Das Bundesarbeitsgericht hat am 17. Juli 2012 eine Pressemitteilung zu einem spannenden Urteil (1 AZR 563/11) veröffentlicht, das sehr gut in einer Klausur oder mündlichen Prüfung abgefragt werden könnte, aber antürlich auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer interessant ist. Es betrifft den
Annahmerverzug des Arbeitgebers bei unwirksamer Kündigung
Standardproblem nach unberechtigten Kündigungen:
Der ArbG kündigt, der Arbeitnehmer legt Kündigungsschutzklage ein und nach ein paar Monaten erhält er ein positives Urteil. In der Zwischenzeit hat er aber nicht gearbeitet. Bekommt er trotzdem Lohn für diese Zeit?
Technisch wird das über den "Annahmeverzug" gelöst. Letztlich entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung (zumindest formal) angeboten hat bzw. anbieten musste. Es gibt verschiedene Fallgruppen und das Ganze ist ein Dauerthema in der Praxis.
Daher der Tipp für alle Studenten und Interessierten: beschäftigen Sie sich mit dem Urteil: Bundesarbeitsgericht, 1 AZR 563/11. Es betrifft zwar eine sehr spezielle Konstellation, ist aber sehr gut geeignet, die Fragen der Entgeltzahlung bei unwirksamer Kündigung abzuprüfen.
Allerdings ist das BAG-Urteil selbst (derzeit) noch nicht online. Man könnte sich an dem Urteil der Vorinstanz orientieren, das der BAG letztlich bestätigt hat. Eine Aufbereitung der Problematik hat Tom Stiebert auf juraexamen veröffentlicht:
Hier ist noch die zugehörige Pressemitteilung des BGH:
Wird ein Arbeitnehmer fristlos gekündigt und obsiegt er im anschließenden Kündigungsschutzprozess, steht ihm für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Verkündung des die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils kein Annahmeverzugslohn zu, wenn er sich in diesem Zeitraum an einem Streik beteiligt.
Nachdem bei der Beklagten Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags gescheitert waren, rief die IG BAU die Beschäftigten am 13. April 2010 zu einem unbefristeten Streik auf. Während des Arbeitskampfes wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010 fristlos gekündigt. Mit Urteil vom 14. Juli 2010 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin durchgehend am Streik beteiligt. Mit ihrer Klage verlangt sie Annahmeverzugslohn für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Urteilsverkündung. Sie macht geltend, nach Erhalt der Kündigung habe sie nicht mehr im Rechtssinne streiken, sondern sich nur noch mit den streikenden Kollegen solidarisch erklären können. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Ihr steht kein Annahmeverzugslohn zu. Aufgrund des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils steht zwar fest, dass zwischen den Parteien auch während der Dauer des Arbeitskampfes ein Arbeitsverhältnis bestand. Doch war die Klägerin wegen ihrer Streikteilnahme leistungsunwillig iSd. § 297 BGB. Das schließt einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB aus.