Ein Standardproblem ist dabei die vermaledeite Abfärberegelung: mischen sich gewerbliche Einnahmen unter die freiberuflichen Einnahmen, kann es zu einem Umkippen kommen: Plötzlich sind ALLE Einnahmen gewerblich, auch die Heilbehandlung. Beispiel: der Physiotherapeut verkauft in zunehmenden Umfang nebenher Wellness-Produkte. Plötzlich sind auch seine Heilbehandlungseinnahmen gewerbliche Einnahmen. Sofern er nicht bestimmte Regeln beachtet.
In diesem Zusammenhang habe ich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus em Jahre 2008 herausgesucht. Dort hat sich das Gericht geprüft und bestätigt, dass die Abfärberegelung (also dieses Umkippen) verfassungsgemäß ist. Gleichzeitig hat es innerhalb der Prüfung nochmals klargestellt, warum es grundsätzlich die Trennung Freiberufler und Gewerbe geben darf, und damit die Befreiung von der Gewerbesteuer. Das hat u.a. mit dem kaum bekannten Zweck der gewerbesteuer zu tun, eine Finanzierung der Infrastruktur-Ausgaben der Gemeinde zu ermöglichen (was man am schönsten beim gewerbesteuerlichen Zerlegungsverfahren erkennen kann). Solche Infrastrukturausgaben seien für Freiberufler kaum notwendig.
Das Urteil ist deshalb für Studenten und Interessierte lesenswert.
Link zum Beschluss vom 15. Januar 2008: 1 BvL 2/04 –
Zugehörige Pressemitteilung (Nr. 58/08vom 28. Mai 08):
Gewerbesteuerfreiheit von Selbständigen und Landwirten und Abfärberegelung verfassungsgemäß
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte aufgrund einer
Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts über zwei Fragen im
Zusammenhang mit der Gewerbesteuer zu entscheiden und kam zu folgendem
Ergebnis:
Es ist mit dem Gleichheitssatz vereinbar, dass die Einkünfte der freien
Berufe, der sonstigen Selbständigen und der Land- und Forstwirte nicht
der Gewerbesteuer unterliegen.
Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, dass nach § 15 Abs. 3
Nr. 1 Einkommensteuergesetz ("Abfärberegelung") die gesamten Einkünfte
einer Personengesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten und
damit der Gewerbesteuer unterliegen, wenn die Gesellschaft auch nur
teilweise eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:
I. Der Gesetzgeber hat bei der Entscheidung darüber, ob die freien
Berufe, sonstigen Selbständigen und die Land- und Forstwirte
zusammen mit den übrigen Gewerbetreibenden zur Gewerbesteuer
herangezogen werden sollen, den ihm zustehenden Gestaltungs- und
Einschätzungsspielraum nicht überschritten. Es gibt nach wie vor
hinreichend tragfähige Gründe für eine Differenzierung.
1. Die Nichteinbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer
spiegelt eine mittlerweile über 70 Jahre währende
Rechtstradition wider. An dieser über einen so langen Zeitraum
tradierten Differenzierung zwischen Gewerbetreibenden und freien
Berufen darf der Gesetzgeber so lange festhalten, bis offen
zutage tritt, dass im Hinblick auf den Steuergegenstand und die
wesentlichen Besteuerungsmerkmale keine tragfähigen Unterschiede
mehr zwischen diesen Berufsgruppen bestehen. Dies ist indes
nicht der Fall. Die im Regelfall akademische oder vergleichbare
besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung
als Voraussetzung für die Erlernung und Ausübung eines freien
Berufs, die besondere Bedeutung der persönlichen,
eigenverantwortlichen und fachlich unabhängigen Erbringung der
Arbeit, verbunden mit einem häufig höchstpersönlichen
Vertrauensverhältnis zum Auftraggeber, aber auch die spezifische
staatliche, vielfach auch berufsautonome Reglementierung
zahlreicher freier Berufe insbesondere im Hinblick auf
berufliche Pflichten und Honorarbedingungen lassen bei der
gebotenen typisierenden Betrachtung auch heute noch signifikante
Unterschiede zwischen freien Berufen und Gewerbetreibenden
erkennen.
Diese Unterschiede stehen in einem sachlichen Bezug zu der
traditionellen Rechtfertigung der Gewerbesteuer aus dem
Äquivalenzprinzip. Danach erweist sich die Herausnahme der
freien Berufe aus der Gewerbesteuer nicht als willkürlich. Der
Gedanke, dass die Gewerbesteuer einen pauschalen Ausgleich für
die besonderen Infrastrukturlasten bietet, die durch die
Ansiedlung von Gewerbebetrieben verursacht werden, hat nach wie
vor Bestand. Die Annahme, dass die freien Berufe typischerweise
in geringerem Umfang In-frastrukturlasten der Gemeinden
verursachen als die Gewerbetreibenden, liegt nahe. Die
Annäherungen im Berufsbild einer Reihe von freien Berufen auf
der einen und von Gewerbetreibenden auf der anderen Seite ändern
nichts an der Berechtigung zur typisierenden Einordnung der
freien Berufe als im Regelfall weniger personal- und
produktionsmittelintensiv. Die auf dieser Annahme beruhende
Differenzierung rechtfertigt sich vor allem auch vor dem
Hintergrund, dass die Freibeträge für die Gewerbeertrag- und bis
1993 für die Gewerbekapitalsteuer mehrfach erhöht worden sind.
Dies hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren nur noch
etwa 30% der Gewerbetreibenden tatsächlich mit Gewerbesteuer
belastet wurden. Steuerpflichtig sind danach nicht die kleineren
Gewerbebetriebe, die hinsichtlich der Beanspruchung von
Infrastrukturleistungen am ehesten mit den freien Berufen
vergleichbar sind, sondern die ertragsstarken und damit
regelmäßig die mittleren und größeren Gewerbebetriebe mit einer
typischerweise höheren Verursachung von Infrastrukturlasten.
2. Die Land- und Forstwirte unterscheiden sich von den
Gewerbetreibenden wesentlich durch das in der
Flächengebundenheit ihrer Betriebe zum Ausdruck kommende
besondere Gewicht des Produktionsfaktors Boden und die
Abhängigkeit ihres Wirtschaftserfolges von den
Wetterbedingungen. Außerdem unterliegen sie einer
Sonderbelastung im Bereich der Grundsteuer. Das
Bundesverfassungsgericht hat es daher schon bisher als in der
Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liegend angesehen, die
Land- und Forstwirte nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen.
3. Schließlich reduzieren verschiedene Anrechnungs- oder
Kompensationsbestimmungen im Einkommensteuerrecht, die die
"Doppelbelastung" der Gewerbebetriebe mit Einkommen- und
Gewerbesteuer mindern oder weitgehend beseitigen sollen, das
Gewicht der Ungleichbehandlung zwischen Gewerbetreibenden und
freien Berufen, sonstigen Selbständigen und Land- und
Forstwirten im Ergebnis beträchtlich und schließen damit
ebenfalls die Annahme einer willkürlichen Entscheidung des
Gesetzgebers aus.
II. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ("Abfärberegelung") ist mit dem
Gleichheitssatz vereinbar. Die hieraus folgende Ungleichbehandlung
der gemischt tätigen Personengesellschaft gegenüber dem
Einzelunternehmer, der im Gegensatz zur Personengesellschaft
gleichzeitig mehrere verschiedene Einkunftsarten verwirklichen
kann, ist durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.
Die Regelung verfolgt in erster Linie das Ziel, die Ermittlung der
Einkünfte gemischt tätiger Personengesellschaften zu vereinfachen,
indem sie alle Einkünfte typisierend auf die Einkunftsart
gewerblicher Einkünfte konzentriert. Der Einwand, die
Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Einkünfte und Abgrenzung der
Einkunftsarten bestünden in gleicher Weise beim Einzelunternehmer,
vernachlässigt die Dimension der Probleme bei den
Personengesellschaften. Im Fall des Einzelsteuerpflichtigen geht es
um die Abgrenzung mehrerer Einkunftsarten bei einem Steuersubjekt.
Bei einer Personengesellschaft hingegen ist die Abgrenzung mehrerer
Einkunftsarten bei mehreren Steuerpflichtigen erforderlich, die
diese zudem noch in unterschiedlicher Intensität verwirklichen
können. Dies eröffnet eine Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten
an Tätigkeiten und Vermögensobjekten mit Einkunftsarten und
Steuerpflichtigen bei einer Personengesellschaft, die die
Möglichkeiten eines Einzelunternehmers bei weitem übertreffen.
Außerdem ist die Einkünfteermittlung bei der Personengesellschaft
durch eine ganze Reihe von steuerlichen Besonderheiten
gekennzeichnet, die beim Einzelunternehmer fehlen. Angesichts
dieser Schwierigkeiten ist es von Verfassung wegen nicht zu
beanstanden, dass der Gesetzgeber bei den Personengesellschaften
ein gewichtiges Vereinfachungsbedürfnis im Hinblick auf die
Ermittlung der Einkünfte gesehen hat.
Ein weiterer legitimer Zweck der Regelung besteht in der Sicherung
des Gewerbesteueraufkommens. Die Abfärberegelung soll verhindern,
dass infolge unzureichender Abgrenzungsmöglichkeiten zwischen
verschiedenen Tätigkeiten einer Gesellschaft gewerbliche Einkünfte
der Gewerbesteuer entzogen werden.
Die mit der Typisierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG für die
Personengesellschaften verbundenen Nachteile stehen in einem
vertretbaren Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Zielen.
Das Gewicht der mit ihr einhergehenden Ungleichbehandlung der
Personengesellschaften ist zwar erheblich. Die Belastung wird
allerdings vor allem durch die Möglichkeit gemildert, der
Abfärberegelung durch gesellschaftsrechtliche Gestaltung
auszuweichen, die mit keinen nennenswerten Belastungen oder Risiken
verbunden ist.