Sonntag, 17. Dezember 2017

Spenden an Wählervereinigungen

Dieser Aufsatz richtet sich an Steuerfachangestellte oder andere Steuerfachleute in Ausbildung und betrifft politische Spenden bei der Einkommensteuer

Anlass ist ein aktuelles BFH-Urteil, das aber nur die bestehende Rechtslage klarstellt - also das, was ein Auszubildender eigentlich sowieso wissen müsste:
Spenden an kommunale Wählervereinigungen sind nicht nach § 10b Abs. 2  EStG begünstigt (Urteil vom 20.3.2017; siehe Links am Ende des Artikels)
Das Thema Wählervereinigung könnte schon mal in einer Prüfung auftauchen - auch bei Steuerfachangestellten. Was sehr gemein wäre, denn die Spenden bringen den Schüler auch so zu Verzweiflung - egal ob es um Spenden im ESt-Recht oder im GewSt-Recht handelt. Und die "Wählervereinigung" wäre ein gepfeffertes Sahnehäubchen auf eine solche Prüfungsaufgabe.

Also der Reihe nach. Zuerst die Basics:



  • Bestimmte Spenden sind als Sonderausgaben abziehbar. Hierfür gibt es die spezielle Regelung in § 10b EStG.
      
  • Diese Vorschrift gilt für förderwürdige Spenden (Absatz 1)  und für politische Spenden (Absatz 2)
     
  • Speziell für politische Spenden gilt zusätzlich eine Regelung in § 34g EStG. Dort bilden die Spenden keine Sonderausgabe, die von dem "zu versteuernden Einkommen" (der Berechnungsgrundlage für die ESt) abgezogen werden, sondern führen zu einer Ermäßigung der jetzt schon komplett errechneten ESt selbst (so genannter "Abzugsbetrag").
     
  • Das Gesetz fasst "Spenden" und "Mitgliedsbeiträge" jeweils zu einem Topf zusammen und bildet den Überbegriff "Zuwendungen". Die Definition finden Sie in § 10b EStG. Sie gilt sowohl für Sonderausgaben als auch für den Abzugsbetrag in § 34g EStG. In der Ausbildungsliteratur verwendet man trotzdem oft nur das Wort "Spenden", meint aber natürlich "Zuwendungen".
     
  • Es ist wichtig, dass Sie bei den Sonderausgaben die förderwürdigen Spenden nach Absatz 1 und die politischen Spenden nach Absatz 2 völlig getrennt prüfen UND AUF KEINEN FALL VERMISCHEN. Denn es gilt für jede Gruppe eine eigene Höchstbetragsregelung. Und bei den politischen Spenden (und nur dort) mischt der § 34g auch noch kräftig mit.
Jetzt speziell zu den politischen Spenden (bzw. Zuwendungen).

Man unterscheidet politische Parteien  und Wählervereinigungen.


  • Politische Parteien müssen die Voraussetzungen des Parteiengesetzes erfüllen.
     
  • Die meist nur kommunal auftretenden politischen Wählervereinigungen dagegen treten zu einer Wahl an, ohne den Status einer politischen Partei zu haben. 

Andere Namen für Wählervereinigungen sind Wählergruppe, Wählergemeinschaft, Bürgergruppe oder  Bürgervereinigung; Sie finden mehr Infos in Wikipedia unter "Wählergruppe".

Im steuerlichen Bereich spricht man in der Regel von kommunalen Wählervereinigungen.
Wenn dieser Begriff in einer Aufgabe auftaucht, dann müssen Sie aufpassen - denn Zuwendungen an Wählervereinigungen dürften Sie nicht mit Zuwendungen an politischen Parteien vermischen.


Die Zuwendungen an politische Parteien werden berücksichtigt sowohl in § 10b EStG (Sonderausgaben) als auch 34g EStG (50prozentiger Abzugsbetrag).

Die Zuwendungen an politische Wählervereinigungen sind ausschließlich in § 34g EStG berücksichtigt und zwar dort über Nr. 2:

§ 34g Nr. 2 EStG spricht von
Vereine ohne Parteicharakter, wenn
a)
der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahlen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken, und
b)
der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will.
und das merken Sie sich bitte einfach als "Wählervereinigung". § 34g Nr. 1 betrifft Parteien und Nr. 2 betrifft Wählervereinigungen.

In § 10b EStG tauchen die Wählervereinigungen nicht auf. Dort sind ganz bewusst nur Spenden an "Parteien" begünstigt (das ist, was das Urteil nochmals klargestellt hatte)


Wenn in einer Aufgabe Spenden an Wählervereinigungen auftauchen, dann bilden bzw. berechnen Sie  drei getrennte "Töpfe":

- Spenden und Mitgliedsbeiträge für nichtpolitische förderwürdige Zwecke i.S.v. 10b Abs. 1 EStG
- Spenden und Mitgliedsbeiträge an politische Parteien (10b Abs. 2 EStG)
- Spenden und Mitgliedsbeiträge an Wählervereinigungen (nur über 34g EStG)


Berechnungen

Eigentlich geht der Gesetzgeber gedanklich von unten nach oben:

Die ersten 1.650 Euro Zuwendungen eines Einzelveranlagten  an eine politische Partei soll über 34g zu einer Steuerminderung führen.  50 % dieser Zuwendungen sollen von der ESt abgezogen werden.

Das führt zu einem Abzugsbetrag von maximal 825 Euro, der Hälfte von 1.650 Euro (der Betrag von 1.650 Euro taucht im Gesetzestext von 34g nicht auf, sondern nur die maximale Auswirkung von 825 Euro - jeder weiß aber und muss wissen, dass damit die ersten 1.650 Euro Zuwendungen abgedeckt sein sollen).

Diese 50%-Wirkung ist für jeden gleich, egal, wo er sich in der Progression befindet. Würde man die Zahlungen noch bei der Ermittlung des "zu versteuernden Einkommens" abziehen, würde der Ansatz zu einer Steuerersparnis von 0 bis 45 % führen - je nach "arm oder reich". Da wir aber schon die ESt selbst errechnet haben, und jetzt erst 50% der ersten 1650 Euro von der ESt abziehen, ist der Effekt für alle gleich - einerlei, ob der Grenzsteuersatz 15 % (Kleinverdiener) oder 45 % (Manager) beträgt (wenn Sie das nicht verstehen, sollten Sie das Thema ESt-Tarif vorziehen und sich zwischendurch damit beschäftigen. Vieles bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens wird überhaupt nur verständlich, wenn man die Progression kennt.)

Jetzt kommt gedanklich der zweite Schritt: sollte die Zuwendungen höher als diese 1.650 (pro Person) gewesen sein, sollen weitere 1.650 Euro als Sonderausgaben abgezogen werden können. Oder anders: das was die ersten 1.650 Euro übersteigt, kann als Sonderausgaben berücksichtigt werden, aber wiederum nur bis zu einem Höchstbetrag von 1.650 Euro.


Das ist komisch, weil man bei der Berechnung der ESt zuerst die Sonderausgaben berechnen muss, und erst ganz am Ende aller Berechnungen kommt der 34g.


Die Wählervereinigungsspende in der StFA-Klausur

Bei den Sonderausgaben:

  • kein Ansatz der Zuwendungen für Wählervereinigungen.
Bei 34g EStG (sofern gefragt):

Zuwendungen an politische Parteien und an Wählervereinigungen trennen und jeweils bis zum Maximum von 825 Euro durchprüfen, denn 34g gilt "jeweils" für beide Arten von Spenden.

Beispiel: Spende an Wählervereinigung, 2000 Euro; ferner Spende an politische Partei, 3000 Euro
  • Zuwendungen an Wählervereinigungen:  2.000 Euro; davon 50% sind 1.000 Euro, aber maximal 825 Euro, Ergebnis: Abzugsbetrag 825 Euro
  • Dann (oder davor, aber jedenfalls gesondert): Zuwendungen an politische Parteien: 3000 Euro, davon 50% sind 1500 Euro, maximal 825 Euro. Ergebnis: Weiterer Abzugsbetrag 825 Euro.

BFH-Pressemittilung:
Zuwendungen an kommunale Wählervereinigungen
Urteil vom 20.3.2017 X R 55/14

Spenden an kommunale Wählervereinigungen sind nicht nach § 10b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt.

Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 20. März 2017 X R 55/14 entschieden hat, sind zwar Spenden an politische Parteien i.S. von § 2 des Parteiengesetzes (PartG) bis zur Höhe von insgesamt 1.650 € und im Fall der Zusammenveranlagung bis zur Höhe von 3.300 € im Kalenderjahr abziehbar. Nehmen Wählervereinigungen aber nicht an den Bundestags- oder Landtagswahlen teil, sind sie keine Parteien i.S. des PartG. Ein Spendenabzug nach § 10b EStG ist damit ausgeschlossen. Spendern steht lediglich die Steuerermäßigung nach § 34g Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu.

Im Streitfall wandte der Kläger einer kommunalen Wählervereinigung Beträge zu, die die nach § 34g EStG begünstigten Ausgaben überstiegen. Der nicht begünstigte Teilbetrag sollte als Spende nach § 10b Abs. 2 Satz 1 EStG berücksichtigt werden.

Das Finanzamt lehnte den Spendenabzug ab, da die kommunale Wählervereinigung keine Partei i.S. des § 2 PartG sei. Klage und Revision blieben erfolglos.

Zum kompletten Urteil geht es hier lang: Urteil des X. Senats vom 20.3.2017 - X R 55/14 -