auf "Verbrauchergeschäfte" steht nicht direkt in § 312b, ergibt sich aber aus der Vorschrift des § 312 BGB, wonach die anschließenden Paragraphen nur für Verbrauchergeschäfte gelten soll. Dies war eine Falle bei einer früheren Prüfungsaufgabe für Fachwirte - dort hatte man dem Unternehmer ein Verkaufsangebot z.T. für private Zwecke z.T. für geschäftliche Zwecke gemacht. Das letztere Geschäft bleibt wirksam und ist nicht widerrufbar.

§ 312c  - Fernabsatzgeschäfte
Gemeint sind Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern per Telefon, per Internet oder über andere Fernkommunikationsmittel und im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems abgeschlossen werden. Im Bereich des Handels wäre das z.B. jede Art von Versandhandel, egal ob über den früher üblichen Katalog oder Internet, Telefon, SMS etc. Auch hier erwähnt der § 312c nicht die Einschränkung auf Verbraucherverträge, dies ergibt sich aber wieder aus § 312 BGB.
Der Verbraucherschutz besteht hauptsächlich in einem zweiwöchigen Widerrufsrecht (§ 312c iVm 312g BGB) aber auch anderen Vorschriften (312d bis 312k BGB)
Speziell bei einer Abwicklung über Webeiten (also beim Onlinehandel) ist der § 312j BGB wichtig, der im Laufe der Jahre verschärft wurde. Diese Regelung will dafür sorgen,  dass der Kunde während des Online-Bestellvorgangs nicht überrumpelt wird. So muss er vorher oder zwischendurch die AGB oder ansehen können,  ohne den Bestellvorgang abbrechen zu müssen, er muss außerdem ungefragt schon vor Abschluss des Bestellvorgangs alle erforderlichen Informationen angezeigt bekommen, und der abschließende, vertragsauslösende "Klick" muss deutlich sein. Um den anhaltenden Missbrauch durch Klick-Fallen zu stoppen, wurde im Jahre 2012  die so genannte Button-Lösung in den Gesetzestext aufgenommen:

"Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem Vertrag nach Absatz 2 so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist."

Weitere verbrauchervertragsähnliche Regelungen sind die Vorschriften zum

Diese Regelungen knüpfen aber nicht an die Definition des Verbrauchervertrags in § 310 an, sondern enthalten eigene Definitionen. Beispiel Verbrauchsgüterkauf, § 474 BGB:
Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer beweglichen Sache die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.
Die Informationspflichten 

Verschiedene der bisher genannten Verbraucherverträgen (im weiteren Sinne) enthalten die Anweisung für den Unternehmer, den Kunden ungefragt über bestimmte Dinge zu informieren. Was das alles sein soll, wurde ursprünglich ausgelagert in eine eigene Verordnung, die BGB-InfoV, ausgeschrieben:  BGB-Informationspflichten-Verordnung. Mittlerweile wurden die Regelung weitgehend verlagtert in den Art 246 des EG-BGB (Einführungsgesetz zum BGB)

Um Wikipedia zu zitieren:

Die BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) regelte ursprünglich die Informationspflichten, die ein Unternehmer beim Abschluss von Fernabsatzverträgen, Teilzeitwohnrechte-Verträgen, Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr oder Reiseverträgen mit einem Verbraucher zu beachten hat. Ferner werden die Informationspflichten von Kreditinstituten konkretisiert. Die BGB-InfoV ergänzte damit zahlreiche verbraucherrechtliche Vorschriften des deutschen BGB. Mittlerweile (Stand Mai 2014) sind alle Paragraphen der BGB-InfoV weggefallen bis auf die §§ 9 - 14, die die Informations- und Nachweispflichten von Reiseveranstaltern behandeln. An die Stelle der weggefallenen Vorschriften sind insbesondere die Artt. 246 f. EGBGB, getreten, auf die die einschlägigen Vorschriften des BGB nunmehr verweisen. Weil diesen Regeln damit Gesetzesrang zukommt, wurde hierdurch ein größeres Maß an Rechtssicherheit hergestellt.