Samstag, 9. Juli 2016

Wettbewerbsrecht Schleichwerbung und UWG

Unter Schleichwerbung versteht man die von einem Unternehmer finanzierte Werbung, die vom Adressaten gar nicht als Werbung erkannt werden kann.

Wettbewerbsrechtliche Regelungen
  • § 5a Absatz 6 UWG (übergreifend )
  • Nr. 11 der Schwarzen Liste (Anhang zu § 3 UWG) - speziell zu redaktioneller Werbung
Formen der unlauteren Schleichwerbung

Formen der unlauteren Schleichwerbung im weiteren Sinne sind die getarnte Werbung und die Verschleierung des werblichen Charakters von Veranstaltungen, für die geworben wird.

Getarnte Werbung
  • redaktionelle Werbung ohne Hinweis auf Werbecharakter (Beispiel: Werbung wird als redaktioneller Textbeitrag „getarnt“, so dass der Eindruck entsteht, ein unabhängiger Journalist habe den Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel verfasst. Tatsächlich ist es aber ein durch das in dem Artikel in der Regel besonders positiv dargestellte Unternehmen in Auftrag gegebener und bezahlter Artikel oder auch ein selbst geschriebener Beitrag.)
  • unveränderte Übernahme von werblichen Beiträgen als vermeintlich neutrale Berichterstattung (Beispiel: in einem Magazin wird ein Artikel über ein bestimmtes Automodell veröffentlicht, der in weiten Teilen wortgleich mit der Internet-Werbung des Herstellers war, verbunden mit einer Preisangabe und drucktechnisch hervorgehobenen Kontaktdaten eines Vertriebshändlers.)
Verschleierung des werblichen Charakters:
  • Werbung für getarnte Verkaufsveranstaltung (erst beim Besuch der Veranstaltung stellt sich heraus, dass es eine Verkaufsveranstaltung ist)
  • als Meinungsumfrage getarnter Werbeanruf oder Hausbesuch
  • Vorspiegelung von Verdienstmöglichkeiten, um als „Einstiegsvoraussetzung“ Ware zu verkaufen.
Schleichwerbung in der heutigen Praxis

Die Gerichte setzen in ihren Urteilen hohe Anforderungen an die Kennzeichnung. Sie verlangen, dass der Werbecharakter für den flüchtigen Leser eines Artikels auf den ersten Blick erkennbar sein muss. Eine Erkennbarkeit erst bei genauerem Hinsehen oder nur für die Stammleser ist nicht ausreichend.

Was Schleichwerbung betrifft, so wird in letzten Jahren zunehmend gegen das Trennungsgebot von Redaktionellen Beiträgen und Werbung verstoßen. Wenn ein Werbeartikel durch die grafische Gestaltung wie ein redaktioneller Beitrag wirkt, muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine Anzeige handelt, um den Vorwurf der unzulässigen Schleichwerbung zu entkräften (z. B. mittels Umrahmung und dem Hinweis "Anzeige". Nicht ausreichend ist der Hinweis durch den englischen Begriff Promotion“, da dieser zum Teil gar nicht, zum Teil falsch verstanden wird (Beispiel LG München)

In Printmedien ist es eigentlich auch nicht ausreichend, die entsprechenden Werbeseiten einfach nur als „"Anzeigenbeilage", "Verlagssonderthema", "Verlagsbeilage"“ oder "„Sonderveröffentlichung“" zu kennzeichnen. Hinzukommen muss, dass auch die grafische Gestaltung, Seitennummerierung usw. von der des redaktionellen Teils abweicht, damit der flüchtige Leser sofort den Werbecharakter erkennt.

Regelungen außerhalb des Wettbewerbsrechts:

  • Die Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über audiovisuelle Mediendienste (sog. AVMD-Richtlinie), welche die sog. EG-Fernsehrichtlinie abgelöst hat, definiert Schleichwerbung als „die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, dem Namen, der Marke oder den Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Mediendiensteanbieter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit über ihren eigentlichen Zweck irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.“ Schleichwerbung ist verboten. Von der Schleichwerbung zu unterscheiden ist die Produktplatzierung. Sie wird definiert als „jede Form audiovisueller kommerzieller Kommunikation, die darin besteht, gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung ein Produkt, eine Dienstleistung oder die entsprechende Marke einzubeziehen bzw. darauf Bezug zu nehmen, sodass diese in der Sendung erscheinen.“
  • Das „Europäische Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen“ des Europarates enthält in Artikel 13 das Gebot der Trennung der Werbung vom Programm (Abs. 1) und das Verbot der Schleichwerbung (Abs. 3): „Schleichwerbung und -teleshopping, insbesondere die Darstellung von Erzeugnissen oder Dienstleistungen in Sendungen zu Werbezwecken, sind verboten.“[3].
  • Der Rundfunkstaatsvertrag (Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland) hat seit dem 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die Definition in der Fernsehrichtlinie übernommen (s.o.) und in späteren Rundfunkänderungsstaatsverträgen, zuletzt durch den 13., angepasst. Gem. § 7 Abs. 7 S. 1 RStV sind Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sowie entsprechende Praktiken unzulässig.[4]
 Ferner sind Pressegesetze zu beachten
Beispiel: in § 9 des Landespressegesetzes Berlin heißt es: „Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§ 7 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort ‚Anzeige‘ zu bezeichnen.“ Die Formulierung in den anderen Landespressegesetzen ist ähnlich.

siehe ferner: Pressekodex, dort Nr 7 (Trennung Werbung und Redaktion)
https://www.presserat.de/fileadmin/user_upload/Downloads_Dateien/Leitfaden_Ziffer_7.pdf


Die ach so schlauen Umgehungsversuche

Zur Umgehung des Wortes „Anzeige“ probieren Werbetreibende immer neue Tricks. Das eigentliche Motiv aber, nämlich zu täuschen, ist unübersehbar.

Mit Recht haben die Gerichte an der Verwendung des gesetzlich vorgeschriebenen Wortes ‚Anzeige‘ festgehalten. Folgende Umgehungsausdrücke wurden zurückgewiesen

Geschäftliche Information‘ oder ‚Wirtschaftsanzeigen-Public-Relations‘, ebenso ‚PR-Anzeige‘, ‚PR-Mitteilung‘, ‚PR-Artikel‘, ‚PR-Reportage‘, ‚PR-Advertisement‘, ‚Wirtschaftsspiegel – außer Verantwortung der Schriftleitung‘.

Alle diese Ausdrücke sind nicht geeignet, dem "flüchtigen Durchschnittsleser" Klarheit über den Anzeige-Charakter zu geben.

Prominenter Fall: BILD-Zeitung

Das Kammergericht Berlin urteilte über eine getarnte Werbung in der BILD-Zeitung und meinte: „Sonderveröffentlichung“ spricht eher für redaktionelle Berichterstattung

Urteil vom 30. Juni 2006, 5 U 127/05

Hintergrund: Die Bild-Zeitung warb am 15. Februar 2005 in einer „Sonderveröffentlichung“ für das „Volks-Sparen“ bei der Deutschen Bank.


Bundesgerichtshof zum Begriff „Anzeigenbeilage“

Urteil vom 23. Oktober 1997, I ZR 123/95

Der Fall: Zur Internationalen Automobilausstellung erscheint in einer Zeitung die Beilage „Auto 94“, die als „Anzeigenbeilage“ gekennzeichnet ist. Darin stehen Anzeigen von Kraftfahrzeughändlern neben redaktionellen Artikeln, in denen die Fahrzeuge in durchweg positiven, manchmal sogar superlativistischen Wendungen beschrieben werden. Bezahlt wurden allein die Anzeigen, nicht die Texte.