Freitag, 24. Juni 2016

Meister Lämpel gab es wirklich


"... ein führwahr frivoles Werk mit jugendgefährdender Wirkung"
 

Meister Lämpel, der strenge Lehrer und Organist, den Wilhelm Busch in seinen Max-und-Moritz-Geschichten karikiert. Es gab ihn wirklich; er hieß allerdings Hase. Auch die Figuren aus anderen Streichen gabe es, die Witwe Bolte z.B., die gegenüber den Elternhaus von Wilhelm Busch wohnte

Im Jahre 1862, etwa 20 Jahre nach Erscheinen des moralisch-korrekten "Struwwelpeter", wo jeder Jungenstreich gleich bestraft wird, erschien dieses anarchistische Werk von Busch und irgendeine Moral kann man in den Geschichten der sinnlos bösartigen Kinder nicht erkennen. Daher wurde sie auch ab den 70er Jahren als jugendgefährdend kritisiert. Trotzdem wurde das Buch ein Bestseller.

Max und Moritz

Eine Bubengeschichte in Sieben Streichen
von Wilhelm Busch

Vierter Streich


Also lautet ein Beschluß:
Daß der Mensch was lernen muß.
Nicht allein das Abc
Bringt den Menschen in die Höh';
Nicht allein in Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören.

 
 Daß dies mit Verstand geschah,
War Herr Lehrer Lämpel da.
Max und Moritz, diese beiden,
Mochten ihn darum nicht leiden,
Denn wer böse Streiche macht,
Gibt nicht auf den Lehrer acht.
Nun war dieser brave Lehrer
Von dem Tobak ein Verehrer,
Was man ohne alle Frage
Nach des Tages Müh und Plage
Einem guten, alten Mann
Auch von Herzen gönnen kann.
 
Max und Moritz, unverdrossen,
Sinnen aber schon auf Possen,
Ob vermittelst seiner Pfeifen
Dieser Mann nicht anzugreifen.
Einstens, als es Sonntag wieder
Und Herr Lämpel, brav und bieder,

 

In der Kirche mit Gefühle
Saß vor seinem Orgelspiele,
Schlichen sich die bösen Buben
In sein Haus und seine Stuben
Wo die Meerschaumpfeife stand;
Max hält sie in seiner Hand;

  
Aber Moritz aus der Tasche
Zieht die Flintenpulverflasche,
Und geschwinde - stopf, stopf, stopf! -
Pulver in den Pfeifenkopf.
jetzt nur still und schnell nach Haus,
Denn schon ist die Kirche aus. -
  

Eben schließt in sanfter Ruh
Lämpel seine Kirche zu;
Und mit Buch und Notenheften
Nach besorgten Amtsgeschäften

  


Lenkt er freudig seine Schritte
Zu der heimatlichen Hütte,
 

Und voll Dankbarkeit sodann
Zündet er sein Pfeifchen an.
  

"Ach!" spricht er. "Die größte Freud
Ist doch die Zufriedenheit!"
  

Rums! - Da geht die Pfeife los
Mit Getöse, schrecklich groß!
Kaffeetopf und Wasserglas,
Tobaksdose, Tintenfaß,
Ofen, Tisch und Sorgensitz -
Alles fliegt im Pulverblitz.
  

Als der Dampf sich nun erhob,
Sieht man Lämpel, der - gottlob -
Lebend auf dem Rücken liegt;
Doch er hat was abgekriegt.
  


Nase, Hand, Gesicht und Ohren
Sind so schwarz als wie die Mohren,
Und des Haares letzter Schopf
Ist verbrannt bis auf den Kopf.
Wer soll nun die Kinder lehren
Und die Wissenschaft vermehren?
Wer soll nun für Lämpel leiten
Seine Amtestätigkeiten?
Woraus soll der Lehrer rauchen,
Wenn die Pfeife nicht zu brauchen?


 

Mit der Zeit wird alles heil,
Nur die Pfeife hat ihr Teil.
Dieses war der vierte Streich,
Doch der fünfte folgt sogleich.



 
In "Max und Moritz" verarbeitete Busch (1832–1908) eigene Kindheitserlebnisse. Im Alter von neun Jahren verließ er seinen Heimatort Wiedensahl westlich von Hannover und wurde seinem Onkel, Pastor Georg Kleine, zur Erziehung übergeben. Die folgenden fünf Jahre lebte er in Ebergötzen bei Göttingen und verbrachte viel Zeit mit seinem besten Freund, dem Müllersohn Erich Bachmann.  Busch selbst stand für Moritz Pate, sein bester Freund Erich ähnelte Max. Das weiß man aus alten Zeichnungen bzw Portraits.

Der Weg zum Druck war damals kompliziert: Der Künstler musste seine Zeichnungen zunächst seitenverkehrt auf Buchsbaumhölzer übertragen. Dabei ging zwangsläufig ein wenig von der Dynamik der gezeichneten Originale verloren. 

Viele interessante Informationen zu diesem Meilenstein der comic-Geschichte findet man auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_und_Moritz


Wilhelm Busch